1. Die Globalisierung stellt einen objektiven Prozess und damit eine Gesetzmäßigkeit dar, die durch voluntaristisches bzw. unlogisches Denken keinesfalls gebremst werden kann. Infolgedessen ist die Nichtbeachtung bzw. die gezielte Verletzung solcher Gesetze masochistisch und kann als Hybris mit verhängnisvollen Folgen betrachtet werden.
2. Die Realisierung des Globalitätspostulats durch enge Wirtschafts- und Handelsbeziehungen entspricht vollauf dem völkerrechtlichen grundlegendenPrinzip der friedlichen internationalen Zusammenarbeit, natürlich auf der Basis des reziproken Interesses, Nutzens und Vorteils.
3. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist eine neue Friedliche Koexistenz entstanden, und zwar die Friedliche Koexistenz zwischen den Staaten unterschiedlicher Kultur- und Rechtskreis, wozu auch unterschiedliche bzw. entgegen gesetzte Menschen- und Gesellschaftsbilder (Geschichte, Tradition, Religion, Herrschaftssysteme etc.) gehören. 4. Hieraus folgt, dass die Grundwerte eines Kultur-und Rechtskreises nicht zum Kriterium und Maßstab erhoben werden dürfen, um andere zu be- bzw. zu verurteilen. Solche Bestrebungen widersprechen zutiefst dem Wesen des Völkerrechts als eines jus coexistentiae und jus cooperationis. Infolgedessen sind solche voluntaristische Polit-Konstrukte wie z.B. “wertebasierte” oder “regelbasierte” Außenpolitik nicht notwendig, sie stören bloß die friedliche internationale Zusammenarbeit.
5. Die allgemeine Grundlage der internationalen Beziehungen sind die legitimen, d.h., die dem Völkerrecht entsprechenden Interessen der Staaten. Konkret bedeutet dies, dass die Staaten als Player in den internationalen Beziehungen die in der UNO-Charta verankerten sieben grundlegenden Völkerrechtsprinzipien zu respektieren haben. Geht es allerdings um schwerwiegende, massive, grobe und systematische Verletzungen der Menschenrechte und der fundamentalen Bürgerfreiheiten, die in mehreren internationalen Konventionen verbrieft sind und damit universellen Charakter besitzen sowie um Fälle des Völkermordes, dann werden sich damit die zuständigen UNO-Gremien befassen und die einzelnen Staaten können sich entsprechend positionieren.
6. Aber die Staaten des Kultur- und Rechtskreises des Westens dürfen nicht verlangen, dass Staaten anderer Kultur- und Rechtskreise das westliche Demokratie-System übernehmen. Eine solche Forderung bzw. Bestrebung wäre anmaßend, arrogant, unangemessen und zutiefst beleidigend. Berliner Zeitung (1.5.23)
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Die Globalisierung ist ein objektiv bedingter Prozess. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jh. verteidigte Karl Marx die Internationalisierung der Wirtschaft als einen objektiven Prozess gegenüber Skeptikern und Gegnern. Weil jedoch die Globalisierung teilweise mit dem Neoliberalismus einhergeht, sind speziell für die ökonomisch schwachen Länder auch Kollateralschäden zu konstatieren. Ob jedoch der neue Verfechter der Globalisierung, namentlich China, neoliberal ausgerichtet sei, dürfte in Zweifel gezogen werden.NZZ (28.6.23)