Interessentheorie. Eine Abhandlung im Kooordinatensystem von Philosophie, Epistemologie, Theorie der Internationalen Beziehungen und Völkerrechtssoziologie

Panos Terz, Interessentheorie,

Eine Abhandlung im Koordinatensystem von Philosophie, Epistemologie, Völkerrechtssoziologie und Theorie der internationalen Beziehungen

In : Papel Politico , No. 1, Vol. 14, 2009,  pp. 223-274 , Universidad Pontificia JAVERIANA, Facultad de Ciencias Politicas y Relaciones Internacionales

In honorem philosophi Graeci, praestabilis Epicuri

(Αφιερωμένο στον έξοχο Ελληνα Φιλόσοφο Επίκουρο )

Das Interesse ist die einzige Triebkraft der menschlichen Handlungen (Helvetius)

Resumen

El concepto de interés expresa un fenómeno polisintético. Por ello, se debe abordar desde un
punto de vista interdisciplinario. Desde la Grecia Antigua, ha sido relacionado con lo útil. En
lo que concierne a su percepción, hay una relación estrecha entre las necesidades, la razón,
el entendimiento, la voluntad, el conocimiento y la conducta. La categoría de intereses de mayor jerarquía son los intereses de la humanidad, los cuales, con relación a los problemas globalenglobales, son la expresión de la razón de nuestro tiempo (ratio humanitatis universalis).
Dichos intereses constituyen el referente y el criterio para las demás categoría de intereses y
para la conducta de los Estados. Desde una perspectiva filosófica,el comune bonum humanitatis representa los intereses de la humanidad. El interés es una categoría principal de la Teoria de las relaciones internacionales e de la  Sociología del Derecho Internacional.

Abstract

The interest is a polysynthetic phenomenon. Therefore you have to applicable a transdisciplinary reflection. Since the Old Greeks is the question of the utility. Concerning the
perception there is an internal coherence between the reason, the intellect, the will, the
knowledge and the act. The highest category of interest is the interest of mankind, in connection  with the global problems of mankind an expression of the reason in our time. That interest is standard and criterion for the other categories of interest and for the act of states. In philosophical view the commune bonum humanitatis is an expression of the interest of mankind. Regarding the realisation of state interests there is a furher frontier: the basical principles of international public law. The interest is a category fundamental of theTheory of international relations und of  the Sociology of the international public law.

Resümee

Das Interesse ist ein polysynthetisches Phänomen. Daher muss man eine transdisziplinäre
Sicht anwenden. Seit den Alten Griechen handelt es sich um den Nutzen. Hinsichtlich
der Wahrnehmung gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen den Bedürfnissen, der
Wahrnehmung, der Vernunft, dem Verstand, dem Willen, der Erkenntnis und dem Verhalten.
Die höchste Interessenkategorie ist das Menschheitsinteresse, in Verbindung mit Problemen der Menschheit ein Ausdruck der Vernunft in unserer Zeit (Ratio humanitatis universalis).
Dieses Interesse ist Maßstab und Kriterium für die anderen Interessenkategorien und
für das Handeln der Staaten.
In philosophischer Hinsicht ist das commune bonum humanitatis ein Ausdruck des Menschheitsinteresses. Bezüglich der Realisierung der Staatsinteressen gibt es eine Grenze: die grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts.

Das Interesse ist eine Hauptkategorie der Theorie der internationalen Beziehungen und
der Völkerrechtssoziologie.

Prolegomenon

Begründung der Themenstellung und Methodologisches

Die Interessenproblematik ist in den internationalen Beziehungen stets von großer Bedeutung und hoher Aktualität gewesen. Speziell in der Epoche der Globalisierung und der Existenz einer polygonalen Welt ist eine wachsende Rolle dieser Problematik zu
konstatieren.
Weil es sich um ein multisynthetisches Phänomen handelt, bedarf es bei der Untersuchung einer transdisziplinären Sichtweise. Daher gilt es, vor allem philosophische,
epistemologische, historische, politologische, völkerrechtstheoretische und vor
allem völkerrechtssoziologische Aspekte der Interessenproblemstellung zu beachten.

In wissenschaftstheoretischer Hinsicht ist davon auszugehen, dass die Interessen eine theoretische (Was: Wesen, Arten etc.), eine philosophische (Warum: Gründe für
ihre Existenz und Bedeutung) und eine methodologische (Wie: Wege und Methoden der Untersuchung) Komponente aufweisen. Letzteres ist weitestgehend fast deckungsgleich
mit der Methodologie der Interessentheorie.

Die vorliegende Studie ist das Ergebnis wissenschaftlicher Teiluntersuchungen, die
genau 1970 im Zusammenhang mit der Inangriffnahme der  Habilitationsschrift1des Autors
begannen und in mehreren Publikationen2 ihren Niederschlag fanden. In völkerrechtswissenschaftstheoretischer Hinsicht erfolgten systematischere Studien Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts sowie Ende der ersten Dekade des laufenden Jahrhunderts.4

Bei der vorliegenden Studie geht es nunmehr darum, die Interessen als eine Kategorie in erster Linie der Völkerrechtssoziologie als Bestandteil der Völkerrechtswissenschaft sowie als
Wissenschaftsdisziplin in statu nascendi einer akribischeren Untersuchung im Sinne
einer Interessentheorie zu unterziehen.

Die vorliegende Studie stellt jahrzehntelangeGrundlagenforschung dar. Es wird Neuland beschritten und es geht insgesamt um Erkenntniszuwachs.
Die Methodologie der Interessentheorie stützt sich auf die folgenden Grundsätze:

a ) Komplexität : Es geht in erster Linie darum, die Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit
der Interessen zu beachten. Hierzu gehören z. B. nicht nur ökonomische, sondern auch politische, weltanschauliche, nationale, religiöse, diplomatische, wissenschaftliche,
linguistische und strategische Aspekte. Daher wäre es sehr einseitig und verfehlt, die Interessen vulgär-materialistisch zu betrachten, d. h. nur von ökonomischen Interessen zu sprechen. Dies wiederum darf an der mitunter entscheidenden Bedeutung dieser Interessenkategorie keine Zweifel aufkommen lassen. Insgesamt
handelt es sich um materielle und ideelle Aspekte.

b)Transdisziplinarität : Sie hängt zwar im Prinzip mit der Komplexität zusammen, weist jedoch eine eminente Besonderheit auf, denn es geht um die transdisziplinäre
Sichtweise durch einen und denselben Forscher. All dies setzt jedoch ein breites Wissen und eine gehobene Allgemeinbildung voraus. Das Wissen darf sich auf alle Fälle nicht auf die eigene Fachdisziplin beschränken, denn eine monoklonale Sichtweise kann kaum zu Erkenntniszuwachs führen. Das transdisziplinäre Denken entspricht eigentlich dem Aufbau des menschlichen Gehirns mit den 100 Milliarden Nervenzellen und den 20 Tausend Dendriden pro Nervenzelle, wodurch zahllose Synapsen entstehen ( M. Mac. Donald, „Your Brain: The Missing Manual“, 2008 ).

In Ländern mit einem traditionell starken Rechtspositivismus erfolgt im Rechtsstudium eine Beschränkung auf die Rechtsdogmatik. Die Studierenden werden durch dieses storchbeinige und schmalbrüstige Studium völlig monoklonal ausgebildet, denn Philosophie, Soziologie, Logik, Wissenschaftstheorie und Psychologie sind für sie wie ein Buch mit sieben Siegeln. Die dahinvegetierenden Wahlfächer Rechtsphilosophie
und Rechtssoziologie ändern daran nichts.

c ) Systemhaftigkeit : Die verschiedenen Elemente der Interessen existieren nicht losgelöst
voneinander, sondern stellen, systemtheoretisch betrachtet, ein System dar.
Zwischen ihnen bestehen Wechselbeziehungen und gegenseitige Beeinflussungen, die die Struktur dieses Systems ausmachen. Hierdurch gewinnt das Interessensystem
eine hohe Dynamik, die sich in ihrer Effektivität sowie in ihrer Entwicklungs- und Veränderungsfähigkeit ausdrückt.

d ) Globalität :Sie beeinflusst erheblich die vielschichtigen Interessen der einzelnen Staaten und vermag, den Interessen-Hierarchiekatalog insofern so zu verändern, dass die Menschheitsinteressen an der Spitze der Interessen-Pyramide stehen.

e )Differenziertheit : Hier gilt es, Kriterien zu erarbeiten, um die relativ vielen Interessenkategorien nicht nur voneinander zu unterscheiden, sondern darüber hinaus überzeugende Abstufungen und Hierarchien in der Interessen-Typologie zu erzielen.

f ) Historizität (historische Methode) : Sie bedeutet vor allem, dass bestimmte Interessen unter historisch-konkreten Bedingungen entstehen und dass sie Wandlungen unterworfen sind. Der Interessenforscher hat ferner die tatsächliche historische Interessenentwicklung sowie die sich darauf beziehenden philosophischen und anderen Anschauungen zu beachten.

g ) Komparativität : Sie bezieht sich auf den Vergleich zwischen den Interessen unterschiedlicher Staaten nach bestimmten Kriterien wie z. B. nach den Menschheitsinteressen und nach dem Völkerrecht. Erst dieser Vergleich versetzt einen Staat in die Lage, seine Interessen in das internationale Interessen-Koordinatensystem besser einzuordnen. Sie erstreckt sich ferner auf die Art und Weise der Interessendurchsetzung.

h ) Dialektik : Es geht um das logische Verhältnis von subjektiven und objektiven
Faktoren. Es ist z. B. unphilosophisch und zutiefst undialektisch, sich nach dem archaisch-primitiven, neurotischen und infantil-pubertären Prinzip „Entweder-Oder“ als Ausdruck intellektueller Immobilität zu richten, das seit der Antike bis heute im Westen fast uneingeschränkt gilt: Entweder Idealist- Oder Materialist, Entweder Naturrechtler- Oder Rechtspositivist, Entweder liberal- Oder konservativ, Entweder Katholik Oder Protestant, in den 30 Jahren des 20 Jh., in Deutschland Entweder Nationalsozialist Oder Kommunist , „Entweder mit uns oder gegen uns“ (Bush jr.), Entweder Tag Oder Nacht etc. Man kommt nicht auf die einfache Idee, die Natur genauer zu betrachten : Es gibt nicht
nur den Tag und die Nacht, sondern auch die Morgenröte und die Abenddämmerung.

Der konfuzianische Methodologie-Ansatz scheint empfehlenswerter zu sein: „Sowohl- als Auch“. Darin liegen Vernunft, Verstand sowie Dialektik und nicht zuletzt auch Pragmatismus.
Dieses Prinzip ist also überzeugender und dialektischer. So wäre es richtiger für einen Staat, sowohl seine eigenen Interessen als auch die Menschheitsinteressen in einem dialektischen Sinne zu betrachten. Die konfuzianische Methode könnte im „Abendland“ zur Lösung vieler wissenschaftlicher und anderer Probleme führen. Seine Anwendung könnte die Denkart der Wissenschaftler des „Abendlandes“ positiv beeinflussen, vorausgesetzt, dass sie willens, fähig und bereit sind, die allgegenwärtige eurozentrische Grundhaltung zu überwinden.

i) Realitätsbezogenheit : Sie ist nur dann möglich, wenn sich die von den Akteuren erkannten Interessen auf echte Wahrnehmung, Vernunft, Verstand sowie auf die
richtige Erkenntnis stützen. Andernfalls besteht die große Gefahr, dass man sich mitunter gefährlichen Illusionen hingibt und sich nach gefährlichen nationalen Mythen richtet, die mitunter zu gewaltigen nationalen Katastrophen führen können
( z.B. „Große Idee“=“Großgriechenland“, „Großdeutschland“, „Großserbien“,
vielleicht in den nächsten Jahren „Großalbanien“ oder „Großtürkei“). Je größer die vernunftwidrigen Phantastereien sind, desto größer ist das darauf folgende Desaster.

j ) Prognose : Sich in etwa vorstellen können, welche Interessenkategorien in der
Perspektive Gewichts-Priorität erlangen könnten. Gegenwärtig wird die Friedliche Koexistenz zwischen Staaten unterschiedlicher Kultur- und Rechtskreise angewandt.5
Zugleich existiert jedoch eine einzige Supermacht mit ihren besonderen Interessen.
Ansonsten ist die Welt polygonal. Von wissenschaftlichem Interesse dürfte ebenso die Frage danach sein, welche Haltung zu der Interessenproblematik die kommende Supermacht China haben wird.

Linguistische (etymologisch-semantische) Aspekte des Interessenbegriffes

Es erweist sich als absolut notwendig, bei einer seriösen Erforschung des Begriffes „Interesse“ terminologische Klarheit zu schaffen. Es steht fest, dass dieser Terminus nicht aus der römischen Antike stammt, sondern im europäischen Mittelalter geprägt worden
ist.
Er beseht aus zwei Wörtern inter- esse und bedeutet wörtlich: dazwischen sein in
Raum und Zeit, gegenwärtig sein, es ist von Wichtigkeit, es ist von Bedeutung6. Aus dieser
Substantivierung ist das Fachwort „Interesse“ zur Bezeichnung des aus Ersatzpflicht herrührenden Schadens (13. Jh.) entstanden.7 Es ging um ökonomische Verhältnisse
(z. B. Preise, Werte und Zinsen).
Erst im 15. Jh. ist dieses Fachwort für Nutzen, Vorteil
und Gewinn verwendet worden.8

In philosophischer Hinsicht taucht der Begriff „Interesse“ zuerst bei den französischenmaterialistischen Philosophen des 18. Jh., vor allem bei Helvetius und Holbach auf.
Es wäre kurzsichtig, an der sprachlichen Oberfläche zu verweilen und sich vor anderen
Deutungsmöglichkeiten blind zu stellen. Wie die weitere Entwicklung vor allem der europäischen Philosophie gezeigt hat, ging es dem Wesen nach um Nutzen bzw. Vorteil. Gegenwärtig ist es genau so. Unabhängig davon, welches konkrete Wort benutzt wird, bildet der Nutzen das Gravitationszentrum der gesamten Interessenproblematik.

Ob lucrum und utilitas (Latein), avantage (Französisch), advantage, benefit oder
interest (Englisch), provecho, ventaja oder beneficio(Spanisch) geht es um das, was die griechischen Sophisten und Epikur als Sympheron ( Συμφέρον ) bezeichneten.

Auf dieser realistischen Grundlage sind ganze Theorien entstanden, die noch heute der Schlüssel sind, um die Interessen-Problematik richtig begreifen zu können.

Philosophische und epistemologische Explikationen der Interessen-
Problematik

Es ist ein großes Faszinosum, wie bereits vor 2500 Jahren die Philosophen des Antiken
Hellas das Wesen und die Bedeutung des Sympheron (Interesse, Nutzen, Vorteil)10 erfassten.
In der Morgenröte der abendländischen Wissenschaft sind bestechende Gedanken,
wahre aeternae veritates, formuliert worden. In der Fruchtkapsel des antiken
philosophein (φιλοσοφεῖν )und theorein ( θεωρείν ) ist schon der Humus enthalten, auf dem die Philosophen des modernen Europa ihre beeindruckenden Denkgebäude
errichteten. Von Anfang an war das Sympheron mit dem Atomon ( Άτομον), dem
Individuum verbunden. Es wurde zur Grundlage des sozialen Verhaltens des Individuums.

Der streitbare Rhetor Lysias schreibt z.B. prägnant: „Ότι ου περί πολιτείας εισίν αι πρός αλλήλους διαφοραί, αλλά περί των ιδία συμφερόντων εκάστω“ Λυσία ( Δήμου καταλ. απολ. 10 ) „.11
Somit macht Lysias den Nutzen für den Polis-Bürger mit zur Grundlage der
Polis. Die Sophisten Antiphon, Karneades und  Protagoras wurden konkreter, was den Nutzen für das Individuum betrifft. Während aber Antiphon an das Individuum
dachte, ging es bei Protagoras um den gesamtgesellschaftlichen Nutzen12. Der
Unterschied zwischen Jeremy Bentham und John Mill wurde 2300 Jahre früher
vorweggenommen.
Der individualistisch ausgerichtete Nutzen fand bei dem Komödien-Dichter Terenz ( Publius Terentius Afer ) sein Crescendo: „Proxumus sum egomet mihi“13 (Andria
IV, I; V. 636, „Jeder ist sich selbst der Nächste“).14

Erst durch die direkte Verbindung von Nutzen und Vereinigungstheorie erlangte
das Sypheron eine gewaltige wissenschaftliche und soziale Bedeutung. Mitte des 5./ Ende des 4. Jh. v. d. Z., als in Athen die Polis-Demokratie voll entwickelt war, rückten
anthropologisch- zentristische Fragestellungen in den Mittelpunkt philosophischer Überlegungen. Ihnen lag, was das Menschenbild anbelangt, das selbstbewusste Atomon,
der Polis-Bürger zugrunde. Dabei wurden die Polites (Bürger) prinzipiell als gleiche angesehen.

Atomon, Selbstbewusstsein und Gleichheit waren somit Voraussetzungen, um den Zusammenhalt der Polis und der Gesellschaft philosophisch zu erklären. Zu diesem Zweck ist die Vereinigungs-, oder Vereinbarungs- oder Vertragstheorie erarbeitet worden.

