Glaube

Glaube
Der Ausgangspunkt der grundlegenden Annäherung an das Thema ist der große Unterschied zwischen dem Wissen aus der philosophischen Sicht der Wissenschaft einerseits und dem Glauben andererseits. Nach dem internationalen consensus generalis professorum et doctorum (allgemeiner Konsens der Professoren und Doktoren) geht es in der Wissenschaft in erster Linie um Wissen, das auf der Rechtfertigung nach den strengen Kriterien der Vernunft oder der Erfahrung beruht ( Εzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, hrsg. von J. Mittelstraß, vier Bände, hier Bd. 4, Stuttgart/Weimar, 2004, S.717/718). Autoren sind die gesamte philosophische Elite Deutschlands, Österreichs und der Schweiz). Wissenschaftliche Erkenntnis ist also gleichbedeutend mit Wahrheit.
Im Vergleich zum Wissen geht es beim Glauben nur um die Meinung, nach Platon um die doxasia (δοξασία), d.h. letztlich um die Überzeugung, die weder durch wissenschaftliche Kriterien noch durch Erfahrung begründet werden muss. Das Gleiche gilt für das Verhältnis zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem religiösen Glauben. Dies schließt jedoch theologisches Wissen nicht aus, das jedoch sowohl auf dem Glauben als religiöser Überzeugung als auch auf der “Suche und empirischem Empfinden” (H. Giannaras, Kathimerini, 27.4.14) beruht. Zwischen dem wissenschaftlichen Wissen einerseits und dem religiösen Glauben andererseits, der in der Regel mit Übernatürlichem und Aberglauben verbunden ist, besteht also ein starker und grundlegender Widerspruch, der die Schlussfolgerung rechtfertigt, dass Glaube und wissenschaftliches Wissen im Allgemeinen und im Wesentlichen eine contradictio in adiecto sind. So wird verständlich, warum die Versuche von der Frühzeit des Christentums bis heute (Apostel Paulus, Philo Alexandreus, Irenäus, Clemens von Alexandria und Origenes und später F. C. Baur, K. Hase, F.H. Jacobi, J.G. Haman, J.G. Herder, P. Tillich u.a. ), eine Verbindung von wissenschaftlicher Erkenntnis und Lehre zu beweisen, sind nicht von Erfolg gekrönt gewesen ( Id. oben, Bd.1, S.783). Inzwischen gibt es einen weiteren interessanten Zugang zum Thema, nämlich den der Neurowissenschaften. Die rasante Entwicklung der Neurowissenschaften vollzieht sich jedoch auf eine Weise und in einem Tempo, dass es für Laien sehr schwierig ist, die Schriften der Experten vollständig zu verstehen. Selbst die Mikrobiologie ist unverständlich. Es versteht sich daher von selbst, dass selbst ein Akademiker mit Erfahrung in der Forschung in anderen Disziplinen kaum in der Lage sein wird, eine fundierte Meinung über die Neurowissenschaften abzugeben. Diese gilt insbesondere für Vertreter der philosophischen, politischen, sozialen und juristischen Wissenschaften. Also chacun a sa place (jeder an seinem Platz), sonst besteht die große Gefahr der Scharlatanerie. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Versuch unternommen wird, sich der allgemeinen Methodik zu bedienen, z. B. in den Neurowissenschaften, der systemischen Methode, vielleicht auch der dialektischen Methode (Hegel).
