Islamische Philosophen im Mittelalter

Die Renaissance im Orient oder Ibn Chaldun war nicht der einzige Denkriese

Als die siegreichen Armeen der Araber Ägypten und Syrien erreicht hatten, gab der gebildete und großer Bewunderer der altgriechischen Zivilisation Omar an seine Kämpfer den Befehl, zu sammeln und wenn nötig, zu kaufen alle Schriften der  Philosophen und Wissenschaftler der Junani (Griechen).

Sofort wurde in Damaskus und danach insbesondere in Bagdad  mit der Übersetzung der griechischen Schriften  begonnen. So  fand  bereits im (8.Jh.) die arabische Renaissance des altgriechischen Geistes  (in Europa  erst im 15.Jh.)  statt und hat bis zum 11. Jh. gedauert.

Relativ schnell wurden vielfältige Schulen mit zahlreichen Philosophen errichtet ,. deren Augenmerk auf den Logos (Ratio) sowie auf den Kalam (Dialog) insbesondere in den Schriften des Aristoteles mit dem Ziel gerichtet , eine Verbindung der aristotelischen Logik mit dem islamischen Glauben herzustellen.

Besonders erfolgreich war dabei die rationale Schule „Mutatzila“:  α ) Ablehnung der Ewigkeit des Wortes im Koran. b) Der Koran ist ein menschliches Werk und infolgedessen kann er nicht absolut wahr sein. Der Kalif Al Harun (9. Jh.) erklärte diesetheologische Interpretation zur Staatsideologie. Jedoch die Kalifen nach ihm hatten leider eine ganz andere Einstellung zu diesen Fragen .

In der Philosophie wirkten ausgesprochene Denkriesen, die auch Europa erheblich beeinflusst haben. Folgen seien die wichtigsten genannt:

- Ibn Sinna (Abū Alī al-Husain ibn Abd Allāh Ibn Sinna, in Europa bekannt als Avicenna) , Perser, geb. in Usbekistan, ein Universalgenie (Arzt, Philosoph, Physiker, Jurist, Mathematiker, Musiktheoretiker, Dichter). Sein medizinischer Kanon galt noch im 17.Jh. in Europa als Standard-Werk und wurde an allen europäischen Universitäten gelehrt. Ibn Sina verfasste mehrere gewichtige Kommentare zu Aristoteles. Er hatte große Probleme mit der Obrigkeit und vor allem mit den islamischen Theologen.

-Al Farabi (Abū Nasr Muhammad al-Fārābī, in Europa bekannt als  Alpharabius oder Avenassar), Perser, geboren 872 in Kasachstan, ebenfalls ein  Universalgenie (Philosoph, Theologe, Staatstheoretiker, Kosmologe, Mediziner, Musikwissenschaftler). IM Mittelpunkt seiner philosophischen Studien befand sich das Verhältnis von Glauben und Logos (Vernunft). Für ihn war es sebstverständlich, dass die Vernunft gegenüber dem Glauben Priorität besitzt. Diese Auffasung stieß jedoch auf den Widerstand der Obrigkeit, die unter dem Einfluß  erzkonservativerTheologen stand. Al Farabi  hat  sich veranlasst gesehen, seine Position insofern zu revidieren , als er beide, den Glauben und die Vernunft als gleichwertig betrachtete. Auch diese Auffassung wurde schroff abgelehnt,  diesmal verbunden mit Todesdrohung. Der Philosoph hat nunmehr widerrufen und meinte, dass der Glaube vor der Vernunft Vorrang besitzt. Das erinnert etwas an das Schicksal des Jordano Bruno.

-Ibn Ruschd (Abū l-Walīd Muḥammad bin ʾAḥmad bin Rušd, in Europa bekannt als Averroes). Geboren 1126 in Cordoba (damals im arabischen Spanien) und gewirkt in Marokko, großartiger Mediziner (Enzyklopädie der Medizin) und  vor allem genialer Philosoph. Er war ausgezeichneter Kenner des gesamten Werkes des Aristoteles und verfasste den Großen und den Kleinen Kommentar zum aristotelischen philosophischen Schrifttum. Seine materialistische Interpretation des Aristoteles hat sich in Westeuropa von der Sorbonne ausgehend, ausgebreitet und wurde in der europäischen Philosophie bekannt als Averroismus, der sich gegen die Theologie des Vatikans verwendet wurde.