Am Anfang dieser bahnbrechenden Entwicklung standen die Sophisten Antiphon15 und Protagoras.16 Sie waren der sensationellen Auffassung, dass die Gesellschaft durch die Vereinigung (Vereinbarung, Vertrag) von ursprünglich voneinander isolierten
Atoma (Individuen) entstanden ist.
Verglichen mit der Vereinigungskonzeption der Sophisten war jene des Epikouros,
der ebenfalls anthropozentrisch dachte, ausgereifter. Er betrachtete die erste Lebensform der menschlichen Gesellschaft als einen Zustand von isoliert lebenden Individuen, die
sich durch Abmachungen über die gegenseitige Wahrung des Nutzens und die Vermeidung von Gewalt zu größeren Einheiten zusammenschlossen.17 Betont realistisch
argumentierend, meinte Epikur in dem Hauptlehrsatz 31: „Das der Natur gemäße Recht ist ein den Nutzen betreffendes Abkommen mit dem Ziel, einander nicht zu schädigen
noch sich schädigen zu lassen“.18 So wurde von ihm das Sympheron zum Dreh- und Angelpunkt des sozialen Lebens erhoben.
Er betrachtet das Sympheron sehr differenziert: „Die inhaltliche Bestimmung dieses Sympherons ist jeweils nach den konkreten Bedingungen des Landes und der Gesellschaft verschieden“ (Hauptlehrsatz 36).19

Epikurs Nützlichkeitsdenken erfasst weitere Lebensbereiche. Zu nennen sind vor allem die Freundschaft,20 die Kunst21 und sogar die Tätigkeit eines Forschers.22
Die Nützlichkeitstheorie Epikurs ist fester Bestandteil seines philosophischen
Denkgebäudes, das sich auf die Glückseligkeit ( Ευδαιμονία: Eudämonie)23 und zwar in ihrer hedonistischen ( Ηδονή: Hedone) Ausprägung stützt.
Sein Hedonismus ist jedoch trotz seines Spruches „Der Anfang und die Wurzel alles Guten ist die Lust des Bauches „(Fragmente, Athenaios 12, 546 F)24 nicht einseitig sinnlich orientiert.18 Epikur schätzt das Recht als etwas „Nutzbringendes in der gegenseitigen Gemeinschaft“ ein: (Hauptlehrsatz 36).
Er erklärt sogar den Nutzen zum Kriterium für die Gerechtigkeit der Gesetze.
Bringen sie unter veränderten Bedingungen keinen Nutzen mehr, dann muss man sie verändern (Hauptlehrsatz 38). In: Griechische Atomisten, Texte und Kommentare zum materialistischen Denken der Antike (Übers. und Hrsg.: F. Jürß, R. Müller und E. G. Schmidt), Leipzig, 1977, S. 290/291. Das Zustandekommen der Gesetzesänderung reflektiert sich in erster Linie „als Problem der Erkenntnis“ des Nutzens. Erst sie befähigt dazu die Bürger, die richtige Entscheidung zu treffen.
Der Hedonismus ist „die ethische Lehre, nach der der individuelle Genuss“ im Mittelpunkt des menschlichen Handelns steht“. Das Ethische Element besteht darin, dass der Mensch den Lustempfindungen nicht blindlings, sondern Kraft der Weisheit über sie folgt. Als Begründer des Hedonismus gibt Aristippos, ein Schüler des Sokrates..
Der Hedonismus ist eine Sonderform des Eudämonismus.
Denkt der Mensch nur an sich und genießt das Leben auf Kosten anderer, dann ist dies ein
egoistischer Hedonismus. Er stellt klar: „Es ist unmöglich, lustvoll zu leben, wenn man nicht vernünftig, anständig und gerecht lebt“ (Hauptlehrsatz 5)25 und „…Daher sagte Epikur, die Philosophie sei eine Beschäftigung, die durch Gedanken und Diskussionen das glückliche Leben schafft“ (Fragmente, Sextus Empiricus, Gegen die Wissenschaftler 11, 169).26 Es entspricht der historischen Wahrheit, dass Epikur das gesamte Spektrum der „geistigen Genüsse“ höher als die sinnlichen schätzte, weil sie in der menschlichen Erinnerung reproduzierbar sind.27

Es erweist sich für die weitere Untersuchung als notwendig und nützlich, die Hauptgedanken Epikurs über das Sympheron zusammen zu fassen:

1. Der Mensch ( Άνθρωπος :Anthropos ) schafft Gesellschaft und Staat. Somit wurde
durch Epikurs Lehre die Entstehung des Staates „aus dem mystifizierten Dunkel
mythischer Berichte über göttliche Stifter und Gründer gerückt und auf menschliche Leistungen, bewusstes menschliches Handeln zurückgeführt.28

2. Den zwischenmenschlichen Beziehungen liegen utilitaristische Erwägungen zugrunde.
Dies veranlasst zu der berechtigten Feststellung, dass dieser Philosoph als
Begründer der Interessentheorie betrachtet werden könnte. Epikur hat doch sein Denkgebäude weitestgehend auf den Kardinal-Terminus Technicus Συμφέρον gestützt.

3. Es wird von der Gleichberechtigung der einzelnen Individuen ausgegangen. Sein Gesellschaftsvertrag Συνθήκη ( Syntheke ) hat den „Contrat social“ des Rousseau vorweggenommen.

4. Eine eminente Voraussetzung für das Zustandekommen der Syntheke ist die Freiwilligkeit, die sich wiederum nach dem Sympheron richtet.

5. Die Syntheke stützt sich außerdem auf die Reziprozität im Sinne des gegenseitigen Unterlassens.

6. Durch die Syntheke erfolgt eine Koordinierung des Nutzen der einzelnen Individuen.
Diesen Vorgang kann man modern formulieren, auch als Interessenausgleich bezeichnen,
was nur unter den Bedingungen von notwendigen Kompromissen zustande
kommen kann.

7. Epikur, ein materialistischer, realistischer, anthropozentristischer und humanistischer Philosoph, schuf eine überzeugende Nützlichkeitstheorie . Daher kann er als Begründer des antiken Utilitarismus mit seinen spezifischen Merkmalen bezeichnet
werden. Epikur hat seine Nützlichkeitsauffassung auch auf das Recht und
die Gerechtigkeit ausgedehnt. Er erklärte z. B. den Nutzen zum Kriterium für die Gerechtigkeit der Rechtsnormen: Solange die Rechtsnormen nützlich sind, sind sie
gerecht. Bringen sie unter veränderten Bedingungen keinen Nutzen, dann sind sie ungerecht (Hauptlehrsatz 38).29

8. Die Nützlichkeitstheorie Epikurs ist Bestandteil seines Eudämonismus, genauer des Hedonismus, der sowohl sinnliche als auch geistige Genüsse einschließt.

9. Der Nutzen muss erkannt werden (Verhältnis von Erkenntnis und Nutzen).
Hierbei handelt es sich um einen bahnbrechenden Gedanken der altgriechischen Materialisten.

Im 17./18. Jh. Haben sich unter völlig anderen historischen Bedingungen in erster Linie materialistische Philosophen nicht nur allgemein im Sinne des Eudämonismus mit der Nützlichkeitsproblematik befasst, sondern sie prägten den Begriff „interét“ in
der Philosophie.
So betrachtet Holbach die Nützlichkeit als den rechten Maßstab für die Urteile der Menschen: „allein die Nützlichkeit“ sei ein solches Kriterium. Nützlich
sein, heißt nach Holbach „zum Glück seiner Mitmenschen beizutragen“. Er stellt ferner klar, dass das Interesse stets nur das sein kann, was jeder von uns für seine Glückseligkeit als notwendig erachtet“.30 Dies ist Eudämonismus par excellence. Es
geht konkret um das Interesse des bürgerlichen Individuums. Dem Wesen nach ist das so verstandene Interesse Ausdruck der Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen,
sein Leben selbst zu bestimmen.Karl Marx meint zu Holbachs Auffassung: „Bei
Holbach wird alle Betätigung der Individuen durch einen gegenseitigen Verkehr als Nützlichkeits- und Benutzungsverhältnis dargestellt.“ Und weiter: „Der materielle Ausdruck
dieses Nutzens ist das Geld, der Repräsentant der Werte aller Dinge der Menschen und Gesellschaftsverhältnisse“.31

Während Holbach an den gesamtgesellschaftlichen Nutzen denkt, beschränkt
Helvetius ihn auf das Individuum, auf dessen Eigennutz. Die Überbetonung des Interesses
durch Helvetius erinnert stark an Epikur, vor allem, indem er das Interesse als „die einzige Triebkraft der menschlichen Handlungen“32 betrachtet. Er stellt eine
Verbindung zwischen dem Interesse und der Moral her, indem er seinen Blick auf die moralischen Überzeugungen der Menschen als Wirkung der Interessen ansieht.33 Im Unterschied von ihm will Rousseau die natürlich angelegten Interessen durch moralische Erziehung erst so ausbilden, dass sie zu Triebkräften moralischen Handelns werden. Helvetius
ist für das „interét privê“, während Rousseau eher für das „amour de l´ordre“ und das „interêt moral“ eintritt, was letzten Endes zu dem „volonté général“ führen kann.34 Insgesamt kann die Auffassung von Holbach und Helvetius als realistisch,
materialistisch und soziologisch eingeschätzt werden.35 Dabei sind die hedonistischen Züge nicht zu übersehen.36 Ihr Hedonismus hat eine bestimmte Stoßrichtung, die propagierte
Askese für die niedergehaltenen Volksschichten durch das religiöse Weltbild des Feudalabsolutismus.37

Während es bei der französischen Nützlichkeitstheorie mehr um moralische und philosophische Fragestellungen geht, führt Jeremy Bentham die ökonomische Komponente ein, zumal England sich dynamisch zu dem ersten industriekapitalistischen Staat
entwickelte. Bentham gilt als der Begründer des modernen Utilitarismus.

Im Rahmen seines hedonistischen Utilitarismus wird die Nützlichkeit grundsätzlich auf Freud und Leid zurückgeführt. Nach dem „Nützlichkeitsprinzip“ hängt die moralische Qualität der menschlichen Handlungen davon ab, ob sie das Glück aller Betroffenen vermehren („An Introduction to the Principles of Morals and Legislation“).38
Sein Gemeinwohl-Gedanke wird jedoch subjektiv aufgefasst und zwar über die
artikulierten Interessen der Bürger.39 Durch den Utilitarismus wird theoretisch das menschliche Handeln in dem Sinne erklärt, dass die Erziehung des Nutzens das treibende
Motiv des Handelns ist.40 Dabei handelt der Einzelne nach seinem anlagebedingten Streben nach ökonomischer Vorteilsmaximierung.41 Seine utilitaristische Auffassung
ist letzten Endes individualistisch ausgerichtet.42

Zu der Entwicklung des englischen Utilitarismus trug ebenso John Mill bei („Utilitarianism“).
Er sah sich veranlasst, klarzustellen: „Ich muss nochmals wiederholen,
was die Angreifer des Nützlichkeitsprinzips selten anzuerkennen bereit sind: Dass die
Glückseligkeit, welche für den utilitaristischen Moralisten den sittlichen Maßstab abgibt, nicht des Handelnden eigene Glückseligkeit, sondern die aller Beteiligten ist.43 Nach ihm strebt jeder Mensch nachdem, was ihm nützlich ist, und hierdurch seine Lust (Glück) vergrößert werden kann. Der Einzelne hat aber mehr Nutzen, wenn er sein Streben dem allgemeinen Ziel anpasst. So kann kein Widerspruch zwischen dem persönlichen
und dem allgemeinen Wohlergehen entstehen.44 Es ist nicht zu übersehen, dass Mills
Utilitarismus-Konzeption stark gemeinschaftlich orientiert ist.

Bentham und Mill schufen den englischen Utilitarismus, der eine universalistische Ethik konzipierte („the greatest happines of the greatest number“).45 Gerade
der englische Utilitarismus bildet die Grundlage und die Rechtfertigung nationalökonomischer Lehren des Liberalismus, nach dem die Maximierung des Nutzens des Einzelnen zur Maximierung des Wohls der Gesellschaft führt.46 Speziell die Auffassung
Benthams, dass nur anerkannt werden kann, was tatsächlich menschlichem
Verhalten ableitbar ist, führte zu einem regelrechten Credo der verschiedenen Schulen des Realismus.47 Bentham konnte nicht ahnen, dass 200 Jahre später die Profitmaximierung
im Sinne des Neoliberalismus zu Finanzorgien und Exzessen (z. B. die
„Hedge Funds“ im Stile einer vernunft- und moralischen Hybris etwa im Sinne der
altgriechischen Tragödien führen würde. Die Nemesis hat nicht lange auf sich warten lassen: Die größte kapitalistische Finanzkrise. Somit liegt eine neoliberale Pervertierung
des eudämonistischen und hedonistischen48 englischen Utilitarismus vor.
Aus heutiger Sicht stellt sich der Utilitarismus als eine der vielen Dunstwolken aus der Zeit des aufkommenden Bürgertums dar. Letzten Endes hat sich schon längst ein nicht nur individualistischer, sondern darüber hinaus ein egoistischer Utilitarismus durchgesetzt.
Dies hat sehr negative Folgen auch für die internationalen Beziehungen.
Für den weiteren Verlauf der vorliegenden Studie erscheint es als besonders nützlich,
die Kerngedanken der französischen und der englischen Materialisten zusammen zufassen:

Franzosen:

1. Die Nützlichkeit findet ihren eigentlichen Sinn darin, zum Glück der Mitmenschen
beizutragen (Holbach).

2. Die Nützlichkeit bedeutet Selbstbestimmung und Eigennutz des einzelnen (Helvetius).

3. Das Interesse ist unabdingbar für das individuelle Glück.

4. Das Interesse ist die einzige Triebkraft der menschlichen Handlungen.
5. Herstellung einer Verknüpfung von Interesse und Moral.

Engländer:

1. Die Nützlichkeit ist ökonomisch orientiert.

2. Die Erzielung des Nutzens ist das treibende Motiv des Handelns.

3. Verbindung von Nützlichkeit und Moral durch die Erlangung und Vermehrung des
Glücks aller (Mill).

4. Bei der Erziehung und Maximierung des Nutzens geht es in erster Linie um das
Individuum (Bentham).

5. Der englische Utilitarismus ist stets theoretische Grundlage des Liberalismus unterschiedlicher Ausrichtung gewesen.

Im Gegensatz zu den französischen und englischen Interessen-Forschern besitzt die Interessen-Konzeption der deutschen Philosophen einen erheblich höheren theoretischen Abstraktionsgrad und insgesamt eine größere philosophische Tiefe. Karl Marx:
Die anderen (Franzosen) haben die richtige Revolution gemacht, Deutschland hat die „Revolution im Denken“ realisiert. Ihr Interessenverständnis liegt im gedankenreichen und ausschlaggebenden Koordinatensystem der Kardinal-Termini Wahrnehmung, Vernunft, Verstand, Wollen, Erkenntnis und Verhalten.

Bereits in der griechischen Antike war dem Materialisten Demokritos, wenn auch
nur in allgemeinen Zügen, das Verhältnis von Wahrnehmung, Verstand, Vernunft und Erkennen bewusst: „Die sinnlichen Eindrücke bieten also lediglich Interpretationen
der Vorgänge auf atomarer Ebene. Nur der Verstand kann diese Prozesse erkennen –allerdings bedarf es als Basis der kritisch betrachteten, sinnlichen Wahrnehmungen.
Demokrit reflektiert dieses Problem, welche Lösung er selbst dafür bot: Demokrit („…ließ die sinnliche Wahrnehmung folgendermaßen gegen die Vernunft reden: „Unselige
Vernunft! Obwohl du von uns deine Beweise nimmst, streckst du uns zu Boden? Unser Fall ist dein Sturz“ (Galen, de med. empir. 15, 114, Walzer = DK 68 B 125).49 Porphyrios,
ein Neuplatoniker, stellt sogar eine direkte Verbindung von Erkenntnis und Nutzen her: Es ist die Rede von einer verstandsgemäßen Erfassung des Nutzens „sowie von einer unbewussten Wahrnehmung des Nutzens (Porphyrios, Über die Enthaltsamkeit“
1, 7-12, Hermarchos, Epistolika über Empedokles).50
Vor dem Verweilen in der Galerie der großen Geister Kant und Hege bedarf es auch in diesem Falle linguistischer Untersuchungen ad fontes, um terminologische
Klarheit über die Termini „Vernunft“ und „Verstand“ zu erlangen. Dabei erweist es sich als erforderlich, auf die adäquaten Begriffe des Altgriechischen als die erste und
einflussreichste Wissenschaftssprache zurück zu greifen.
Vieles, vor allem das Sprachgefühl der Kenner des Altgriechischen, spricht dafür, dass dem Begriff „Vernunft“ das altgriechische Wort νους (auch vóos) entsprich.51 Es wird als das „Vermögen geistiger Wahrnehmung“ definiert.52
Ihm ist adäquat das lateinische Wort ratio53 und nicht intellectus, wie im allgemeinen behauptet wird.54 Gerade durch die ratio erhebt sich der Mensch über das Tier.55 Es ist wohl kein Zufall, dass man in der Zeit der Aufklärung von einem ius rationis (Vernunftrecht) sprach. Dem Begriff„Verstand“ ist entsprechend das altgriechische διάνοια ( Verb : διανοέομαι : ich denke nach).56 Der adäquate Begriff hierfür im Lateinischen ist intellectus (geistiges Verständnis, Vorstellung der Begriffe).57

Kant versteht unter Vernunft das Vermögen der Ideen, des Unbedingten, der Totalität.58 Bei Hegel wird die Vernunft zum Weltprinzip erhoben.59 In etwa ähnlich formuliert Habermas die Vernunft: leitende Idee des Handelns des Menschen als Gattungswesen.60 Konkreter ist die Begriffsdefinition von Mittelstraß: „Bezeichnung für die Fähigkeit des Menschen sich gemeinsam über die aller Verstandestätigkeit und sinnlichen Wahrnehmungen voraus liegenden und
durch sie vorausgesetzten Prinzipien Rechenschaft geben zu können“.61 Dem Wesen nach handelt es sich tatsächlich um die prinzipiellen Bedingungen allen Erkennens und Handelns62 und um die Fähigkeit umfassender Geistestätigkeit des Menschen als Gattungswesen.63