Entscheidend sind die Erkenntnisse der Neurowissenschaften, wonach das menschliche Gehirn 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) enthält und jede Zelle bis zu 20 000 Dendriten ausbilden kann. An der Spitze der Dendriten befinden sich die präsynaptischen Elemente und Synapsen. Durch körpereigene Substanzen (Neurotransmitter) werden Signale zwischen Neuronen übertragen (M. MacDonald, Your Brain, The Missing Manuel, by O Reilly Media, Inc., 2008). Vornehmlich die Neurowissenschaftler V. Ramachandrian (Universität von Kalifornien in San Diego), W. Calvin/G. Ojemann (Universität von Washington) und A. Newberg (Universität von Pennsylvania in Philadelphia) haben in zahlreichen Experimenten nachgewiesen, dass der Glaube in den Nervenzellen konzentriert und somit bereits bei der Entstehung des Homo sapiens sapiens genetisch programmiert ist. Wissenschaftler haben festgestellt, dass in allen Religionen ein bestimmter Zustand des menschlichen Bewusstseins bekannt ist, der in einem starken Gefühl der Transzendenz und der Verschmelzung mit dem “Göttlichen” besteht. Auf diese Weise verschwinden für kurze Zeit die Grenzen zwischen der physischen Realität und dem übernatürlichen Zustand, der transzendentalen “Realität” eines bestimmten Menschen. Bis zu diesen wirklich schockierenden Entdeckungen wurde der Glaube philosophisch als ein soziokulturelles Phänomen im Allgemeinen als ein Konstrukt des menschlichen Geistes betrachtet Bischof Elio Sgreccia, der Experte des Vatikans für bioethische Fragen, erhob sofort heftigen Einspruch und wies darauf hin, dass die Fokussierung des Glaubens an Gott ausschließlich auf das menschliche Gehirn eine “falsche materialistische Sicht der menschlichen Existenz” sei (siehe die entsprechenden wissenschaftlichen Informationen von U. Kraft, in: Zeitschrift Gehirn und Geist,Dossier : ND 1/2006, Goethe Institut). Es ist bemerkenswert, dass es an der Columbia University ein “Center for the Study of Science and Religion” gibt, das das berühmte Journal of Consciousness Studies herausgibt. Ferner macht der bereits erwähnte Professor Andrew Newberg von der Pennsylvania University folgende Aussage: a) Die Vernetzung des Gehirns hat Gott geschaffen. b) Die “religiöse Neuronenschaltung veranlasst das menschliche Gehirn während religiöser Zeremonien selbst bei Atheisten zu religiösen Aktivitäten”.
Die Wissenschaftler Richard Dawkins, Daniel Dennett und Christopher Hitchens, haben in zahlreichen Experimenten die folgenden schockierenden Fakten herausgefunden: Alles, auch das Erkennen und der Glaube, geht auf die Bewegung der Atome der Materie und der Gene zurück. Aber ihr Verhalten wird von den CHEMISCHEN Substanzen des Gehirns bestimmt. Dort schaffen die Neuronen allmählich im Sinne der Evolution Bewusstsein. Eine wichtige Rolle spielen dabei die “PRIMÄREN Gehirnspezifikationen der Evolution”. Und sie weisen darauf hin, dass der Glaube im menschlichen Gehirn produziert wird.
Es handelt sich um Forscher auf dem Gebiet der Neurowissenschaften. Sie haben unter anderem herausgefunden, dass es nur einer elektromagnetischen Stimulation bestimmter Hirnregionen durch einen speziellen Helm bedarf, damit die Versuchspersonen mystische und spirituelle Erfahrungen machen, wie z. B. “Gespräche” und “Vereinigung” mit dem Göttlichen. Die deutschen Neurowissenschaftler Wolf Singer (alles im Gehirn basiert auf Neuronen) und Michael Blume (Religionswissenschaftler, Vertreter der neuen Wissenschaft NEUROWISSENSCHAFT (Universität Heidelberg) haben fast dasselbe festgestellt: Der Glaube hat biologische Wurzeln. Dies wird natürlich von einem Theologen der neuen Generation formuliert. In der Zwischenzeit ist die neue Wissenschaft der Neurophilosophie in den USA bereits eingeführt worden.
Daran sehen wir übrigens, wie rückständig die orthodoxen Theologen sind. Sie sind seit Langem in den Texten der “Heiligen Väter” als “aeternae veritates”(“ewige Wahrheiten”) hängen geblieben. Das erinnert ein wenig an die “Theologen” des Islam, denn gerade zwischen der christlich-orthodoxen Lehre und dem Islam gibt es Gemeinsamkeiten: Beide sind Erfindungen des ewigen Ostens und leiten sich von der jüdischen Religion ab.
Auf der Grundlage des Glaubens, der seinen Status definiert, hatte jeder Mensch das alleinige Recht, einen bestimmten Glauben zu wählen: Heide, Götzendiener, Polytheist, Monotheist, Pantheist oder etwas anderes. Man beachte auch eine perverse Ausprägung des Glaubens an “Ersatzreligionen”, wie z.B. im italienischen Faschismus, im deutschen Nationalsozialismus und im sowjetischen Stalinismus sowie die jeweiligen “Messias” Mussolini, Hitler und Stalin.
Weil der Glaube im Allgemeinen eine menschliche Sache ist, waren die hartnäckigen Bemühungen atheistischer Diktatoren, wie des großen Verbrechers und Halbzivilisten Stalin oder des fanatischen und perversen Pol Pot in Kambodscha, den Glauben aus den Seelen der Menschen auszurotten, nicht erfolgreich.
veröff. in Griechisch in: Καθημερινή (Kathimerini, 27.4.14, 9.7.17, 22.3.20)
Aus :( Panos Terz) Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band), ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, 284 S.
Berliner Zeitung (15.12.22), Zeit (6.4.24)

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