-Ib Chaldun (Walī ad-Dīn ʿAbd ar-Rahmān ibn Muhammad Ibn Chaldūn al-Hadramī , Tunesier, aber seine Familie stammte aus Sevilla,  geboren 1332, Historiker und Politiker. Sehr guter Kenner des Werkes des Aristoteles.

Sein Augenmerk galt der Weltgeschichte und gerade auf diesem Gebiet hat  Ibn Chaldun die geniale Auffassung vertreten, dass  in der geschichtlichen Entwicklung bestimmte Gesetzmäßigkeiten wirken. Diese Theorie ist auch in Europa  bekannt geworden , Herder hat sie übernommen und sie seinem  Studenten Hegel beigebracht. Später hat Karl Marx sie übernommen und auf ihrer Grundlage den Historischen Materialismus entworfen.

Es gab allerdings auch starke Gegenströmungen extrem konservativer Theologen , die sich auch mit philosophischen Fragen befassten und zugleich die griechische Philosophie ablehnten. Hier seien nur zwei genannt :

-Al Ghasali (Abū Hāmid Muhammad ibn Muhammad al-Ghazālī (in Europa bekannt als  latinisiert Algazel oder Algazelus), Perser geboren 1058 ,  Theologe, Philosoph und Mystiker. Während den  oben erwähnten  Philosophen wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird , gehört Al Ghasali heute   zu den wichtigsten islamischen Theologen.

Er startete seinen Generalangriff  auf den griechischen Logos und seine Vertreter mit der Streitschrift ” Destructio Rationis ! (” Zerstörung der Vernunft“).   Ibn Ruschd reagierte darauf dynamisch mit seiner Streitschrift „Destructio Destructionis Rationis” ( Zertstörung der Zerstörung der Vernunft“) . Einfach formuliert, im Orient flogen die philosophischen Fetzen.

Aber Al Chasali , der ausgezeichnete Beziehungen zu dem Sultan von Ägypten hatte, erklärte das  für die gesamte islamische Welt verhängnisvolle (Citat aus dem Gedächtnis ) Wir brauchen das Wissen der Junani (Griechen ) nicht, denn im heiligen  Koran können wir alle Antworten auf unsere Fragen finden. Danach sorgte er dafür, dass auf den Marktplätzen der Städte in der islamischen Welt Bücher seiner philosophischen Gegner und in erster Linie des Ibn Ruschd verbrannt wurden.  Al Ghasali hatte nunmehr freie Hand und konnte relativ schnell die Mystik in die islamische Theologie einführen und insgesamt hat er die ideologischen Voraussetzungen für den späteren theologischen Fundamentalismus geschaffen. Liberale islamische Gelehrte vertreten die Auffassung , das die Krise und die Rückständigkeit der Islamischen Welt  größtenteils auf die erzkonservativen Thesen des Al Chasali zurückzuführen sind.

-Im 13. Jh. tauchte noch ein fanatischer Theologe auf .mit dem Namen  Ibn Al-Salah Ach Chahrazouri auf, ein führender Vertreter des Salafismus und großer Feind der Philosophie auf. Er bezeichnete die Philosophie seiner Zeit als „den Gipfel der Verrücktheit und der (geistigen) Nacktheit“). Er war der Meinung, dass die Philosophie Angst, Verführung, Heresie und Zweifel verursacht.

Neue Zürcher Zeitung (12.12.128),Tagesspiegel (28.12.18), Spiegel (13.2.19), Die Welt (26.2.19), Focus Facebook (24.4.19), Münchner Merkur (24.4.19), Neue Zürcher Zeitung (2.8.19), Frankfurter Allgemeine Zeitung (14.7.20)

 

 

 

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