Durchsetzbarkeit des Völkerrechts

 

Durchsetzbarkeit des Völkerrechts

Antwort an eine Leserin: Liebe Frau Kallweit, ich danke Ihnen für die ausführlichen Bemerkungen, Ich verstehe schon Ihre Enttäuschung, aber Sie gehen von einer absoluten Prämisse aus und zwar von der absoluten Effektivität des Völkerrechts aus. Diese Fragestellung war im Rahmen der Ausbildung immer Gegenstand eines zweistündigen Seminars. Hierbei handelt es sich um ein sehr komplexes Phänomen, das im Wesentliche die folgenden Dimensionen aufzuweisen vermag:

1. Im Allgemeinen wird Recht, ich meine das nationale Recht, in erster Linie mittels Druckausübung bzw. Gewalt durchgesetzt. Im Unterschied dazu gibt es in den internationalen Beziehungen weder einen Weltstaat noch eine Weltregierung, die in der Lage wären, die Einhaltung des Völkerrechts mit Gewalt zu erzwingen.
2. Prinzipiell hängt die Durchsetzung des Völkerrechts vom jeweiligen internationalen Kräfteverhältnis ab. Daher ist die Realisierung der Verantwortlichkeit bei Völkerrechtsverletzungen seitens der Supermächte weitestgehend ausgeschlossen, zumal sie zugleich als ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates über das Veto-Recht verfügen. Aber gegen mittlere und kleinere Staaten ist es grundsätzlich durchaus möglich, völkerrechtsgemässe Maßnahmen einzuleiten.
3. Das Völkerrecht hat in bestimmten Situationen, wie z.B. im Kampf gegen den Kolonialismus, eine herausragende Rolle gespielt. Sogar Aggressoren versuchen gelegentlich, völkerrechtlich zu argumentieren, indem sie das Recht im eigenen Interesse auslegen (z.B. die USA vor der Intervention in den Irak und Russland gleich nach der Aggression gegen die Ukraine). So ist es auch zu erklären, dass kein Staat sich direkt gegen das Völkerrecht wendet. Dies gilt auch für die UNO, denn kein Staat fordert die Abschaffung diese universelle Organisation.

4. Nun, das Völkerrecht stellt durch die zahlreichen internationalen Übereinkommen universellen Charakters die absolut notwendige Regulierung der wichtigsten Bereiche der internationalen Beziehungen dar. Hierzu gehören die Völkerrechtszweige Internationales Vertragsrecht, Internationales Gewohnheitsrecht, Diplomaten- und Konsularrecht, Internationales Seerecht, Weltraumrecht etc. Bei ihnen  gilt das grundlegende Prinzip der Vertragserfüllung nach Treu und Glauben (pacta sunt servanda: Verträge sind einzuhalten).
5. Aus der Verletzung des Rechts kann man beim besten Willen nicht die Schlussfolgerung ableiten, dass das Recht aufgehoben wird. In Staaten mit sehr hoher Kriminalität, wie z.B. in den USA und Süd-Afrika, wird das Strafrecht durch die Kriminellen nicht beseitigt. Auch im Völkerrecht ist es ähnlich: Die Aggression Russlands stellt zwar eine schwerwiegende Verletzung des grundlegenden Prinzips des Verbots der Gewaltandrohung und Gewaltanwendung, dar, aber hierdurch wird dieses Prinzip nicht aufgehoben.
6. Schließlich die Kriegsverbrecher-Prozesse in Den Haag haben doch gezeigt, dass das Völkerrecht, in diesem konkreten Fall das Internationale Strafrecht nach wie vor eine große Evidenz besitzt.
7. In der Völkerrechtswissenschft gibt es übrigens auch die VölkerrechtsSOZIOLOGIE. Siehe z.B. Panos Terz, Völkerrechtswissenschaft: Völkerrechtstheorie, Völkerrechtsphilosophie, Völkerrechtssoziologie, Völkerrechtsmethodologie,ISBN: 978-620-0-27090-0, Saarbrücken 2019

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