Palästinenser, Historisch-Ethnologische Sicht

Palästinenser, Historisch-Ethnologische Sicht

1.Ethnonym (Name der Nation) , Toponym (Landesname)

Die Alten Philister waren im Orient bekannt als prst (Ägyptisch), palascht/pilischt (Assyrisch), peläschät , pelisim ( Hebräisch), Philistinoi (Griechisch), Philisthiim, Philisthini, Palaestini (Latein ).

Das Toponym Palästina wurde in Verbindung mit Syria von den römischen Eroberern als Verwaltungsbezeichnung eines relativ großen Gebietes verwendet, zudem die heutigen Länder Syrien, Israel, West-Jordanien, Palästina und der Gaza-Streifen gehörten. Danach wurde das Toponym Palästina nicht mehr verwendet. Stattdessen hieß nach der Eroberung durch die Türken 1517 das gesamte Gebiet „Emirat Syrien“.

Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem die Araber als Verbündete Englands  teilgenommen hatten, waren diese fest davon überzeugt, dass nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Weltreiches mit Unterstützung der Engländer ein neuer Staat mit dem Namen Philastin (Palästina) entstehen würde. Jedoch bereits 1917 versprachen die Engländer in der Balfour-Deklaration den Juden (Jewish Agency) die Gründung eines eigenen Staates ( wörtlich: „eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“). Somit betrogen sie die „Verbündeten“ Araber.

Im Jahre 1920 begann die Einwanderung von Juden aus europäischen Ländern in Palästina, obwohl die Araber strikt dagegen waren und sich gegen das englische Mandats-Regime mehrfach erhoben. Dies veranlasste England, 1939 die eigenen Pläne zu revidieren und die Gründung eines unabhängigen arabohebräischen Staates vorzuschlagen. Letztendlich beschloss die UN-Generalversammlung 1947 in der „Teilungsresolution“ die Gründung von zwei Staaten in Palästina und zwar eines jüdischen und eines arabischen Staates. Einen Tag nach der Beendigung des britischen Mandats 1948 proklamierten die Juden den Staat Israel. Aber erst 1988 proklamierte die PLO, die Palästinensische Befreiungsbewegung, den Staat Palästina, der aus der Westbank und dem Gaza-Streifen besteht. Der neue Staat  in statu nascendi (im Entstehungsprozess) ist von zahlreichen Staaten diplomatisch anerkannt worden und besitzt Beobachter-Status bei wichtigen internationalen Organisationen. Schlussfolgerung: Das Ethnonym Palästinenser und das Toponym Palästina haben sich international durchgesetzt.

2. Ethnogenese (Herkunft und Entstehung) der heutigen Palästinensischen Nation

Palästina war bereits im 7. Jt. v.C. besiedelt. Im 3. Jt. drangen semitische Nomaden und Halbnomaden unter dem Gesamt-Ethnonym Kanaaniter in die fruchtbare Küstenebene ein und gingen allmählich zum Ackerbau über. Sie gründeten u.a. die wohlbekannte Stadt Jericho, die später über eine hohe Kultur verfügte. Im 2. Jt. folgten die amoritischen, israelitischen und aramäischen Halbnomaden und Kleinviehzüchter, die von den bereits ansässigen Kanaanitern entwickelte Kultur übernahmen. Auch sie fingen an, Ackerbau zu betreiben.

Die historischen Philister gehörten zu den „Seevölkern“( Scherden, Schekelesch, Turscha, Danuna (Danaer ?), Akaiwaschat (Achäer?) , die 1200 v C. vom Balkan kommend, mehrere Königreiche zerstörten und schließlich vom Pharao Ramses III besiegt und im heutigen Gaza-Streifen angesiedelt wurden. Sie bemächtigten sich der kanaanitischen Städte Ekron, Asdod, Askalon, GAZA und Gath und machten daraus eine Pentapolis (Fünf-Städte-Bund). Sie unterwarfen sich ferner die israelitischen Stämme, bis sie unter David (1000 vor Chr.) ihre Unabhängigkeit erlangten (Legende von David und Goliath). Die Philister wurden von der kulturell überlegenen kanaanitischen Bevölkerung assimiliert, aber bildeten weiterhin eine herrschende Kriegerkaste. So verwundert es nicht, dass sie bis zur Römerzeit die treibende Kraft unter den Philister-Staaten im Kampf gegen spätere Eroberer (Assyrer, Babylonier, Perser, Alexander und Diadochen) waren.

3. Sprache

Die historischen Philister hatten ihre eigene indoeuropäische Sprache, von der allerdings nur Einzelwörter übrig geblieben sind. Nachdem die gesamte Küste des östlichen Mittelmeeres von den Persern erobert wurde, übernahmen die Einwohner die Aramäische (altsyrische) Sprache, die interessanterweise zu Sprache des persischen Weltreiches erhoben wurde. Nach der Eroberung des Gebietes durch die muslimischen Araber folgte eine schnelle Arabisierung und Islamisierung der Bevölkerung, mit wenigen Ausnahmen (Juden, Aramäer etc.). Es ist darauf hinzuweisen, dass Aramäisch, Hebräisch und Arabisch zu der großen Familie der semitischen Sprachen gehören.

Schlussfolgerung

Die heutigen Palästinenser sind Nachkommen der Urbevölkerung , der Kanaaniter, der Philister und der Araber. Sie stellen also wie die meisten Völker der Erde, eine Mischung von recht unterschiedlichen Stämmen und Völkern dar. Somit ist die ethnische Selbstbezeichnung Palästinenser durchaus legitim.

Quellen

-H. Freydank et alt., Der Alte Orient in Stichworten, Leipzig 1978, S. 336, 391.

-J. Irmscher (Hrg.), Lexikon der Antike, Leipzig 1987, S. 533.

-Große Enzyklopädie, Band 7, Köln 1990, S. 3756/57, 3853.

-H. Haarmann, Lexikon der untergegangenen Völker, München 2012, S. 218.

-J. Guter, Das große Lexikon der Völker, Köln, S. 302.

-H. Haarmann, Lexikon der untergegangenen Sprachen, München 2004, S. 44, 162.

-F. Bodmer, Die Sprachen der Welt, Geschichte – Grammatik – Wortschatz in vergleichender Darstellung
(Übers. aus dem Englischen: The Loom of  Language), Köln 1997, S. 162, 180, 227.

Veröffentlicht als größerer Fachkommentar in : Wiener Zeitung,  Frankfurter Allgemeine Zeitung , Tagesspiegel und Die Welt (alle elektronische Ausgabe), (6.8.14.)Münchner Merkur (29.1.20), Facebook (29.1.20) : Frankfurter Allgemeine Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, MM, Stern, Süddeutsche Zeitung, Welt, Zeit

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