Nach Kant ist der Verstand das menschliche Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen
oder die Spontaneität der Erkenntnis. Dieser Vorgang geschieht mit Hilfe
von Begriffen und Urteilen.64 Nach Hegel ist Verstand die aktive Geistestätigkeit, die auf abstrakter Ebene als Moment der Totalität zu betrachten ist.65 Insgesamt kann
der Verstand eingeschätzt werden als das theoretische und praktische Vermögen des Menschen, die objektive Realität einzufangen66 und in Begriffe zu fassen.67

Von ihm ist der Common sense (Sensus communis) zu unterscheiden, der in etwa dem deutschen Ausdruck „Gesunder Menschenverstand“ entspricht. Hierbei handelt es sich
um eine Schöpfung der „Schottischen Schule“, nach der sich die Erkenntnistheorie an der Erfahrung des „Mannes auf der Straße“ orientiert.68 Zu dem schwierigen Verhältnis von Vernunft und Verstand meint Kant, „dass die Vernunft über dem Verstand erhoben ist“,69 während Hegel klarstellt: „Die Vernunft ohne Verstand ist nichts, der Verstand
doch etwas ohne Vernunft“ (Aphorismen).70

Das Punctum qaestionis der Problematik der Vernunft ist die Verbindung mit
dem Interesse. In der europäischen Aufklärung war Rousseau der erste Theoretiker, der eine enge Verknüpfung von Vernunft und Interesse herstellte,71 zumal die Aufklärung
mit wissenschaftlichen Mitteln, vor allem mit philosophischen Denkgebäuden dem aufkommenden Bürgertum diente. Alles Überkommene, die Religion, die Naturanschauung, die Gesellschaft und die Staatsordnung „sollte sein Dasein vor dem Richterstuhl der Vernunft rechtfertigen oder aufs Dasein verzichten“. Das „Reich der Vernunft“brach an (Engels).72 Die Vernunft entwickelte sich derart zu einem Wundermittel, dass Vernunft mit Philosophie gleichgesetzt wurde. Somit ist ein progressiver Glaube, der Vernunftglaube, entstanden.73 Kant sieht, ähnlich wie Rousseau, einen inneren Zusammenhang zwischen der Vernunft und dem Interesse. Noch konkreter: Die Vernunft
wird durch Interessen definiert. (Vernunftinteresse). Nach Kant ist das Interesse der Vernunft die treibende und formende Kraft für die Erkenntnisbildung. Er unterscheidet dabei zwischen dem „Interesse der Vernunft“ (auch „interessierte Vernunft“) als ideologiekritisches
Instrument und der „Vernunft der Interessen“ (auch „vernünftige Interessen“) als Programm einer erkenntnistheoretischen Konzeption. Das Vernunftsinteresse ist nach Kant das „reine“, das „praktische“ Interesse.74
Das Interesse muss erkannt werden. Hierdurch gewinnt die Interessenproblematik
eine epistemologische Dimension, denn es geht um die Kardinalfrage der Gnoseologie.

Bereits Demokritos hat sich mit dieser extrem komplizierten Problematik befasst. „
In den „Regeln“ sagt Demokrit, dass es zwei Arten der Erkenntnisse gebe: zum einen mittels der sinnlichen Wahrnehmung, zum anderen jene durch den Verstand. Von diesen
bezeichnet er die verstandsmäßige als die „echte“ und bezeugt ihre Zuverlässigkeit, die
Wahrheit zu beurteilen: die Erkenntnis anhand der sinnlichen Wahrnehmung bezeichnet er hingegen als die „dunkle“ (Sextus Emp. Adv. Math. VII 137=DK 68 B 11b).75 D. h., Demokritos hat bereits vor 2400 Jahren zwischen der Sinneserkenntnis und dem
Denken unterschieden. Er gehört wie auch  Herakleitos und Empedokles zu der materialistischen Linie der antiken griechischen Philosophie. Seine glänzende
Idee berechtigt dazu, ihn als Begründer der Erkenntnistheorie zu betrachten.76

Nach dem gegenwärtigen Stand der Epistemologie bedeutet Erkenntnis das begründete Wissen über einen Sachverhalt. Es wird dabei zwischen der diskursiven und der intuitiven bzw. evidenten Erkenntnis unterschieden.77 Die Diskursivität charakterisiert ein methodisch fortschreitendes, das Ganze aus seinen Bestandteilen aufbauendes Denken.78
Die intuitive Erkenntnis hingegen bezieht sich auf die unvermittelte Erfassung von Gegenständen, Sachverhalten und Begriffen.79 Im Grunde genommen, geht es um das
geistige Schauen, Erfassen wollen der objektiven Realität unter Verzicht auf wissenschaftliches Denken. Insgesamt ist die Intuition auch als „schöpferische Eingebung“ bekannt.
Dieser Begriff geht auf den idealistischen Philosophen Platon zurück.80 Popper
unterscheidet ferner zwischen der subjektiven (Geistes- oder Bewusstseinszustand) und
der objektiven (sprachlich formulierter Theorien und Argumente) Erkenntnis.81

Bereits bei Demokrit und Epikur sind wesentliche Elemente der Abbild- bzw.
Widerspiegelungstheorie festzustellen. Sie sind neubegründet und weiterentwickelt
worden, in erster Linie durch den englischen materialistischen Sensualismus (Hobbes:
„Lehre vom Körper“ und Locke: „Über den menschlichen Verstand“) und etwas
später durch den französischen Materialismus (Holbach: „System der Natur“ und Diderot: „Elemente der Physiologie“).82 Das Erkennen eines Gegenstandes ist nur
auf Grund eines „Erkenntnisinteresses“ im Sinne des Wollens möglich (E. Husserl,
Erfahrung und Urteil, Untersuchungen zur Genealogie der Logik“).
Husserl ist der erste, der diesen Terminus geprägt hat. Diese interessante Wortschöpfung wird
definiert als eine „allgemeine Zwecksetzung, die die Konstitution und Ausdifferenzierung des (wissenschaftlich) erkannten Gegenstandes leitet! 83 Habermas geht weiter, indem er Wissenschaftstypen unterschiedlicher Erkenntnisinteressen annimmt. Dabei geht
Habermas von der Vernunft aus, die sich im Verlauf der menschlichen Gattungsgeschichte
in Erkenntnisinteressen fächert.
Die Erkenntnisinteressen wiederum institutionalisieren sich in entsprechenden Typen der Wissenschaft wie z. B. Aufbau der empirisch-analytischen Wissenschaften durch das technische Interesse, Aufbau der hermeneutischen Wissenschaften durch das praktische Interesse und Reflexion auf Wissensbildung (z. B. Philosophie durch das emanzipatorische
Interesse ( I. Habermas, „Erkenntnis und Interesse“ ).84

Diese Gedanken könnten bei Betrachtung des Menschen nicht nur abstrakt als
Gattungswesen, sondern z. B. auch als konkretes forschendes Wesen, weiter entwickelt
werden. Das Erkenntnisinteresse als emanzipatorisches Interesse veranlasst einen Forscher,
eine Theorie z. B. die Interessentheorie- Ziel des Vorliegenden Beitrage- oder sogar
eine neue Wissenschaftsdisziplin sukzessive zu erarbeiten. Voraussetzung hierfür sind
sein Verstand und sein Wollen, die mentale und geistige Nützlichkeit eines Forschungsgegenstandes zu erkennen. Hierin realisiert sich die Vernunft. Der konkrete Forscher denkt und handelt außerdem im Sinne des aretologischen Hedonismus des Aristoteles, denn es wird durch eine erfolgreiche geistige Tätigkeit Lust (Glück) erzeugt(Aristoteles: Die Erkenntnis als das höchste Menschenglück).
Hierdurch werden neue Erkenntnisse geschaffen. Dem entspräche der Begriff Forscherglück.

Nach den neueren Erkenntnissen der Hirnforschung setzt sein Gehirn drei mal Endorphine frei: Bei der Ideen Geburt, bei der Ideenrealisierung und nach dem Abschluss der Forschungsarbeit. Insgesamt schafft die schöpferische Unruhe einen Rauschzustand höchsten Menschenglückes.
Dies wiederum schafft Voraussetzungen für weitere erfolgreiche und Glücks bringende Forschungstätigkeit. Hierbei handelt es sich u. E. um die edelste und höchste Selbstverwirklichungsform des menschlichen Individuums. Der geistige Nutzen oder anders formuliert, das Forscher-Erkenntnisinteresse ist identitätsformend, identitätskonstitutiv
sowie identitätssichernd. Es geht im Prinzip um die Identität eines Forschers.

Das volitive Element spielt bei Hegel eine andere, entscheidendere Rolle als bei
Husserl, denn für Hegel ist das Interesse ein „identitätsbildendes und identitätssicherndes Wollen“, das aus praktischen Erfahrungen gewonnen wird. Dieses richtet sich auf allgemeine Formen des Lebens und Handelns. Es ist darüber hinaus Ausdruck der geistigen Identität einer Person. Ihr Leben und Handeln wird durch das Wollen im Sinne des Interesses geformt.85 Hegel liefert die wichtigste Erkenntnis, um das Interesse zu verstehen: Das Interesse entsteht aus dem Willen nach Objektivität. Es geht im Wesentlichen um die Objektivierung der subjektiven Zwecke.86 Das ist die hohe Schule der Dialektik. Es fällt auf, dass der Begründer der modernen Dialektik, des Kernstücks der Philosophie, nicht
statisch von subjektiven und objektiven Interessen spricht, wie dies vor allem in der Philosophie87 und in der Politikwissenschaft üblich ist. Dabei werden die subjektiven
Interessen definiert als „Vorlieben und Präferenzen, welche der einzelne … als seine eigenen wahrnimmt und sein Verhalten entsprechend ausrichtet“. Weiter werden die objektiven Interessen als „unabhängig von ihrer Wahrnehmung“ aufgefasst, „insofern sie essentiellen Bedürfnissen entsprechen“.88 Diese Auffassung wird von Vertretern des
—————————————

 

 

Dialektischen Materialismus mit besonderer Vehemenz vertreten: Die Interessen werden als „ideelle Erscheinung“, als „Zustand des Bewusstseins“, als „Gerichtetsein der
Aufmerksamkeit“ und als „bewusst gewordene Bedürfnisse“ aufgefasst. Die Interessen werden außerdem als „objektive Erscheinungen oder Verhältnisse“ definiert.89

Die Psychologie wiederum bedient sich naturgemäß einer subjektivistischen Begriffsbestimmung: Interesse als „Ausdruck der Anteilnahme und Aufmerksamkeit“ sowie als „individuelle und relativ konstante Bereitschaft, sich mit bestimmten Gegenständen, Zielen und Tätigkeiten zu beschäftigen, die subjektiv als besonders wichtig empfunden
werden“.90 Karl Deutsch weist wiederum auf die „Doppelnatur“ des Interessenbegriffes hin: zum einem die „tatsächliche Aufmerksamkeit“, zum anderen „eine wahrscheinliche
Belohnung“,91 also Vorteil.

Es fällt auf, dass bei den genannten Interessen-Definitionen in unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten die Interessenproblematik nicht in ihrer Komplexität betrachtet wird. Erkenntnisse der Grundlagenwissenschaft Philosophie scheinen auch keine Rolle zu spielen, als hätten es sie überhaupt nicht gegeben. Ein weiteres Problem liegt möglicherweise im Linguistischen.

Im Griechischen gibt es zwei Wörter für unterschiedliche Sachen: Sympheron für den Nutzen (Vorteil) und Endiapheron ( Ἐνδιαφέρον)für das Interessiertsein. Die historisch bedingt viel später entwickelten Sprachen wie die romanischen, die germanischen und die slawischen sind auf den im Mittelalter geprägten Begriff „Interesse“ angewiesen gewesen, der sehr interpretationsfähig und –bedürftig ist. Legt man aber den Begriff „Nutzen“, d. h. die deutsche Übersetzung des „Interesses“ in der Soziologie zugrunde, dann ist die Begriffsbestimmung fast problemlos: „Summe der Vorteile, welche dem Akteur aus seinem Verhalten erwachsen“.92

Eine Problemlösung ist nur auf der Basis der Hegelschen Dialektik möglich: Das denkende und tätige Subjekt besitzt den Willen, etwas als nützlich zu erkennen. Es stützt sich dabei auf die Vernunft und auf den Verstand.
Im Mittelpunkt steht somit das subjektive Element. Danach richtet der Mensch sein Verhalten. Es erfolgt die Objektivierung des nützlichen Charakters einer Erscheinung
bzw. eines Gegenstandes.

Hieraus folgt: Es gibt keine Trennung von subjektivem und objektivem Interesse. Das Interesse ist hingegen ein einheitlicher terminus scientificus mit subjektiven und objektiven Elementen. Dabei spielt das subjektive Element eine aktive Rolle und besitzt eine konstitutive Kraft. Subjektives und objektives Element bilden eine dialektische Einheit und bedingen sich gegenseitig. D. h., nur in dieser Wechselbeziehung, in diesem inneren Zusammenhang wird das Interesse geortet.

Gerade dies macht das Interesse zu einem dynamischen, entwicklungs- und veränderungsfähigen Phänomen.
Der Wille des Menschen (Subjekt, Akteur), eine Erscheinung als nützlich wahrzunehmen, stützt sich auf vielfältige Bedürfnisse. Hieraus ergibt sich auch die Vielfalt der
Interessen. Hierzu gehören vor allem ökonomische, politische, geostrategische, ideologische,
kulturelle, technologische , religiöse etc. Interessen,93 die gerade in der Epoche der Globalisierung von großer Bedeutung sind. Eine Einschränkung des Interesses auf die ökonomische Komponente wäre hingegen vulgärmaterialistisch.
Bedürfnisse, Interessen, Wahrnehmung, Vernunft, Verstand, Wille, Erkenntnis, Verhalten gehören epistemologisch derart eng zusammen, dass es als angemessen erscheint, sie als System zu betrachten. D. h. in concreto, zwischen allen Systemelementen gibt es
Wechselbeziehungen, die die Struktur dieses Systems darstellen. Hierdurch erlangt das System eine hohe Dynamik. Gerade in dem so verstandenen System bestehen Möglichkeiten für Erkenntniszuwachs.

Die hier entwickelten Gedanken sind für die völkerrechtssoziologische und die internationaltheoretische Dimension der Interessenproblematik von größtem Nutzen.

Folgend sollen die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst werden. Dies wird die Behandlung der völkerrechtssoziologischen und der internationaltheoretischen Aspekte der Interessenproblematik erheblich erleichtern.

1. Die Interessenkonzeption der deutschen Philosophie weist den höchsten Abstraktionsgrad
und die höchste philosophische und epistemologische Reife auf.

2. Zwischen den Bedürfnissen, der Wahrnehmung, den Interessen, der Vernunft, dem
Verstand, dem Willen, der Erkenntnis und dem Verhalten gibt es einen logischen
Zusammenhang.

3. Die Vernunft ist das Vermögen der Ideen, des Unbedingten der Totalität (Kant). Sie
stellt ein Weltprinzip dar (Hegel). Die Vernunft ist eine leitende Idee des Handelns
des Menschen als Gattungswesen (Habermas).

4. Der Verstand ist das menschliche Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen
oder die Spontaneität der Erkenntnis (Kant). Nach Hegel ist der Verstand die aktive
Geistestätigkeit auf abstrakter Ebene als Moment der Totalität zu betrachten. Insgesamt
bedeutet Verstand das theoretische und praktische Vermögen des Menschen,
die objektive Realität einzufangen und in Begriffen zu fassen.

5. „Gesunder Menschenverstand” ist das Erfahrungswissen des “Mannes von
der Straße”.

6. Die Vernunft wird durch Interessen definiert (Hegel). Das „Interesse der Vernunft“ ist die treibende und formende Kraft für die Erkenntnisbildung. Das „Interesse
der Vernunft“ („interessierte Vernunft“) ist ein ideologiekritisches Instrument. Die „Vernunft der Interessen “(„vernünftige Interessen“) ist Programm einer epistemologischen
(erkenntnistheoretischen) Konzeption (Kant).

7. Das Subjekt kann nur auf Grund eines „Erkenntnisinteresses“ (Husserl) im Sinne des Wollens einen Gegenstand erkennen (Hegel).

8. Die Vernunft fächert sich in der menschlichen Geschichte in Erkenntnisinteressen, die
sich in entsprechenden Typen der Wissenschaften institutionalisieren (Habermas).

9. Das Interesse ist „identitätsbildend“ und ein „identitätssicherndes Wollen“ (Hegel).
D. h., das Nützlichkeitsdenken ist jedem Menschen immanent.

10. Das Interesse entsteht aus dem Willen nach Objektivität (Objektivierung der subjektiven
Zwecke), (Hegel).

11. Die Trennung nach „subjektiven“ und „objektiven“ Interessen ist logisch nicht stichhaltig.
Sie ist außerdem überholt. Das Interesse weist sowohl subjektive als auch
objektive Elemente auf, die sich gegenseitig bedingen. Sie stellen eine dialektische
Einheit dar.

12. Der Mensch (Subjekt, Akteur) besitzt den Willen, etwas (Erscheinung, Gegenstand)
für sich als nützlich zu erkennen. Er stützt sich dabei auf die Vernunft sowie auf den
Verstand. Das subjektive Element ist konstitutiv. Die subjektiv erkannte Nützlichkeit
wird objektiviert.

13. Das Forscherglück ist eine besondere Ausdrucksform des Eudämonismus (Erkenntnis-
Glück) und des Hedemonismus (Erkenntnis als höchste Form des Genießens). Diese
ist Ergebnis sowie Ausgangspunkt erfolgreicher wissenschaftlicher Arbeit.

