Ukraine, Problemlösung : Autonomie oder Föderation ?
Im Mittelpunkt sollte eigentlich die tatsächlich vorhandene ukrainische Staatsfrage stehen, deren Bewältigung ein großes Maß an Realität seitens der Ukraine voraussetzt.
Hierbei handelt es um das punctum quaestionis (Kern der Frage) des gegenwärtigen ukrainischen Problems. Aus verschiedenen wohlbekannten Gründen wie z.B. unterschiedliche Konfessionen und Sprachen, allgemein kulturellen Traditionen zwischen der West- und der Ost-Ukraine , aber auch aus praktischen Gründen, hat sich die Form des gegenwärtigen ukrainischen Einheitsstaates als misslungener erwiesen, was in erster Linie die ukrainischen Ultranationalisten offensichtlich nicht begreifen können.
Es gibt zumindest theoretisch zwei Lösungsmöglichkeiten, wobei beide eine Veränderung der Verfassung voraussetzen:
a) Minimallösung
Anerkennung der russisch sprechenden Bevölkerung als ethnische Minderheit und Gewährung die nach Völkerrecht üblichen Rechte , vor allem einer weitergehenden Autonomie. In den Autonomiegebieten Donezk und Lugansk sollten gleichberechtigt die Sprachen Ukrainisch und Russisch sein oder eine sprachliche Hierarchie vornehmen. Das hieße Ukrainisch als die erste und Russisch als die zweite Sprache. Der Autonomiestatus sollte nach Möglichkeit auch die Schulbildung sowie die Wirtschaft erfassen, ohne sie natürlich aus der ukrainischen Gesamtwirtschaft herauszulösen.
b) Maximallösung
Verwandlung der Ukraine in eine Föderation (Bundesstaat) bestehend aus gleichberechtigten Bundesgebieten eventuell nach dem erfolgreichen Vorbild der Bundesrepublik Deutschland. Bekanntlich sind international auch andere erfolgreiche Beispiele bundesstaatlichen Charakters zu verzeichnen. Danach würde die Zentralregierung hauptsächlich für die Außenpolitik und die Landesverteidigung zuständig sein, während den Bundesländern in erster Linie die Zuständigkeit über die Wirtschaft, die Volksbildung und über die Hochschulen übertragen wird.
Zuerst ist jedoch das Zurückdrängen des verhängnisvollen Einflusses der ultranationalistischen Kräfte in der West-Ukraine sowie die Beendigung der völkerrechtswidrigen Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten des souveränen Staates Ukraine die conditio sine qua non für diese dem Wesen nach endgültige Lösung des ukrainischen Staatsproblems. Parallel dazu sollte eine Mitgliedschaft der Ukraine in die NATO tunlichst vermieden werden.
Ohne eine realistische Sicht der Situation durch die ukrainische Regierung besteht die Gefahr der weiteren Infiltration des Landes durch Russland und die Inszenierung eines entgegen gesetzten Maidans mit dem Ziel, die Regierung durch eine prorussische zu ersetzen. Russland wartet auf die passende Gelegenheit, um in diese Richtung aktiv zu werden. Der ukrainische Präsident macht leider Gottes einen taktischen Fehler nach dem anderen, weil er der Illusion erlegen ist, dass die NATO sich im Falle eines russisch-ukrainischen Krieges militärisch engagieren würde.
Focus (7.7.14.) , Die Welt (12.7.14), Die Zeit (10.12.18, 10.2.21, 7.4.21), Münchner Merkur , Tagesspiegel (11.12.18), Münchner Merkur (24.4.19), Wiener Zeitung (5.12.20, 2.9.21), NZZ (25.1.22)