14. Bedürfnisse, Wahrnehmung, Interessen, Vernunft, Verstand, Wille, Erkenntnis, Verhalten
stellen in epistemologischer Hinsicht ein System dar. Die Wechselbeziehungen
zwischen den einzelnen System-Elementen bilden dessen Struktur. Hierdurch erlangt
das System hohe Dynamik.

Völkerrechtssoziologische Dimension und internationaltheoretische der Interessenproblematik
Es ist bereits in dem Prolegomenon der vorliegenden Studie darauf hingewiesen
worden, dass Forschungsneuland beschritten wird. Das Interesse gehört zwar u. E. in erster Linie zu den Hauptkategorien der Völkerrechtssoziologie als Bestandteil der Völkerrechtswissenschaft sowie als Wissenschaftsdisziplin in statu nascendi, und zur Theorie der internationalen Beziehungen  eine tiefer gehende und seriöse Auslotung der Interessenfrage hat sich jedoch uneingeschränkt auf philosophische und wissenschaftstheoretische Erkenntnisse zu stützen. Andernfalls bleibt es bei den bisher üblichen sporadischen und oberflächlichen Meinungsäußerungen
zu der Interessenproblematik.

Die meisten Arbeiten beziehen sich auf ganz konkrete Aspekte (Kategorie, Staat) des Gegenstandes. Die Kurzäußerungen zu theoretischen Teilaspekten muten ziemlich
voluntaristisch an, weil eben eine theoretische Konzeption fehlt.
Sicherlich wäre es prinzipiell möglich, die Zahl der Akteure etwa im Sinne einer Theorie der Internationalen Beziehungen wesentlich zu erweitern. Das würde allerdings
den Rahmen des vorliegenden Beitrages bei weitem sprengen. Es ist den Zielen dieses Abschnittes dienlich, zielgerichtet entscheidende philosophische und wissenschaftstheoretische Erkenntnisse zu bündeln:

1. Interesse bedeutet dem Wesen nach Nutzen, Nützlichkeit, Vorteil.

2. Das Interesse als Terminus scientificus ist eine Erfindung realistisch und materialistisch
denkender europäischer Philosophen. Die idealistischen Philosophen kamen
später (19.Jh.) dazu.

3. Das Interesse ist die wichtigste Triebkraft der menschlichen Handlungen. Die Erzielung
des Nutzens ist ein treibendes Motiv.

4. Die Nutzensrealisierung vermag, Glückseligkeit zu schaffen. Somit ist der Nutzen ( Interesse ) Grundlage des Eudämonismus und des Hedonismus.

5. Der Hedonismus erstreckt sich auf materielle sowie auf ideelle Genüsse.

6. Das Nützlichkeitsdenken ist dem menschlichen Individuum immanent. Insofern erfolgt die Nutzensrealisierung grundsätzlich individuell und ist Ausdruck der Autonomie des Individuums.

7. Die Realisierung des eigenen Nutzens auf Kosten der Mitmenschen ist egoistisch und damit amoralisch.

8. In der menschlichen Gesellschaft geht es um den Nutzen, um das Glück sowohl des Individuums als auch der ganzen Gesellschaft. Dies erfolgt in erster Linie auf der Grundlage der Verfassung.

9. Die Verfassung ist das Ergebnis des Interessenausgleichs der Bürger.

10. Die Interessen- (Vorteils-, Nutzens-) Maximierung führt grundsätzlich im eudämonistischen Sinne zu Glückserhöhung. Sie ist nicht egoistisch, sondern höchstens
individualistisch.

11. Die Interessenrealisierung zum Wohl der ganzen Gesellschaft im Sinne des Gemeinwohl-
Gedankens entspricht der Moral.

12. Das Interesse (Nutzen, Nützlichkeit, Vorteil) muss von den Akteuren zuerst wahrgenommen (Wahrnehmung) und erkannt (Erkenntnis) werden. Dazu bedarf
es des Willens (Wollen) und des Verstandes. Dies erfolgt auf der allgemeinen Grundlage der Vernunft.

13. Die Vernunft wird durch Interessen definiert. Während die Vernunft das Begreifen der Welt durch den Menschen als Gattungswesen bedeutet, bezieht sich der Verstand auf das Verstehen im konkreten Fall.

14. Das Interesse hat zwei Seiten: eine subjektive und eine objektive. Beide bedingen sich dialektisch gegenseitig. Die Trennung in „subjektive“ und „objektive“ Interessen
ist daher weder dialektisch, noch stichhaltig, noch überzeugend.

15. Bedürfnisse, Interessen, Wahrnehmung, Vernunft, Verstand, Wille, Erkenntnis und Verhalten stellen ein gnoseologisches System dar. Die Wechselbeziehungen zwischen
den einzelnen konstitutiven Elementen des Systems bilden seine Struktur. Hierdurch erhält das System eine hohe Dynamik, Entwicklungs- und Veränderungsfähigkeit.

Das Interesse als Hauptkategorie und Hauptgegenstand der Völkerrechtssoziologie und der Theorie der internationalen Beziehungen

Bei der hier erwähnten Völkerrechtssoziologie geht es nicht allgemein um soziologische
Aspekte des Völkerrechts, sondern konkret um einen Bestandteil der Völkerrechtswissenschaft sowie um eine Wissenschaftsdisziplin in statu nascendi. Es geht kurzum um die Völkerrechtssoziologie an sich.

Es ist bereits der Versuch unternommen worden, sie ,international gesehen, erstmalig zu erarbeiten.94 Hier soll daher nur kurz darauf eingegangen werden.

Die Völkerrechtssoziologie hat die folgenden Hauptkategorien: die globalen Probleme der Menschheit, die Menschheitsinteressen, die Staatsinteressen, den politischen Willen der Staaten, die Macht, den Einfluss in den internationalen Beziehungen, das Kräfteverhältnis,
das Gleichgewicht, die Stabilität, die Veränderung, die geopolitischen und
die geostrategischen Faktoren, das Verhalten der Staaten, die internationale öffentliche
Meinung, die Verhandlungen, die Konsultationen, die politischen Verhandlungen und Normen, das Verhältnis zwischen den politischen und den juristischen Normen, die
UN-Deklarationen/Resolutionen, die politische Verbindlichkeit, die Verantwortlichkeit sowie den Einfluss der internationalen Politik auf das Völkerrecht, um die wichtigsten zu nennen.

Die Völkerrechtssoziologie als Wissenschaftsgebiet in statu nascendi hat die folgenden Aufgaben: Untersuchung des eigenen Verhältnis zur Soziologie, zur Rechtssoziologie
und zu den politischen Wissenschaften, zur Lehre von den Internationalen Beziehungen sowie zu den anderen Bestandteilen der Völkerrechtswissenschaft (Völkerrechtstheorie,
Völkerrechtsphilosophie, Völkerrechtsdogmatik und Völkerrechtsmethodologie); Erforschung
und Aufdeckung der sozialen und politischen Grundlagen des Völkerrechts sowie einen Beitrag zu einer realistischen Einschätzung des Völkerrechts leisten; Bekämpfung immer noch vorhandener Erscheinungen des verknöcherten Rechtspositivismus und des Rechtsformalismus innerhalb der internationalen Völkerrechtswissenschaft; Verteidigung
der Völkerrechtswissenschaft vor Angriffen und Verdrängungsversuchen seitens der Lehre von den Internationalen Beziehungen; auf der Grundlage von Analysen der
gegenwärtigen internationalen Beziehungen prognostische Aussagen für die Zukunft treffen.95

Ein besseres Verständnis der Staatsinteressen erfordert die Herstellung einer engen
Verbindung mit den Eigenschaften des Staates als Völkerrechtssubjekt und allgemeiner als Akteur in den internationalen Beziehungen sowie mit den eigentlichen konstitutiven
Elementen des Staates, namentlich mit dem Territorium, der Bevölkerung und der Herrschaftsausübung.
Gerade auf der Basis dieser drei Elemente erwachsen Bedürfnisse,
von denen bestimmte Interessen abgeleitet werden. Derartige Interessen sind für die Staaten identitätsstiftend und identitätssichernd (Hegel). Hieraus leitet sich ihre herausragende Bedeutung für die Staaten ab. Man kann sie als originäre, grundlegende,
existentielle, vitale oder höchste Interessen bezeichnen. Die Verwendung dieser und ähnlicher Adjektiva im allgemeinen erfolgt in der Fachliteratur ohne Konzeption,
voluntaristisch bis willkürlich und größtenteils en passant, d. h. auf alle Fälle nicht überzeugend. Jeder Autor stellt dabei eigene Kriterien auf und ignoriert fast demonstrativ
die äußerst nützlichen Erkenntnisse der Philosophie und der Wissenschaftstheorie.
Hierdurch nimmt jedoch die Sache chaotische Züge an.96 Bei dieser Interessenkategorie geht es um das Überleben eines Staates.97 Infolgedessen sind die Staaten nicht bereit, noch nicht einmal partiell, auf solche Interessen zu verzichten. Es bedarf daher kaum besonderer Anstrengung (Wahrnehmung, Verstand), diese Interessen zu erkennen und sich in den internationalen Vertragsbeziehungen danach zu richten (Verhalten). Deswegen
wundert es nicht, dass fast alle Abrüstungsverträge zwischen den USA und der damaligen UdSSR die „Interessenklausel“ erhalten. So heißt es im „Vertrag zwischen der
UdSSR und den USA über die Begrenzung der strategischen Offensivwaffen“ (SALT II) vom 18. Juni 1979, Art. XIX, Absatz 3: „Jede Seite hat in Verwirklichung ihrer staatlichen
Souveränität das Recht, von diesem Vertrag zurückzutreten, wenn sie entscheidet, dass mit dem Inhalt dieses Vertrages zusammenhängende außerordentliche Umstände ihre
höchsten Interessen bedrohen“.98 Internationale Konventionen zu ähnlichen Materien enthalten ebenso diese Sicherheitsklausel mit der üblichen Standard-Formulierung
„höchste Interessen“.

Aus der großen Anzahl derartiger Vertragswerke sei beispielsweise die „Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von bakteriologischen (biologischen) und Toxin-Waffen und über ihre Vernichtung“ vom 10. April 1972
genannt (Art. XIII, Absatz 2).99 Die UN-Generalversammlung hat oft im Zusammenhang mit dem Abrüstungsprozess auf die „vitalen Sicherheitsinteressen“ aller Staaten hingewiesen, so auch auf der Zehnten Sondertagung (23. Mai – 30. Juni 1978, (A/S-10/4).
Von der jedem Staat de iure immanenten Souveränität ergeben sich die Gebietshoheit und die Handlungsfähigkeit . Letztere wird in den internationalen Beziehungen
von dem Staat als das originäre und wichtigste Völkerrechtssubjekt abgeleitet. Hiermit werden seine Interessen bezüglich ihrer Realisierung internationalisiert. Bei der Durchsetzung ihrer Interessen neigen viele Staaten dazu, bestimmten Interessenkategorien ad hoc das Adjektiv „legitim“ zu verleihen, ohne allerdings dies zu begründen.100 In der
entsprechenden Literatur sieht es ähnlich aus.101 Es ist fast unvorstellbar, dass man nicht
auf die Idee kommt, das Adjektiv „legitim“ linguistisch, d. h. etymologisch-semantisch
zu hinterfragen. „Legitim“ (lex, legis) deutet doch auf das Recht, in diesem Falle auf
das Völkerrecht hin. Dabei sind die sieben grundlegenden Prinzipien dessen Kernstück.
Sie sind das Hauptkriterium für die Legitimität, für die Rechtmäßigkeit jedweder Interessenkategorie. Andernfalls besteht die reale Gefahr von willkürlichen und teilweise
auch von egoistischen Interpretationen.
Hieraus folgt: Alle Interessenarten, die dem Völkerrecht widersprechen, besitzen nicht die Eigenschaft des Legitimen. Hierbei handelt es sich um eine strenge völkerrechtsdogmatische Betrachtungsweise.

Bei dem Hierarchiekatalog der Interessen genießen Priorität die Menschheitsinteressen
(„Interessen der gesamten Menschheit“, „Interessen aller Staaten“, „Interessen
aller Völker“, „Interessen aller“, „Allgemeine Interessen der Menschheit“, „Allgemeinmenschliche Interessen“, „Internationale Interessen“). Hierbei handelt es sich nicht um die rechtspositivistische Konzeption von dem Interesse der Menschheit im Zusammenhang mit den internationalen Gemeinschaftsräumen (z. B. Antarktis, Hohes Meer, Meeresboden und Weltraum),102 sondern um jene besondere Interessenkategorie, die
mit den globalen Problemen der Menschheit verknüpft ist. Dies ist eine andere Konzeption.

Sporadisch ist bereits nach dem Ersten Weltkrieg und später auf die Priorität der Menschheitsinteressen gegenüber den nationalen Interessen hingewiesen worden,103 jedoch Wolfgang Friedmann („The Changing Structure of International Law“, 1964) erwähnte im Sinne des von ihm entworfenen „Law of Cooperation“ als erster die universellen menschlichen Interessen und damit den allgemeinmenschlichen
Charakter bestimmter Interessen.104
Unter den Bedingungen der allgegenwärtigen und omnipotenten Globalisierung ist es nunmehr an der Zeit, das Menschheitsinteresse konzeptioneller, d.h. in concreto,
philosophisch und epistemologisch zu betrachten. Das Menschheitsinteresse ist Menschheitsnutzen bzw. Menschheitsvorteil. Dem entspricht vollauf das Commune bonum humanitatis, einer Hauptkategorie der Völkerrechtsphilosophie.105 Das
Menschheitsinteresse entspringt Bedürfnissen, die bei den globalen Problemen der Menschheit angesiedelt sind. Es kommt nun darauf an, dass die Staaten dieses Interesse als nützlich für die gesamte Menschheit wahrnehmen und anerkennen wollen. Hierzu benötigen sie Willen,Verstand sowie Vernunft, sozusagen als ein „Weltprinzip“ (Hegel). Erst hierdurch kann man von einem „vernünftigen Interesse“ (Kant) sprechen. Unter völlig anderen historischen Bedingungen wurde die Vernunft als das umfassende höchste moralische Prinzip konzipiert, um dem Kampf des aufkommenden Bürgertums gegen die verrottete
Feudalabsolutistische Ordnung und gegen den finsteren Klerikalismus zu legitimieren. Es ging schlicht und einfach um die Interessen (Nutzen, Vorteil) der neuen sozialen Klasse.

Die Vernunft wird ohnehin durch Interessen definiert (Hegel). Es wäre daher durchaus möglich, den Gedanken des Commune bonum humanitatis als ideelle Widerspiegelung
der praktischen Menschheitsinteressen als Ausdruck der allgemeinmenschlichen
und universellen Vernunft in der Epoche der Globalisierung anzusehen. Was diesem Gedanken und damit dem Menschheitsinteresse widerspricht, ist unvernünftig und amoralisch. Das Gemeinwohl der Menschheit könnte das höchste Kriterium für alle
anderen Interessentypen sein. Somit gäbe es zwei Grenzen bei der Durchsetzung der Staatsinteressen, nämlich die universelle Vernunft sowie das Völkerrecht, vor allem
seine grundlegenden Prinzipien. Id est, die Realisierung egoistischer Staatsinteressen, d. h. Interessen auf Kosten anderer Staaten sowie der gesamten Menschheit ist sowohl
unvernünftig und amoralisch als auch völkerrechtlich untersagt, denn es wird unweigerlich das Völkerrecht in Mitleidenschaft gezogen.
Genau dies ist der Fall bei der Durchsetzung der amerikanischen Interessen (ökonomischen,
politischen, geostrategischen). Die USA waren jahrelang bis vor kurzem
nichts weiter als ein Imperium Supremum Americanum, Monstruosum et
Arrogans.106 Die jeweilige Regierung der USA denkt ausschließlich an die eigenen
„nationalen Sicherheitsinteressen“ und versuchte, sie vorwiegend auf Kosten anderer Staaten in die Tat umzusetzen. Zugleich wird das Völkerrecht gröblichst und massiv
verletzt (militärische Interventionen, Aggressionen etc.). Bisher haben die USA öfters unvernünftig, amoralisch sowie völkerrechtswidrig gehandelt.

Hieraus kann die folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Der ehemalige Präsident Bush jr. besaß weder das Wahrnehmungsvermögen, noch den Willen, noch den erforderlichen Verstand – in diesem besonderen Fall geht es um das Fehlen des Denkens in logischen Zusammenhängen – die legitimen Interessen der anderen Staaten, geschweige denn das Menschheitsinteresse, auf der Basis der allgemeinmenschlichen Vernunft zu erkennen und danach zu handeln. Dennoch war er acht Jahre lang Präsident der einzigen Supermacht in der heutigen Welt. Es ist kein Zufall, dass die moralischen Folgen dieser Unvernunft tragische Dimensionen historischen
Ausmaßes angenommen haben. Eine relativ intensive Beschäftigung mit dem
US-amerikanischen Schrifttum in Völkerrecht und in der „Theory of International Relations“ in den vergangenen 40 Jahren hat ergeben, dass der Begriff „Menschheitsinteresse“
so gut wie unbekannt ist. Gleiches gilt auch für den Begriff „Commune
bonum humanitatis“. Statt dessen hat die Wendung „national interest“ eigentlich spätestens seit Anfang der 50er Jahre des 20. Jh. Hochkonjunktur. Vieles spricht dafür, dass diese unangenehmen Erscheinungen in den USA tiefere Ursachen haben und in der angelsächsisch-amerikanischen Tradition verwurzelt sind. Um es nach Hegel zu formulieren, das stark utilitarisch ausgerichtete individualistische und egoistische
„nationale Interesse“ der USA ist stets „identitätsstiftend“ und „identitätssichernd“ gewesen. Im Grunde genommen hat Jeremy Bentham die Engländer und die Amerikaner stark geprägt.

 

Speziell die USA hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, nach
dem Zusammenbruch der UdSSR sich etwas nach dem utilitaristischen Verständnis von John Mill zu richten und die Führung des großen Kampfes um die sukzessive Lösung
der globalen Probleme der Menschheit im Sinne des Commune bonum humanitatis
zu übernehmen. Der jahrelange praktizierte extrem egoistische Hedonismus der USA bei der Erlangung ihrer eigenen Glückseligkeit macht andere Völker unglücklich.

Solcher Hybris folgt in der Regel die gerechte Nemesis. Nachträglich betrachtet, kann man das pervertierte Interessenverständnis in der “Bush-Ära“ nicht nur als extrem egoistisch, sondern darüber hinaus als masochistisch qualifizieren. Es wirkt wahrhaftig in hohem Maße selbstzerstörerisch.
Zu erwähnen ist noch ein Staat, namentlich Israel, der seine egoistischen Interessen auf Kosten der Palästinenser, vor allem durch den Bau immer mehr neuer jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, durchsetzt. Dabei denkt Israel nur an das Glück (Eudämonismus) der eigenen Bevölkerung. Gerade dieses Beispiel verdeutlicht die Tragik der Situation: Das Glück der Israelis bedeutet automatisch das Unglück der betroffenen Palästinenser. Israel kann man zwar bescheinigen, Verstand in diesem konkreten Fall zu besitzen, was den jetzigen Nutzen für die israelischen Siedler betrifft,
wahrzunehmen und kognitiv zu erkennen. Dieses Vorgehen stütz sich allerdings nicht auf die Vernunft des Menschen als Gattungswesen. Dies widerspricht ohnehin dem Völkerrecht. Es fragt sich, ob ein der menschlichen Vernunft widersprechendes egoistisches
Interesse letzten Endes ein „verum“ Interesse ist. Es gibt allen Grund dazu, dieses Interesse eher als „imaginarium“ (Pufendorf)zu qualifizieren, vor allem wenn man prognostisch denkt. Denn durch solche Praktiken stets gegen Vernunft und Völkerrecht werden alle Voraussetzungen für Tragödien unvorstellbarer Dimension in der Zukunft geschaffen. Alle Staaten, die bei der Durchsetzung ihrer Interessen eine Hybris nach der anderen begehen und weder in der Lage noch willens und bereit sind, Maß zu halten und die legitimen sowie grundlegenden Interessen anderer Staaten zu respektieren, führen
fast zwangsläufig ihre eigenen Völker in Katastrophen biblischen Ausmaßes.

Der unter US-amerikanischen Politologen und teilweise auch unter Völkerrechtlern verwendete Begriff „national interest“ sei zwar gleichbedeutend mit „Wert“,beschränkt sich letzten Endes auf die „nationale Sicherheit“.107 Sehr zutreffend ist
die von einem US-Politologen getroffene Definition des „nationalen Interesses“: „Unter nationalem Eigeninteresse wird eine Summe von Gegebenheiten verstanden, die allein unter dem Gesichtspunkt ihres Vorteils für den Staat bewertet werden“.108
Dies wird als Eigenliebe und Egoismus qualifiziert. Bei prinzipieller Zustimmung mit dem Inhalt dieser Definition, sei darauf hingewiesen, dass ausgehend von den bereits
gewonnenen philosophischen und wissenschaftstheoretischen Erkenntnissen über die
Interessenproblematik, sich hier um Individualismus und nicht unbedingt um Egoismus handelt, der noch etwas Zusätzliches voraussetzt: Interessendurchsetzung auf Kosten
anderer Staaten. Dass der Egoismus die Realität in der Außenpolitik der USA gewesen ist, ist eine andere Frage.
Inzwischen sind von den US-amerikanischen Politologen die Ansätze des Utilitarismus im Sinne einer „Theorie des utilitaristischen Liberalismus“ wesentlich weiter
entwickelt worden. Die Kernthese dieser durchaus als realistisch einzuschätzenden Strömung ist die folgende: Die Interessen gesellschaftlicher Akteure bestimmen das außenpolitische Handeln eines Landes. Man kann nicht umhin, die beeindruckende Ehrlichkeit dieser politikwissenschaftlichen Richtung zu registrieren. Es ist ferner die
Rede von „gesellschaftlichen Interessenvermittlungsstrukturen“. Es geht darum, dass die Interessen der gesellschaftlichen Akteure, die sich im „politischen Vermittlungsprozess“
durchsetzen, zum zentralen Bestimmungsfaktor des außenpolitischen Verhaltens werden.
Somit ist dem skrupellosen US-amerikanischen Lobbyismus sogar ein politikwissenschaftliches Denkmal gesetzt worden. Ein weiterer Grundgedanke dieser Theorie
ist die „Eigennutzmaximierung“ der materiellen sowie der immateriellen Gewinne. Ein Akteur orientiert sich an der Maximierung seines Eigennutzens. Gerade das ist sein Interesse.109 Letzten Endes feiert der„Homo oeconomicus“ Triumphe, allerdings
bis zu den „Hedge Funds“ und der masochistisch anmutenden Selbstzerstörung. Der
wissenschaftspolitische Boden für dieses Desaster ist bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch die realistische Schule vorbereitet worden. H. J. Morgenthau
(„Politics among Nations“, 1948) formuliert sein Interessenverständnis in enger Verbindung mit der Macht ziemlich deutlich: “Das hervorstechendste Wegzeichen,
an dem sich der politische Realismus im weiten Gebiet der internationalen Politik orientieren kann, ist der im Sinne der Macht verstandene Begriff des Interesses“.110 So versteht man besser die Militarisierung der US-amerikanischen Außenpolitik im Jahre
2001, als es darum ging, die „globalen Interessen“ der USA mit den„Machtprojektions
möglichkeiten“ in Übereinstimmung zu bringen.111

Verglichen mit den neueren, wahrhaftig tiefschürfenden Forschungsaktivitäten der amerikanischen Politologen, sehen die Ansichten europäischer Wissenschaftler sehr
dürftig und oberflächlich aus. Es wird z. B. auf das Verhältnis zwischen den Bedürfnissen und den Interessen112 oder lapidar und abstrakt auf eine mögliche „Lehre von den Interessen der souveränen Staaten“ als die eigentliche „Theorie der auswärtigen Politik“113 hingewiesen.

Die souveränen Staaten realisieren als Völkerrechtssubjekte ihre Interessen über die Außenpolitik. Weil jeder Staat so handelt, entsteht in den internationalen Beziehungen
ein engmaschiges Interessenkoordinationssystem, das sich gnoseologisch auf die
Kardinaltermini Bedürfnisse, Interessen, Wahrnehmung, Vernunft, Verstand, Wollen, Erkenntnis und Verhalten stützt. Dies aber gilt für viele Schein- oder Pseudostaaten
nicht, id est für Staaten, die im Grunde genommen dahin vegetieren und sich weder nach der allgemeinmenschlichen und damit universellen Vernunft, noch nach dem
internationalen Gewohnheitsrecht, noch nach dem allgemeingeltenden Völkerrecht
richten (failed states). Von ihnen gehen große Gefahren aus.

Hinsichtlich ihrer Realisierungsform lassen sich bestimmte Interessenarten voneinander unterscheiden. Hierbei handelt es sich um eine in der Lehre der Internationalen Beziehungen sowie in der allgemeinen Völkerrechtswissenschaft, insbesondere in der Völkerrechtsdogmatik, stark vernachlässigte Fragestellung. Möglicherweise eignet sich für die notwendige Problemfindung die Völkerrechtssoziologie, gestützt auf die bereits gewonnenen Erkenntnisse der Philosophie und der Epistemologie. Im großen und ganzen geht es um die folgenden Interessenarten, die sich vorwiegend auf die essentiellen, namentlich auf die ökonomischen, die politischen, die geostrategischen
und die ideologischen Interessen stützen.

a ) Die parallelen Interessen

Das Adjektiv der altgriechischen Sprache „strong „parallelos“ ( παράλληλος ) bedeutet in linguistischer Hinsicht „nebeneinander stehend“ oder „nebeneinander laufend“. Symbolisch bedeutet parallelos „gleichzeitig und voneinander unabhängig laufenden Prozesse“.114
Festzuhalten sind für die weitere Untersuchung die Wörter „nebeneinander“ oder auch
„gleichzeitig“, „voneinander unabhängig“ und „Prozesse“.115 Dies reicht allerdings nicht aus, um in das Wesen der parallelen Interessen tiefer einzudringen.

Die Staaten haben bestimmte Bedürfnisse, aus denen Interessen erwachsen. Bedürfnisse und Interessen werden zunächst wahrgenommen. Es erfolgt die gedankliche Verarbeitung des „Objekts“ durch den Verstand und auf der Grundlage der Vernunft.
Bei den Staaten entsteht der Wille, das Interesse im Sinne des möglichen Vorteils, Nutzens zu erkennen. Bereits nach diesem entscheidenden Studium dieses dynamischen Prozesses wird sein Verhalten im Ansatz beeinflusst. Es könnte hierdurch zu einem
qualitativen Sprung, d. h. zu einer Umwandlung dieser Interessen in eine qualitativ höhere Stufe kommen. Spielt sich dieser Prozess auch bei anderen Staaten ähnlich ab, dann könnten hieraus die folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden:

Ähnlichkeit der Bedürfnisse, der Interessen, der Verstandeskapazität – sie ist nicht immer gegeben -, des Wollens, der Erkenntnisfähigkeit – sie ist durchaus nicht in jedem Falle vorhanden – sowie nicht zuletzt des Objektes; dieser Prozess verläuft bei unterschiedlichen Staaten verschieden und fast „im Verborgenen“; infolgedessen gibt es keinerlei Berührung der ähnlichen Prozesse; konsequenterweise sind in den zwischenstaatlichen Beziehungen
bei solchen Interessen keine Ergebnisse zu registrieren; die ähnlichen Prozesse sind prinzipiell veränderungsfähig.

b ) Die gemeinsamen Interessen

Auch hier gilt die Kette vom Bedürfnis bis zum Verhalten der in Frage kommenden Staaten.
Unabhängig voneinander erkennen die Staaten, dass eine Sache von Vorteil für sie ist. Dieses Erkennen geht jedoch über den eigenen Vorteil hinaus und registriert, dass ein ähnlicher Vorteil auch bei anderen Staaten, zumindest als Feststellung, vorhanden
ist. Der weitere Verlauf dieses eher kognitiven Prozesses hängt von dem Verhalten der Akteure ab. Sie können sich z. B. gegenseitig offiziell oder inoffiziell hierüber informieren,
oder etwas weitergehen, indem sie Kontakte, Konsultationen, Vorverhandlungen oder sogar Verhandlungen aufnehmen, um ein entsprechendes Dokument gemeinsam
zu erarbeiten. Erkennt nur ein Akteur „gemeinsame Interessen“ für mehrere Akteure, die noch nicht so weit mit solchen Erkenntnissen sind, dann kann er versuchen, die anderen dazu aufzurufen. Dies war in der Antike der Fall, als die Korinther die anderen
„Bundesgenossen“ zum Kampf an der Seite Athens gegen die Spartaner aufforderten ( Θουκυδίδου , Ἱστορία τοῦ Πελοποννησιακοῦ Πολέμου ).116

Es geht hier nicht so sehr um irgendwelche moralische Regeln, sondern um sicherheitspolitische und ökonomische Interessen.117 Thukydides mutet erstaunlich modern an. Dennoch hat die Supermacht USA Jahrzehnte gebraucht, um dahinter zu kommen, dass es zwischen ihr und anderen Staaten „gemeinsame Interessen“ gibt. In seiner Antrittsrede als Präsident kündigt Obama den „Dialog“ mit den Staaten des islamischen Kulturkreises erläuternd „neue Wege vorwärts, gegründet auf gemeinsame Interessen und gegenseitigen Respekt“an.118 Allem Anschein nach ist die islamische Welt mit derartigen Erkenntnissen und Bekenntnissen noch nicht so weit.

Die Nichtbeachtung philosophischer und epistemologischer Erkenntnisse, was bei
den Rechtspositivisten üblich ist, kann allerdings dazu führen, dass vor den gemeinsamen Interessen eine andere Interessenkategorie, namentlich jene der übereinstimmenden Interessen gesehen wird. Dies ist bei A. P. Sereni der Fall: „…an che quando si ha solidarieta
die interessi tra due o piú Stati, i loro interessi possono essere comuni sino ad un certo punto soltanto”.119 Es verwundert auch nicht, dass G. Morelli das „interesse commune“ oder die „comunanza o solidarieta di interessi“ nebenbei erwähnt,
Beispiele nennt, ohne zu erläutern, was die „gemeinsamen Interessen“ sind.120
Während die „gemeinsamen Interessen“ in der Realität der internationalen Beziehungen häufig vorkommen, ist die „Interessensolidarität“ eher als eine Wunschvorstellung zu werten, weil eben das Interesse Nutzen, Vorteil bedeutet, während die Solidarität
eher eine ethische Kategorie, genauer, was die internationalen Beziehungen betrifft, eine Kategorie der Völkerrechtsphilosophie ist. Als sehr problematisch ist ebenso die
Wendung „identische Interessen“, die schon logisch-etymologisch nicht tragfähig und überzeugend ist.

In linguistischer Hinsicht drückt die identitas im Spätlateinischen
die Wesensgleichheit, das „Selbst“121 aus. Daher können „identische Interessen“ in den zwischenstaatlichen Beziehungen kaum angenommen werden. Dennoch wird in der Fachliteratur die Existenz dieser Interessenkategorie hin und wieder behauptet.122

c ) Die konkurrierenden Interessen

Staaten erkennen die Nützlichkeit eines Objekts zwar unabhängig voreinander, aber zugleich wird ihnen bewusst, dass sich andere Staaten in einer ähnlichen Erkenntnissituation
befinden. Dabei könnte das Objekt beispielsweise eine wichtige geostrategische Region oder die Erdölfelder eines Landes oder sogar die Erforschung des Weltraumes sein.

Objektiv kommt es zunächst zu einer neutralen Berührung der Interessen, dem
Wesen nach der Vorteilserwartungen. Es ist von den bisherigen Beziehungen der in Frage kommenden Staaten untereinander abhängig, wie die „sich berührenden“ oder „sich kreuzenden“ oder schlicht die „konkurrierenden“ Interessen betrachtet werden. Davon
hängt es wiederum ab, wie die entstandene Problemsituation überwunden werden kann.

Grundsätzlich gäbe es die folgenden Möglichkeiten: Bei nur zwei Interessenlagen zieht der eine Staat seine Vorteilserwartung freiwillig zurück; es kommt zu einer Umwandlung der konkurrierenden in gemeinsame Interessen; man erzielt einen Interessenausgleich durch Kompromisse. Hieraus wird ersichtlich, dass die konkurrierenden Interessen eine hohe Wandlungsfähigkeit besitzen. Konkurrierende Interessen sind gegenwärtig hinsichtlich der Arktis und Antarktis, auf dem Kaukasus (Russland – USA vor dem russischen Einmarsch), auf den Weltmärkten zwischen den exportierenden Nationen, im Persischen Golf zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien etc. zu konstatieren.
Unter den Bedingungen der Globalisierung nehmen derartige Interessen zu.123

d) Die konträren Interessen (Antagonistische Interessen)

Ausgehend von unterschiedlichen Bedürfnissen sind die Staaten willens, durch Verstand und auf der Basis der Vernunft die Nützlichkeit eines Objekts (materiell oder ideell) zu erkennen und danach entsprechend zu handeln. Das tatsächliche Problem besteht mitunter aber aus verschiedenen Faktoren: extrem unterschiedliche Bedürfnislagen,
divergierende Verstandesfähigkeit der konkreten Akteure, divergierende Position zu der Vernunft, divergierende Widerspiegelung des Objekts – z. B. bei dem einen Staat einigermaßen korrekte Widerspiegelung, bei dem anderen eine verzerrte Widerspiegelung – und infolgedessen extrem unterschiedliche Erkenntnisintensität und Erkenntnisqualität.
Davon lässt sich ein gegensätzliches Verhaltensmuster ableiten. Hierbei geht es nicht um gegensätzliche Interessen ideologisch- weltanschaulicher oder religiös- traditioneller Art, sondern nur um einen auf Staaten bezogenen Interessengegensatz. Eine derartige
Situation führt nicht automatisch und nicht in jedem Fall zu einem Zusammenprall bzw. zu einem Konflikt. Die Staaten sind vielmehr völkerrechtlich verpflichtet, miteinander zu kooperieren. Die einzige vernünftige Lösung wäre ein Interessenausgleich,124 vorrangig durch vertragliche Regelung. Andernfalls könnte ein ernsthafter Konflikt entstehen.

Auch in diesem Fall gilt die völkerrechtlich verankerte Pflicht zu der friedlichen Streitbeilegung (Art. 33 der UN-Charta).
Am Beispiel des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern soll die Problematik der gegensätzlichen Interessen demonstriert werden. Die Probleme beginnen schon bei den entgegen gesetzten Bedürfnissen. Die Palästinenser streben die Schaffung
eines eigenen Staates an. Dies entspricht der Vernunft sowie dem Völkerrecht. Israel baut auf besetztem palästinensischen Boden immer mehr jüdische Siedlungen. Dies aber widerspricht sowohl der Vernunft als auch dem Völkerrecht. Die im Gaza-Streifen herrschende Hamas strebt letzten Endes die Vernichtung Israels an. Eine solche Haltung widerspricht dem „gesunden Menschverstand“, der Vernunft und dem Völkerrecht und stellt außerdem eine verzerrte Widerspiegelung der Realität dar. Im Grunde genommen, fehlen bei der Hamas die Ratio (Vernunft) sowie die Fähigkeit und der Wille, die Realität anzuerkennen. Ist Israel weiterhin gegen einen eigenen palästinensischen Staat, schon ist dies ein Beweis dafür, dass Israel zumindest in diesem Kontext die Ratio (Vernunft) abhanden gekommen ist. Diese Irrationalität beiderseits hat zur Schaffung von gefährlichen Konflikten und sogar schwerwiegenden militärischen Auseinandersetzungen
geführt. Es gäbe grundsätzlich eine Lösungsmöglichkeit des Konfliktes auf
der Grundlage eines Interessenausgleiches durch Kompromisse, vorausgesetzt, dass
das Handeln der Hauptakteure beiderseits sich nach der menschlichen Vernunft und nicht nach nationalen und religiösen Mythen und Dogmen richtet. Die wichtigste Voraussetzung
hierfür besteht darin, dass Israel mit der Durchsetzung seiner egoistischen
Interessen auf Kosten der Palästinenser aufhört. Israel sollte ferner das Mesotes-Prinzip
des Aristoteles, bekannt auch als „aurea mediocritas“, in dem Sinne beachten, dass die Proportionalität der eingesetzten militärischen Mitteln gegen die Palästinenser einigermaßen zur Anwendung kommt. Das ständige exzessive Grundverhalte Israels,
das ohnehin völkerrechtswidrig ist, stellt eine ungeheuerliche Hybris dar.

Das Interesse als Gegenstand der Völkerrechtstheorie, speziell der
Normbildungstheorie

Obwohl das Interesse für das Recht überhaupt von eminenter Bedeutung ist, kann darauf nicht ausführlich eingegangen werden, weil es über diese Thematik konkret als Interessenjurisprudenz zahlreiche Standardwerke gibt.125 Folgend sollen die Kerngedanken des Begründers der „Interessenjurisprudenz“, des „deutschen Bentham“126 Rudolf von Ihering („Der Zweck im Recht“) zusammengefasst werden.
Ihering verknüpft das gesellschaftlich Nützliche mit dem Sittlichen. Nach seinem Nutzens- und Interessendenken darf nur was die Gesellschaft fördert, zur rechtlichen Norm erhoben werden. Er polemisiert gegen die Idee des abstrakten Rechtswillens und stellt die Bedürfnisse und die Interessen in den Mittelpunkt des Rechtslebens. Ihering betrachtet das Recht als die Sicherheit des Genusses.127 In seiner Konzeption spielt die bei deutschen Juristen übliche mystisch anmutende „Rechtsidee“ keine Rolle.128 Nach Hermann Klenner
versucht Ihering den Inhalt des Rechts nicht mittels deduktiv-logischer Operationen, sondern aus den Zwecksetzungen des realen Lebens zu erschließen. Die Interessenjurisprudenz begibt sich von einem juristischen auf einen soziologischen Positivismus und diente zur damaligen Zeit (Ende des 19. Jh.) den herrschenden Produktions- und Machtverhältnissen.129 Es kann sachlich konstatiert werden, dass der gesellschaftliche Utilitarismus der Interessenjurisprudenz durch die Überhöhung der Rolle des Zwecks bei der Rechtsbildung den Bogen überspannt, denn es gibt tatsächlich keinen „mechanischen Transformationsakt“, der Umsetzung von Interessen in Rechtsnormen.130 Mit dieser Monoklonalität der Interessenjurisprudenz
kann die Völkerrechtswissenschaft nicht viel anfangen, wenn auch einzelne Völkerrechtler die Bedeutung des Interesses für den völkerrechtlichen Rechtsnormenbildungsprozess
hervorheben.131 Dies ist aber keine ausgereifte Konzeption, sondern lediglich Meinungsäußerung.

Folgend soll der Versuch unternommen werden, die bereits gewonnenen philosophischen und wissenschaftstheoretischen Erkenntnisse auf das Völkerrecht anzuwenden.
Spätestens seit Thukydides ist bekannt, dass das Interesse (Nutzen, Vorteil) die treibende
Kraft für das Verhalten der Staaten in den internationalen Beziehungen ist. Das Interesse ist auch für die Staaten „identitätsstiftend“ und „identitätssichernd“ (Hegel).
Im Allgemeinen leuchtet ein, dass die Staaten in dem engmaschigen System der internationalen Beziehungen ihre Interessen nicht uneingeschränkt durchsetzen können.
Daher kommt es unweigerlich zu einem Interessenausgleich. Konkretes Ergebnis dieses Ausgleichs ist, generell betrachtet, das Völkerrecht. Dies geschieht allerdings weder
automatisch noch im Selbstlauf. Dabei geht es nicht nur um politische132 oder nur um ökonomische Interessen. Dem Interessenausgleich geht eine Interessenkoordinierung vor. Nur die Interessenkoordinierung reicht allerdings nicht aus, um dieses Phänomen zu erklären.133

Neben der oben behandelten allgemeinen Bedeutung des Interesses für das Völkerrecht gibt es jene konkrete im Rahmen des internationalen Normenbildungsprozesses.
Diesbezüglich ist bereits vor ca. 25 Jahren134 eine eigene theoretische Konzeption erarbeitet worden, die über verschiedene Etappen in einer Monographie gipfelte.135 In diesen Arbeiten ist sukzessive eine normbildungstheoretische „Kette“ erarbeitet worden: Bedürfnisse – Interessen – Wille – Norm – Verhalten. Darauf stützt sich im wesentlichen der internationale Normenbildungsprozess, der mehrere Phasen durchläuft. Dieser Prozess besitzt einen konsensualen und dialektischen Charakter:

Zuerst wird von den Staaten erkannt, dass es bestimmte Probleme in den internationalen Beziehungen gibt: Hierüber entsteht ein Consensus generalis oder sogar ein Consensus omnium. Bereits an der kognitiven Seite des Consensus der Staaten sind mehrere Determinanten (materielle und ideelle, ökonomische und politische etc.)
in ihrer Komplexität beteiligt. In ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenwirkten bedingen sie die Staatsinteressen. Danach wird von einigen oder von mehreren Staaten
aus ähnlichen oder aus unterschiedlichen Gründen die Bedeutung der betreffenden Probleme erkannt. Hierüber kann ebenfalls ein Consensus generalis oder sogar ein
Consensus omnium entstehen. Erkennen danach die in Frage kommenden Staaten die Normierungsnotwendigkeit und die Normierungswürdigkeit an, dann wird auch hierüber je nachdem ein Consensus generalis oder sogar ein Consensus omnium bejaht. Danach erstreckt sich der Consensus der Staaten auf die klärenden Verfahrensfragen.
Er wird durch Verhandlungen und Kompromisse erreicht. Eine weitere Phase bezieht sich auf die Regelung der substantiellen Fragen. Sie ist deshalb die wichtigste.
In diesem Stadium spielen Interesse, Wille, Rechtsbewusstsein und Gerechtigkeitsempfinden eine entscheidende Rolle. Im Verhandlungsverlauf versuchen die Staaten, einen Interessenausgleich zu erzielen. In diesem Stadium spielen viele Faktoren eine beeinflussende
Rolle. Im Verhandlungsprozess koordinieren die Staaten ihre Interessen, die darauf fußenden Willen sowie die hauptsächlich von den Interessen beeinflussten
Opiniones (Überzeugungen). Das Ergebnis dieses Vorganges ist Ausdruck eines inhalts- und sachbezogenen Consensus. Er wiederum findet in recht unterschiedlichen Dokumenten Ausdruck (von völkerrechtlichen Verträgen bis zu Absichtserklärungen).
Diese Dokumente enthalten in normbildungstheoretischer Hinsicht Verhaltensregeln. Somit bezieht sich der erreichte Consensus der Staaten auf Inhalt und Form der angenommenen Dokumente. Erst bei der nächsten Phase des Normenbildungsprozesses wird darüber entschieden, ob sie Normen rechtlichen oder nichtrechtlichen Charakters schaffen wollen. Hierüber wird durch ihre gemeinsame Intentio ihre Voluntas oder
Opinio entschieden. In einer weiteren Phase bezieht sich der Staatenconsensus darauf, die geschaffenen Verhaltensnormen als verbindlich (rechtlich oder politisch oder moralisch) zu akzeptieren und sich entsprechend danach zu richten. Der gesamte Normenbildungsprozess
kann in zwei Säulen zerfallen: in einen rechtlichen (Rechtsnormen) und
in einen nichtrechtlichen (politische Normen, Moralnormen). Die Rechtsnormen sind Ausdruck des Consensus voluntatis (Willenübereinstimmung)136 Sie stellen keinen Gemeinwillen dar,137 wie verschiedentlich behauptet wurde. Dagegen gibt es zwar Einwände durch andere Völkerrechtler,jedoch ohne eine klärende Begründung.138

Gestützt auf philosophische und epistemologische Erkenntnisse, könnte die Begründung wie folgt lauten: Wie das Individuum Willensautonomie als Bestandteil seiner Identität besitzt, so verfügt auch jeder souveräne Staat über eine Willensselbständigkeit.
Deswegen kommt die Verschmelzung derartiger Identitäten nicht in Frage.
Diese theoretische Konzeption besitzt zwar durch jahrelange Grundlagenforschung einen gewissen Reifegrad, stützt sich jedoch nicht in jedem Falle auf ein solides philosophisches und epistemologisches Fundament. Erst durch die vorliegende Studie über eine mögliche Interessentheorie ist dem Autor die philosophisch-epistemologische
Dimension der Interessenproblematik bewusst geworden. Es ist erneut gezeigt worden, dass die Transdisziplinarität zu einer erheblichen Erweiterung des Forscherhorizonts zu führen vermag. Andernfalls besteht tatsächlich die große Gefahr, im eigenen Saft zu
schmoren, wie dies bei dem rechtspositivistischen Mikrokosmos üblich ist.

Auch bei der weiterentwickelten internationalen Normbildungstheorie wird von den Bedürfnissen (materiellen und ideellen) der Staaten als der wichtigsten Völkerrechtssubjekte
und Hauptakteure in den internationalen Beziehungen ausgegangen. Auf der Grundlage dieser Prämisse erfolgt bei den Staaten die sinnliche Wahrnehmung im Sinne der Widerspiegelung bestimmter Objekte, Angelegenheiten etc. Die Staaten bringen danach das Wollen auf, auf der Basis der Vernunft und vermittels des Verstandes die Nützlichkeit (Nutzen, Vorteil) dieses Objektes, d. h. ihr eigenes Interesse zu erkennen. Dabei erstreckt sich die Erkenntnis auch auf die wichtigsten Interessenkategorien in den internationalen Beziehungen wie die parallelen, die gemeinsamen, die sich kreuzenden (berührenden) sowie die gegensätzlichen Interessen. Wenn in etwa gleichzeitig mehr als zwei Staaten einen solchen Erkenntnisstand erreicht haben, konkretisiert sich ihre Erkenntnis durch die Regelungs- (oder Normierungs-) notwendigkeit,-würdigkeit und -möglichkeit der in Erwägung gezogenen Fragen. Hierüber entsteht zumindest gnoseologisch ein allgemeiner Consensus. Hierdurch wird das allgemeine Verhalten der Staaten beeinflusst. Gerade hierauf stützt sich die Bereitschaft, die Interessenfrage einer Regelung zuzuführen. Es muss aber zwischen den unterschiedlichen Interessenkategorien differenziert werden. Gegensätzliche Interessen führen in der Regel zu einem Interessenausgleich, der in der völkerrechtstheoretischen Figur der Willensübereinstimmung Ausdruck findet (z. B. durch einen Vertrag).139 Bei den parallelen Interessen wiederum besteht prinzipiell die Möglichkeit der Umwandlung in gemeinsame Interessen, durch beiderseitiges Erkennen als konsensuale Interessenlage die Qualität von übereinstimmenden Interessen erreichen. Dies ist dann der Ausgangspunkt für die Willensübereinstimmung in Form eines konkreten Dokuments. Während aber das Interesse subjektive sowie objektive Elemente aufweist, besitzt der Wille einen nur subjektiven Charakter. Im Verlaufe der Realisierung der angenommenen Dokumente kann es mitunter zur Herausbildung neuer Interessenlagen bei den Teilnehmern kommen, die zu unterschiedlichen Interpretationen oder sogar zu Vertragsverletzungen
führen können. In diesem Falle geht es im Wesentlichen um das Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip Pacta sunt servanda und der Spezialnorm Clausula rebus sic stantibus.140

Schlussfolgerungen, Erkenntniszuwachs

1. Die gesamte Studie stützt sich in methodologischer Hinsicht auf den konfuzianischen Grundsatz „Sowohl – Als auch“, der sich durch Logik und Dialektik auszeichnet.
2. Interesse (Sympheron) bedeutet seit ca. 2500 Jahren dem Wesen nach Nutzen,
Nützlichkeit, Vorteil.

3. Das Interesse ist dem Wesen nach eine Erfindung realistisch und materialistisch denkender europäischer Philosophen. Die idealistischen Philosophen kamen erst im 18./19. Jh. hinzu.

4. Das Interesse ist die entscheidende Triebkraft der menschlichen Handlungen. Die Erzielung des Vorteils ist ein treibendes Motiv des Menschen als Gattungswesen.

5. Die Nutzens- bzw. Vorteilsrealisierung vermag, Glückseligkeit zu schaffen. Daher ist
das Interesse Grundlage des Eudämonismus (Glückseligkeit) und des Hedonismus (Lust, materiell und ideell).

6. Das Nützlichkeitsdenken ist jedem  Menschen immanent. Deswegen erfolgt seine Realisierung grundsätzlich individuell und ist Ausdruck der Autonomie des Individuums.

7. Die Realisierung des eigenen Interesses auf Kosten der Mitmenschen und der Gesellschaft ist egoistisch und daher amoralisch.

8. In der Gesellschaft geht es sowohl um den Vorteil des Individuums als auch der ganzen Gesellschaft. Die Interessenrealisierung erfolgt in erster Linie auf der Grundlage
der Verfassung als Ausdruck des Interessenausgleichs der Bürger.

9. Die Vorteilsmaximierung führt in eudämonistischem Sinne zu Glückserhöhung. Sie ist nicht egoistisch, sondern höchstens individualistisch.

10. Die Vorteilsmaximierung zum Wohle der ganzen Gesellschaft im Sinne des Commune bonum – Gedankens entspricht der Moral.

11. Das Interesse (Nutzen, Nützlichkeit, Vorteil) wird von den Akteuren zuerst registriert
(Wahrnehmung, Abbild, Widerspiegelung) und erkannt (Erkenntnis). Dazu bedarf
es des Wollens (Wille) und des Verstandes. Dies erfolgt auf der allgemeinen Grundlage der Vernunft (ratio).

12. Die menschliche Vernunft wird durch Interessen definiert. Die Vernunft bedeutet das Begreifen der Welt durch den Menschen als Gattungswesen, der Verstand hingegen
bezieht sich auf das Verstehen im konkreten Fall.

13. Das Interesse hat zwei Seiten: eine subjektive und eine objektive. Beide Seiten bedingen sich dialektisch gegenseitig. Die Trennung im „subjektive“ und „objektive“
Interessen ist weder dialektisch noch überzeugend.

14. Bedürfnisse, Interesse, Wahrnehmung, Vernunft, Verstand, Wille, Erkenntnis und
Verhalten stellen ein gnoseologisches System dar. Die Wechselbeziehungen
zwischen den einzelnen konstitutiven Elementen des Systems bilden seine Struktur.
Hierdurch erhält das System eine hohe Dynamik, Entwicklungs- und Veränderungsfähigkeit.

15. Das Forscherglück ist eine besondere Ausdrucksform des Eudämonismus (Erkenntnis- Glück) und des Hedonismus (Erkenntnis als höchste Form der Lust im Sinne des Genießens).

16. Die Interessenproblematik ist mit dem Staat als souveräne Einheit sowie als Völkerrechtssubjekt/Hauptakteur in den internationalen Beziehungen zu sehen.
Grundlage hierfür sind die drei Elemente des Staates: Gebiet, Bevölkerung, Herrschaftsausübung.

17. Die mit den drei Staatselementen verbundenen Interessen sind grundlegend, originär, existenziell, vital und die höchsten. Sie sind für den Staat „identitätsstiftend“ und „identitätssichernd“. Bei diesen Interessen machen die Staaten keine Kompromisse.

18. Das wichtigste Merkmal der legitimen Interessen ist ihre Entsprechung mit den grundlegenden Völkerrechtsprinzipien. Dies ist ein Gegenstand der Völkerrechtsdogmatik.

19. Die Menschheitsinteressen (Nutzen, Nützlichkeit, Vorteil für die gesamte Menschheit) stellen in den internationalen Beziehungen die höchste Interessenkategorie dar. Sie sind Maßstab und Kriterium für alle anderen Interessenkategorien.

20. Die Menschheitsinteressen sind in enger Verbindung mit den globalen Herausforderungen der Menschheit, speziell in der Epoche der Globalisierung, Ausdruck von Bedürfnissen, Nutzen, Allgemeinwohl und Glück der gesamten Menschheit.

21. Die Menschheitsinteressen sind in Gestalt ihrer völkerrechtsphilosophischen Widerspiegelung im Sinne des Commune bonum humanitatis eine besondere Äußerungsform der allgemeinmenschlichen und universellen Vernunft einer Ratio humanitatis universalitatis, sogar eines Ius rationis humanitatis universalitatis.

22. Die egoistische Interessendurchsetzung, d. h. Durchsetzung auf Kosten der anderen
Staaten, richtet sich in der Regel gegen das Völkerrecht. Werden sie auf Kosten der gesamten Menschheit durchgesetzt, dann widersprechen sie der allgemeinmenschlichen und universellen Vernunft.

23. Die Anwendung des utilitaristischen Liberalismus in den internationalen Beziehungen schuf die internationale Variante des Homo oeconomicus. Der Siegeszug des
utilitaristischen Neoliberalismus in der Epoche der Globalisierung schuf eine zutiefst pervertierte Form des Menschen,, den Homo oeconomicus perversus.

24. Die parallelen Interessen der Staaten sind auf ähnliche Bedürfnisse, Wahrnehmungen, Vorteilsvorstellungen, Willensbereitschaft, Verstandeskapazität sowie auf ähnliche Erkenntnisfähigkeit der Akteure zurück zu führen. Die parallelen Interessen
sind auf das gleiche Objekt gerichtet; zwischen ihnen gibt es keinerlei Berührung; sie führen daher zu keinen Ergebnissen.

25. Bei den gemeinsamen Interessen verläuft ein ähnlicher Prozess ab (Bedürfnisse, Wahrnehmung, Wollen, Verstand, Vernunft, Erkenntnis), der gegenseitig und in der
Regel gleichzeitig registriert wird. Dies kann zu Konsultationen, Vorverhandlungen, Verhandlungen und konkreten Ergebnissen führen.

26. Die konkurrierenden (sich berührenden, sich kreuzenden) Interessen sind auf ein Objekt gerichtet und es kommt in der Regel zu einer neutralen Berührung
der Vorteilserwartungen, was zu einer Problemsituation führen kann.
Mögliche Lösungsvarianten: Umwandlung in gemeinsame Interessen, Erzielung eines Interessenausgleichs oder Verzicht auf die Interessenrealisierung oder allmähliche
Umwandlung in konträre Interessen.

27. Die konträren (gegensätzlichen, antagonistischen) Interessen stützen
sich auf extrem unterschiedliche, aufeinanderstoßende Bedürfnislagen, Wahrnehmungen, Verstandeskapazitäten, Erkenntnisfähigkeiten bzw. Erkenntnisqualitäten.
Hieraus ergeben sich konträre Verhaltensmuster. Durch einen Interessenausgleich, vorrangig durch vertragliche Regelung, kann eine Problemlösung herbeigeführt werden.

28. Das Völkerrecht als internationale Rechtsordnung ist , allgemein betrachtet, das Ergebnis der Koordinierung sowie des Ausgleichs der Staateninteressen.

29. Der internationale Normenbildungsprozess (INBP) weist eine relativ lange Kette auf:
Bedürfnisse, Wahrnehmung, Wollen, Vernunft, Verstand, Erkenntnis, (allgemeines) Verhalten. Wenn mehrere Staaten das Interesse (Nutzen, Nützlichkeit, Vorteil) sowie die Regelungsnotwendigkeit, Regelungswürdigkeit und Regelungsmöglichkeit erkennen, liegt in gnoseologischer Hinsicht ein Consensus generalis oder sogar ein Consensus omnium vor.

30. Es ist zwischen den unterschiedlichen Interessenarten zu differenzieren: Bei den
gegensätzlichen Interessen kommt es zu einem Interessenausgleich, der in der
völkerrechtstheoretischen Figur der Willensübereinstimmung (Vertrag) seinen
Ausdruck findet. Parallele Interessen können in gemeinsame Interessen umgewandelt werden.
Durch mehrseitiges Erkennen als konsensuale Interessenlage erlangen
die gemeinsamen Interessen die Qualität von übereinstimmenden Interessen. Sie wiederum werden in der Figur der Willensübereinstimmung ausgedrückt. Dabei besitzt der Wille nur subjektiven Charakter. Deswegen kann es weder „identische Interessen“ noch eine „Willensidentität“ geben.

31. Für die Verträge gilt das Prinzip Pacta sunt servanda. Gehen die Interessenlagen auseinander, dann besteht grundsätzlich die Anwendungsmöglichkeit der Clausula
rebus sic stantibus in der modernen Formulierung „Regel der grundlegenden
Veränderung der Umstände“. Es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem
Prinzip Pacta sunt servanda und der Regel Clausula rebus sic stantibus.

 

Anmerkungen

 

1 P. Terz, Zur Bedeutung der Norm der grundlegenden Veränderung der Umstände in den internationalen
Vertragsbeziehungen und zu ihrem Verhältnis zum Prinzip Pacta sunt servanda (Ein Beitrag
zur Theorie des völkerrechtlichen Vertrages), Habilitationsschrift, vert. 1975, Universität Leipzig.
2 Id.: Das Problem der Interessen in den zwischenstaatlichen Vertragsbeziehungen, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Leipzig, 1/1976, S.37-43; Zu der Interessen- und Willensproblematik in den Vertragsbeziehungen, in: Przeglad Stosunkow Miedzynarodowych, 2/1978, S. 121-127 (in Polnisch); Interessendurchsetzung und Friedenswahrung, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin (Sondernummer: Völkerrecht als Friedensordnung), 2/1990, S. 194-197.
3 Id., Die Polydimensionalität der Völkerrechtswissenschaft oder Pro scientia lata iuris inter gentes, in: Archiv des Völkerrechts, 4/30/1992, S. 442-481.
4 Id.: Die Völkerrechtssoziologie, Versuch einer Grundlegung in den Hauptzügen, Defensio scientiae iuris inter gentes, in: Papel Politico, 1/11/2006, pp. 250-303 (hier pp. 273/274); P. Terz/E. Pastrana, El Derecho Internacional al despuntar el Siglo XXI,Un punto de vista sociologico del Derecho Internacional. Ad Defensionem Iuris inter Gentes, in: Papel Palitico, 2/12/2007, pp. 535-564 (hier pp. 546-551).

5 Diese Position ist vom Autor zum ersten Mal in Auseinandersetzung mit Samuel Huntingtons seltsamen, ja absurden These vom The Clash of Civilizations (New York 1996) erarbeitet worden.
6 Vgl. G. Lunk, Das Interesse, 2 Bände, Band 1, Leipzig, 1927, S. 8.
7 Vgl. H. Neuendorff, Der Begriff des Interesses, Eine Studie zu den Gesellschaftstheorien von Hobbes, Smith und Marx, Frankfurt/M., 1973, S. 10.
8 Vgl. O. Schwemmer, Stichwort, Interesse in: Enzyklopädie, Philosophie und Wissenschaftstheorie, (hrsg. von Jürgen Mittelstraß), Band 2, Stuttgart/Weimar, 2004, S. 268.
9 Vgl. in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe (Hrsg. H. Krings et alt.), Band II, München, 1973, S. 740 sowie W. P. Eichhorn, Stichwort, “Interessen”, in: Philosophisches Wörterbuch (hrsg von G. Klaus und M. Buhr), Band 1, Leipzig, 1969, S. 534.
10 Vgl. in: Langenscheidts Taschenwörterbuch, Altgriechisch, Berlin et alt., 1990, S. 402.

11 „Die unterschiedlichen Ansichten zwischen den Menschen beziehen sich nicht auf das politische System, sondern auf die Privatinteressen jedes Einzelnen“, Quelle: Xap. ,1989, S. 95 (559).
12 Vgl. R. Müller, Das Menschenbild der sophistischen Aufklärung, in: id. (Hrsg.), Der Mensch als Maß der Dinge, Berlin 1976, S. 252, 255 sowie id., Menschenbild und Humanismus in der Antike, Leipzig, 1980, S. 339, 458. Für Protagoras ist außerdem der Nutzen weder subjektiv noch allgemeinmenschlich, sondern konkret.
13 Nach K. Böttcher et alt., Geflügelte Worte, Leipzig 1988, S. 57 (270).
14 Die Übersetzung durch Jörg Milbradt scheint korrekter zu sein: „Der Nächste – das bin ich mir, nicht der andere“. Terenz, Drei Komödien, hier „Das Mädchen von Andros“ (Zweiter Akt), Leipzig,1973, S. 29.
Im Allgemeinen ist nicht so sehr bekannt, dass solche Gedanken viel älter sind. So ließ
z. B. der Tragiker Sophokles in dem „Aias“ den Heerführer Agamemnon zu Odysseus sagen: „ So geht es immer: jeder müht sich nur für sich“. In: Sophokles, Aias, König Ödipus, Philoktet (Übers. von R. Schottlaender), Leipzig, 1977, S. 505 (Vers 135 ff.). Der andere große Tragiker Euripides legt in der „Medeia“ dem Erzieher der Kinder Medeias folgende Worte in den Mund, gerichtet an die Amme: „…Das siehst du jetzt erst ein: Es liebt sich jeder selbst mehr als den Nächsten…“. In: Euripides, Dramen (Alkestis, Medeia, Hippolytos, Hekabe, Die Hilfeflehenden), Übers. D. Ebener,Leipzig, 1976, S. 53 (Vers 63 ff.).
15 So schrieb Antiphon: „Und die Bestimmungen der Staatsgesetze sind das Ergebnis von gegenseitiger Übereinkunft, nicht aber gewachsen“. In: Die Vorsokratiker, Übers. W. Capelle, Berlin, 1961, S. 376.
16 Vgl. R. Müller, Antike Gesellschaftstheorie, in: F. Jürß (Hrsg.), Geschichte des wissenschaftlichen Denkens im Altertum, Berlin, 1982, S. 338 ff.
17 Vgl. R. Müller, Antike Gesellschaftstheorie, in: F. Jürß (Hrsg.), Geschichte des wissenschaftlichen Denkens im Altertum, Berlin, 1982, S. 338 ff.
18Vgl. R. Müller (Anm. 12), S. 252.
19 In: Griechische Atomisten, ibid., S. 291.
20 Hauptlehrsatz 23: „Jede Freundschaft ist um ihrer selbst willen zu wählen. Ihren Ursprung hat sie freilich im Nutzen“. Ibid., S. 296.
21 Fragmente, L 3: „Die Kunst ist eine Methode, die für das Leben das Nützliche schafft“, Scholion zu Dionysios Thrax, BAG S. 649, 26. Ibid., S. 306.
22 Hauptlehrsatz 29: „In aller Offenheit möchte ich lieber als Erforscher der Natur allen Menschen sagen, was ihnen nützt …“. Ibid., S. 296.
23 Vgl. F. Jürß, Griechische Weltanschauung und Philosophie, in: id. (Anm. 16), S. 391.
24 In: Griechische Atomisten (Anm. 18), S. 308. Der Eudämonismus (Glückseligkeit) ist eine „ethische Lehre, nach der das eigentliche Motiv, letzte Ziel und sittliche Kriterium des menschlichen Handelns die Glückseligkeit ist.“ Vgl. M. Buhr, Stichwort „Eudämonismus“, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 9), S. 346. Der Eudämonismus ist keine „Abwandlung des Hedonismus“, wie irrtümlicher Weise behauptet wird. So z. B. H. Wienold/O. Rammstedt, Stichwort „Hedonismus“ in: Lexikon zur Soziologie, hersg. von W. Fuchs-Heinritz et alt., Opladen, 1995, S. 269.Vgl. M. Buhr, Stichwort „Hedonismus“, in: Philosophischen Wörterbuch, ibid., S. 471 Vgl. J. Mittelstraß, Stichwort „Hedonismus“, in : Enzyklopädie (Anm.8), Band 2, S. 47.
25 In: Griechische Atomisten, ibid., S. 284.
26 Ibid., S. 306.
27 Vgl. F. Jürß (Anm. 23), S. 390
28 Vgl. R. Müller, Die Epikureische Gesellschaftstheorie, Berlin, 1972, S. 64

29 In: Griechische Atomisten, ibid., S. 291.
30 P. T. D. Holbach, System der Natur oder von den Gesetzen der physischen und der moralischen Welt (Übers. aus dem Französischen), Erster Teil, 15. Kapitel, Berlin, 1960, S. 229.
31 Weiter deckte Karl Marx auf: „Holbachs Theorie ist also die historisch berechtigte Illusion über die eben in Frankreich aufkommende Bourgeoisie, deren Exploitationslust noch ausgelebt werden konnte als Lust an der vollen Entwicklung der Individuen in einem von den feudalen Banden befreiten Verkehr“. Zit. Nach: M. Buhr, Stichwort „Utilitarismus“, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 9), Band 2, S. 1110.
32 C. A. Helvetius, Werk vom Menschen (Übers. aus dem Französischen), Band I, Breslau, 1774, S. 247.
33 Vgl. O. Schwemmer, Stichwort „Interesse“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), S. 268.
34 Vgl. id., S. 269.
35 Vgl. Ähnlich R. Dubischar, Einführung in die Rechtstheorie, Darmstadt 1983, S. 14.
36 Vgl. ebenso J. Mittelstraß (Anm. 24), S. 47.
37 Vgl. auch M. Buhr, Stichwort „Hedonismus“, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 9), Band 1, S. 471.
38 Vgl. O. Schwemmer, Stichwort „Utilitarismus“ in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 4, S. 461.
39 Vgl. H. R. Ganslandt, Stichwort „Bentham“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 1, S. 281.
40 Vgl. B. W. Reimann/H. Wienold, Stichwort „Utilitarismus“, in: Lexikon zur Soziologie (Anm. 24), S. 702.
41 Vgl. H. R. Ganslandt (Anm. 39), S. 281..
42 Vgl. auch Philosophen-Lexikon, Handwörterbuch der Philosophie nach Personen, Hrsg. W. Ziegenfuss / G. Jung, Erster Band, Berlin, 1949, S. 101.

43 In: Klassiker der Staatsphilosophie, Ausgewählte Texte (hrsg. von A. Bergstraesser und D.
Olerndörfer), Stuttgart, 1962, S. 139 ff.
44 Vgl. H. Poller, Die Philosophen und ihre Gedanken, Ein geschichtlicher Überblick, Freiburg, 2005, S. 299.
45 Vgl. J. Mittelstraß (Anm. 24), S. 47.
46 Vgl. B. W. Reimann/H. Wienold (Anm. 40), S. 702.
47 Vgl. R. Dubischar (Anm. 35), S. 15.
48 Insgesamt gibt es die folgenden Eudämonismus-Arten: a) hedonistischer E.: dauerhafte Lust (Epikur, J. Locke, J. Bentham); b) aretologischer E.: tugendhaftes Leben (Sokrates, Platon, Aristoteles, Stoa); c) ontologischer E.: vollständige Bedürfnisbefriedigung (Augustinus, Thomas von Aquin); d) voluntaristischer E.: Erfüllung menschlichen Strebens und Wollens als geeignetes Mittel zur Glückserlangung. e) egoistischer E.: eigenes Glück auf Kosten anderer Menschen; f) altruistischer oder sozialer E.: Glück anderer Menschen als oberstes Ziel des Handelns. Das gehört wohl in die Welt der großen Illusion. Vgl. M. Gatzemeier, Stichwort „Eudämonismus“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 1 S. 600. Nach Aristoteles bewirkt im Allgemeinen das geistige Leben das intensivste, das
eigentliche Glück gemäß der Arete (Tugend). Vgl. M. Simon, Die Aristotelische Gesellschaftstheorie, in: R. Müller (Anm. 12, S. 354/355.
49 In: Die Vorsokratiker, übers. und hrsg. von M. Hackermann, Köln, 2007.
50 In: Griechische Atomisten (Anm. 18), S. 368. Porphyrios war Vertreter des Neuplatonismus. Vgl. Lexikon der Antike (hrsg. von I. Irmscher), Leipzig, 1987, S. 464.
51 Langenscheidts Taschenwörterbuch, Altgriechisch, Berlin et. Alt., 1990, S. 394. Es muss allerdings konstatiert werden, dass auch Denkkraft (Verstand) und Geist bedeutet.
52 Benselers Griechisch-Deutsches Wörterbuch, Leipzig, 1981, S. 539.
53 K. E. Georges, Kleines Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Leipzig, 1890, S. 2157. Es werden auch andere Wörter erwähnt: Denkvermögen, Klugheit, Vernunftmäßigkeit, Vernünftigkeit.
54 Beispielsweise J. Mittelstraß, Stichwort „Vernunft“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 4, S. 518.
55 Vgl. auch O. Schwemmer, Stichwort „ratio“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 3, S. 462.
56 Ibid. (Anm. 51), S. 116 sowie ibid. (Anm. 52), S. 179.
57 Ibid. (Anm. 53), S. 1325. Der Terminus „Intellectus“ ist eine Sprachschöpfung der mittelalterlichen Philosophie. Vgl. R. Wimmer, Stichwort „Intellectus“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 2, S. 254.
58 Vgl. M. Buhr, Stichwort „Vernunft“, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 9), Band 2, S. 1125.
59 Vgl. O. Rammstedt, Stichwort „Vernunft“, in: Lexikon zur Soziologie (Anm. 24), S. 716.

60 Vgl. O. Schwemmer, Stichwort „Interesse“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 2, S. 271.
61 J. Mittelstraß, Stichwort „Vernunft“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 4, S. 518.
62 Vgl. ähnlich C. F. Gethmann, Stichwort „Verstand“, in: Enzyklopädie, Band 4, S. 528.
63 Vgl. ebenso. O. Rammstedt (Anm. 59), S. 716.
64 M. Buhr (Anm. 58), S. 1125.
65 Vgl. O. Rammstedt, Stichwort „Verstand“, in: Lexikon zur Soziologie (Anm. 24), S. 720.
66 Vgl. M. Buhr, Stichwort „Verstand“, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 58), Band 2, S. 1125.
67 Vgl. O. Rammstedt, ibid., S. 720.
68 Vgl. J. Mittelstraß, Stichwort “Common sense”, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 1, S. 409.
69 I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Leipzig, 1978, S. 271.
70 Zit. nach: C. F. Gethmann, ibid., S. 530.
71 Vgl. O. Schwemmer, Stichwort „Interesse“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 2, S. 268.
72 Zit. nach: M. Buhr (Anm. 58), S. 1124.
73 Vgl. ibid., S. 1124.
74 Vgl. O. Schwemmer (Anm. 71), S. 268-270. Der Begriff „Vernunftinteresse“ ist von F. Kambartel eingeführt wurden. Vgl. G. Wolters, Sichtwort „Vernunftinteresse“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 4, S. 524. Kant definiert das Interesse in Verbindung mit der Vernunft wie folgt: „Interesse ist das, wodurch Vernunft praktisch, d.i. eine den Willen bestimmende Ursache wird“. I. Kant (Anm. 69), S. 280.
75 In: Die Vorsokratiker (Anm. 49), S. 158.
76 Vgl. ähnlich A. Kosing, Stichwort „Erkenntnistheorie“, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 8), Band 1, S. 317.
77 Vgl. J. Mittelstraß, Stichwort „Erkenntnis“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 1, S. 575.
78 Vgl. K. Lorenz, Stichwort “Diskursivität“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 1, S. 492.
79 Vgl. G. Wolters, Stichwort „Intuitive Erkenntnis“, in Enzyklopädie (Anm. 8), Band 2, S. 285.
80 Vgl. M. Buhr, Stichwort „Intuition“ in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 8), Band 1, S. 539.
81 Vgl. R. Klima, Stichwort „Erkenntnis“, in :  Lexikon der Soziologie (Anm. 24), S. 178.
82 Vgl. G. Klauss, Stichwort „Abbildtheorie“, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 8), Band 1, S.
32/33. Die Abbild- oder Widerspiegelungstheorie ist Kernstück der dialektisch-materialistischen Dialektik: „Das erkennende Subjekt erzeugt im Erkenntnisprozess vermittels der analytisch-synthetischen Nerventätigkeit ideelle Abbilder der Objekte in anschaulich-sinnlicher Form (Empfindungen und Wahrnehmungen) und in abstrakt-logischer Form (Urteile und Begriffe). Vgl. ibid., S. 315.
83 Vgl. C. F. Gethmann, Stichwort „Erkenntnisinteresse“, in : Enzyklopädie (Anm. 8), Band 1, S.576.
84 Vgl. O. Schwemmer, Stichwort „Interesse“, in: Enzyklopädie (Anm. 8), Band 2, S. 271.
85 Vgl. id., S. 270.
86 Vgl. id., S. 270.
87 So beispielsweise J. Mittelstraß, Über Interessen, in: id. (Ed.), Methodologische Probleme einer normativ-kritischen Gesellschaftstheorie, Frankfurt 1975, S. 126 ff.
88 Kleines Politik-Lexikon, hrsg. von C. Lenz/N. Ruchlak, München 2001, S.98.
89 So beispielsweise W. P. Eichhorn, Stichwort „Interessen”, in: Philosophisches Wörterbuch (Anm. 8), Band 1, S. 536/537.
90 Der Brockhaus, Psychologie, hrsg. von der Lexikon-Redaktion des Verlages, Mannheim/Leipzig, 2001, S. 277.
91 Vgl. K. Deutsch, Analyse internationaler Beziehungen (Übers. aus dem Englischen von „Analysis of International Relations“), Frankfurt/M. 1968., S. 77.
92 So R. Lautmann, Stichwort „Nutzen“, in: Lexikon zur Soziologie (Anm. 24), S. 469.
93 K. Deutsch, ibid., nennt die Ökonomie, die Religion, die Ideologie und die Werte, S. 79.

94 Vgl. P. Terz, Die Völkerrechtssoziologie, Versuch einer Grundlegung in den Hauptzügen. Defensio Scientiae Iuris inter Gentes, in: Papel Politico, 1/11/2006, pp. 259 – 303 (hier pp. 276 ss).
95 Id., S. 274 – 278.
96 Stellvertretend für mehrere vgl.: vor allem E. D. Götz, Die völkerrechtlich geschützten Staatsinteressen, Dissertation, Würzburg, 1967, S. 40 – 42 („primäre“ und „sekundäre“ Interessen); W. Wengler, Prolegomena zu einer Lehre von den Interessen im Völkerrecht, in: Die Friedenswarte, 2/50/1950, S. 109, 111, 115 („finale“ und „modale“, „konstante“ Interessen) sowie„) A. Bleckmann, Die Funktionen der Lehre im Völkerrecht, Materialien zu einer Allgemeinen Methoden- und Völkerrechtslehre, Köln et alt. 1981, S. 204/205 („Individualinteressen“, „Gruppeninteressen“,„Allgemeininteressen“). Schon im 18. Jh. gab es Versuche, eine Interessen-Typologie zu erstellen: D. Diderot, Philosophische Schriften, hrsg. von Th. Lücke, 1. Band, Berlin 1961, S. 391 („Sagt man: Das Interesse eines Individuums, einer Körperschaft, einer Nation; mein Interesse, das Interesse
des Staates, ihr Interesse, dann bedeutet dieses Wort das, was dem Staat, der Person, mir usw.
zukommt“), Artikel aus der „Enzyklopädie über Philosophie und Moral“; S. Pufendorf, Einleitung zu der Historie der vornehmsten Reiche und Staaten, so itziger Zeit in Europa sich befinden, 1682, Band 1, Frankfurt 1684, S. HH („imaginarium“ und „verum“ Interesse).
97 Vgl. ähnlich J. Frankel, Nationales Interesse, München 1972 (Original: „National Interest“, London 1970), S. 77 – 79. Nach Frankel geht es um die „Erhaltung des lebenswichtigen Kerns“. Die Staaten sind nicht bereit, Konzessionen zu machen. Vgl. ebenso D. Schwarzkopf, Atomherrschaft, Politik und Völkerrecht im Nuklearzeitalter, Stuttgart-Degerloch, 1969, S. 93, 158. Er spricht von einem „primären vitalen Interesse“, wenn es sich um „die Erhaltung der eigenen Substanz“ handelt.

98 Text in: Völkerrecht, Dokumente (bearb. von P. Morgenstern), Teil 3, Berlin 1980, S. 1077.
99 Text in: ibid., S. 790.
100 So beispielsweise der österreichische Vertreter im UN-GV-Rechtskomitee am 2. 11. 1981
im Zusammenhang mit der Anwendung des Consensus-Verfahrens in UN-Organen (A/C.6/36/SR.38).
101 So beispielsweise M. Schmidt/W. Schwarz, Neue Anforderungen an Sicherheitsdenken und Sicherheitspolitik, in: IPW-Berichte 9/1986, S. 10/11. Die Autoren unternehmen den misslungenen Versuch, die „legitimen Interessen“ zu charakterisieren: Sie dürfen nicht auf Kosten anderer Staaten sein; sie müssen einen Beitrag zur Lösung der Überlebensfragen der Menschheit leisten; Durchsetzbarkeit ausschließlich mit friedlichen Mitteln; Einbettung in eine Sicherheit komplexen Charakters. Sie haben leider ausgerechnet das Völkerrecht nicht beachtet.
102 So beispielsweise H. Cassan, Humanité et développement, en: M. Flory et alt., La formation des normes en droit international du développement, Paris, 1984, p. 197 und A. Bleckmann, Die Völkerrechtsverbindlichkeit der deutschen Rechtsordnung, in: Die Öffentliche Verwaltung, 9/23/1979, S. 315 (Das „internationale Allgemeininteresse“ umfasse „den Schutz bestimmter fremder Interessen“).
103 So im „Vertrag über die Ächtung des Krieges“ (Briand-Kellog-Pakt) von 1928, Text in: Dokumente zur Abrüstung 1917 – 1976 (bearb. von P. Klein), Berlin 1978, S. 105; Isay, Völkerrecht, Breslau, 1924, S. 19; B. Pallieri, Diritto internazionale pubblico, Milano, 1962, pp. 505 ss.
104 Vgl. hier das Werk in der Auflage von 1966, p. 62
105 Vgl. hierzu ausführlicher: P. Terz, Die Völkerrechtsphilosophie. Versuch einer Grundlegung in den Hauptzügen. Pro scientia ethica iuris inter gentes, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 2/86/2000, S. 168 – 184.
106 Diese Formulierung ist zum ersten Mal in dem folgenden Beitrag geprägt worden: Die Völkerrechtstheorie, Versuch einer Grundlegung in den Hauptzügen, Pro Theoria generalis scientiae iuris inter gentes, in: Papel Politico, 2/11/2006, S. 683 – 737 (hier S. 686).
107 Vgl. W. Friedmann (Anm. 104), p.48.
108 R. E. Osgood, Idealismus und Egoismus in der Außenpolitik, in: H. Haftendorn (Hrsg.), Theorie der internationalen Politik, Gegenstand und Methode der Internationalen Beziehungen, Hamburg, 1975, S. 55
109 Vgl. hierzu sehr ausführlich die prägnante und informative Studie: D. Bienen/C. Freund/V. Rittberger, Gesellschaftliche Interessen und Außenpolitik. Die Außenpolitiktheorie des utilitaristischen Liberalismus, Nr., 33 der“Tübinger Arbeitspapiere zur internationalen Politik und Friedensforschung“, Tübingen, 1999, S. 2 – 6, 15, 25/26. In den 30er Jahren des 20. Jh. waren die Untersuchungsergebnisse noch abstrakter und idealistischer. So z. B. H. Kraus, Staatsinteressen im internationalen Leben, in: Internationale Gegenwartsfragen (Ausgewählte kleine Schriften). Nachdruck, Würzburg 1963, S. 53 ff.: Unter „Interesse“ versteht er „zunächst Wertvorstellungen und sodann Werterhaltungs- und Wertverwirklichungswillen“.
110 H. J. Morgenthau, Macht und Frieden, Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik, Gütersloh 1963, S. 50. Es ist kein Zufall, wenn G.-K. Kindermann konstatiert, dass im „Denken der Realistischen Schule“, die „Lehre von den Interessen“ als unabdingbare Ergänzung ihrer „Lehre von der Macht“ sei: Vgl. Hans J. Morgenthau und die theoretischen Grundlagen des politischen Realismus, Einleitung zu: H. J. Morgenthau (ibid.), S. 26.
111 Vgl. sehr zutreffend S.Böckenferde, Zwischen der Durchsetzung nationaler Interessen und der Rolle als globaler Ordnungsmacht. Perpektiven künftiger amerikanischer Militäreinsätze, Berlin 2001, S. 9.
112 Stellvertretend für mehrere seien genannt: J. Kukulka, Probleme der Theorie der internationalen Beziehungen, Moskwa 1980, S. 271; E. A. Posdnjakow, Die Systembetrachtungsweise und die internationalen Beziehungen, Moskwa 1976, S. 121 (beides in Russisch).
113 So E. Fischer-Baling, Theorie der Auswärtigen Politik, Köln/Opladen 1960, S. 18.
114 Duden, das große Fremdwörterbuch, Mannheim/Leipzig et alt., 2000, S. 992/993.
115 So weit war bereits H. Kraus (Anm. 109), S. 53. Ihm folgen E. D. Götz (Anm. 96), S. 76 sowie indirekt G. Birkás, Das Staatsinteresse als Grundlage des Völkerrechts, Berlin, 1933, S. 75.
116 Thukydides, Geschichte des peloponnesischen Krieges, (übers. von Th. Braun, Erstes Buch, Kap. 124, Leipzig 1964, S. 92.
117 Vgl. ähnlich auch P. Cartledge, Thukydides, 2.500 Jahre alt und doch ein Zeitgenosse, in:
UNESCO-Kurier, 3/1990, S. 18.
118 Rede im Internet: www.tagesschau.de/multime dia/video/video 438452.htme.
119 A. P. Sereni, Diritto Internazionale, II, Organizzazione Internazionale, Milano, p. 773.
120 Vgl. G. Morelli, Nozioni di diritto internazionale, Padova 1963, 1967, pp. 1 – 6.

121 Duden, Das große Fremdwörterbuch, Mannheim/Leipzig et. alt., 2000, S. 593.
122 So beispielsweise G. Morelli (Anm. 120), p. 772 und F. C. Iklé, Strategie und Taktik des diplomatischen Verhandelns (Übers. von „How Nations Negotiate“, New York 1964), Gütersloh 1965, S. 43.
123 M. Virally wies bereits Mitte der 80er Jahre auf „sich kreuzende Interessen“ zwischen den USA und der damaligen UdSSR auf den Weltmeeren, auf ökonomischem, politischem und auf dem Handelsgebiet hin. Vgl. Panorama du Droit International Contemporain (Académie de Droit International), Dordrecht et alt., p. 39.
124 Das Völkerrecht vermag nach H. Lauterpacht gegensätzliche Interessen auszugleichen und zu regeln. Vgl. Privat Law sources and analogies of International. Law, London 1927, p. 31. Vgl. weiter ähnlich H. Neuhold, Abgrenzungen, Strukturmerkmale und Besonderheiten der Völkerrechtsordnung, in: H. Neuhold et alt. (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, 1, Wien 1983, S. 5.

125 Stellvertretend für mehrere seien nur die folgenden erwähnt: P. Heck, Interessenjurisprudenz, Tübingen 1933; J. Edelmann, Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz, Bad Homburg, 1967.
126 Vgl. R. Dubischar, Einführung in die Rechtstheorie, Darmstadt, 1983, S. 17/18.
127 Id., s. 18.
128 So W. Sauer, Einführung in die Rechtsphilosophie für Unterricht und Praxis, Berlin 1954, S.19.
129 Vgl. H. Klenner, Vom Recht der Natur zur Natur des Rechts, Berlin 1984, S. 151 – 153.

130 Sehr überzeugend Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, München/Berlin, 1977, S.315.
131 Vgl. beispielsweise: W. Wengler, Prolegomena (Anm. 96), S. 108 (der Gestaltung der Normen liegen menschliche Interessen zugrunde, die „auf dem Wege über die positiven Rechtsnormen Befriedigung suchen“). Im Prinzip kann man dieser Auffassung zustimmen, obwohl eine überzeugende Begründung fehlt. Bereits Mitte des 18. Jh. wurde die Meinung vertreten, dass nicht „ein Natur- und Völkerrecht oder ein Jus publicum universale“, sondern die „Wissenschaft vom Interesse“ für die zwischenstaatlichen Beziehungen entscheidend sei. Vgl. J. J. Schmaußens, Die Historie der Balance von Europa, Leipzig, 1741, Aus der Vorrede. M. Boss richtet sich gegen die Überbewertung des Interesses im Völkerrecht und weist wohl rechtspositivistisch eher auf den Willen der Staaten hin. Vgl. Positiv International Law, in: Netherlands International Law Review, 1/XXIX/1982, p. 13.
132 M. Virally beschränkt sich auf die politischen Interessen. Nach seiner Meinung vermag jedoch das Völkerrecht nicht die gesamte politische Ordnung zu erfassen, die ohnehin ihre eigenen „Spielregeln“ besitzt. Vgl. Panorama (Anm. 123), pp. 30 – 33. Ähnlich geht W. Wengler vor: „Damit ist der Vorbehalt des Politischen gegenüber dem Rechtlichen zunächst als ein Werkzeug der besonderen Interessen – der Staaten… erkannt“. Vgl. Der Begriff des Politischen im internationalen Recht, in: Staat und Recht 189/190/1956, S. 33 – 35.
133 Dies ist der Fall bei vielen ehemals sowjetischen Völkerrechtlern. Stellvertretend für mehrere seien genannt: D. B. Lewin. Das Völkerrecht, die Außenpolitik und die Diplomatie, Moskau 1981, S.122; G. W. Ignatenko/D. B. Ostapenko (Hrsg.), Völkerrecht, Moskwa 1978, S. 30; J. G. Barsegow, Völkerrechtliche Aspekte der globalen Probleme der Gegenwart, in: Sowjetskoje gossudarstwo y prawo, 6/1983, S. 83 (alle drei Quellen in Russisch).
134 Vgl. beispielsweise P. Terz, Der Normbildungsprozess in den internationalen Beziehungen und speziell in Völkerrecht, in: Methodologie der Rechtswissenschaft, 12/1982 ), S. 281; id., Die Normbildungstheorie (Eine völkerrechtsphilosophische, völkerrechtssoziologische und völkerrechtstheoretische Studie, 9/XXXIV, Acta Universitatis Szegediensis, Szeged 1985; id., For a modern theory of the creation of norms in the nuclear-cosmic era, in: Pax-Jus-Libertas, Misc. in hon. D. S. Constantopuli, Vol. B., Thessaloniki 1990, p. 1163.
135 P. Terz, Cuestiones teóricas fundamentales del proceso de formación de las normas internacionales, Cali 1989, vor allem pp. 81 – 85.

136 Id., pp. 65 – 71.
137 Die folgenden Völkerrechtler waren in erster Linie Vertreter dieser These: H. Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, Leipzig 1899, S. 26, 45, 50, 64 ff., 75, 82; K. Binding, Die „Vereinbarung“ , Ihr Begriff – ihre schöpferische Kraft; Zum Werden und Leben der Staaten, München/Leipzig 1920, S.215, 217; D. Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts, Band 1, Berlin/Leipzig 1929, S. 31, 38 ff.
138 G. Morelli kritisiert an der Gemeinwille-These die Ungeeignetheit, ein einheitliches Völkerrechtssystem aufzubauen. Vgl. Nozioni (Anm. 120), p. 12/13. T. Giehl wirft ihr sogar Mystizismus (“unio mystica”) vor und schätzt ein, dass sie zum Scheitern verurteilt sei. Vgl. The legal Character and Sources of international Law, in: Scandinavian Studies in Law, Vol. I, 1957, p. 59.
139 Vgl. P. Terz (Anm. 106), pp. 683 ss. In diesem Grundsatzbeitrag werden Interesse und Willen als Kategorien der Völkerrechtstheorie aufgefasst.
140 Vgl. hierzu ausführlich: P. Terz, Zu der Abgrenzung der Norm der grundlegenden Veränderung der Umstände von einigen speziellen Bestimmungen der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969, in: Jogtudományi Közlöny, 3/1977, S. 162 – 168 (in Ungarisch); id., Wesen und mögliche Auswirkungen von grundlegenden Veränderungen der Umstände auf die Gültigkeit zwischenstaatlicher Verträge, in: Przeglád Stosunków Miedzynarodowych, 2/1978, S. 121 – 128 (in Polnisch).
 

 

 

 

 

 

 

 

 

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