Heiliges Licht
Mythologische Aspekte
Systematisches mythologisches Wissen (nicht nur altmodische Zitate) ist die unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis der Frage nach dem Heiligen Licht.
Aufgrund der vielen und unterschiedlichen Definitionen des Mythos ist es besser, keine davon zu nennen. Es ist allgemein bekannt, dass die Mythen den Religionen vorausgingen, aber aus vielen Gründen haben sie Elemente der Mythen übernommen und sogar in die religiösen Lehren integriert. Mythen werden benutzt, um dem menschlichen Leben einen NAMEN zu geben. Zu den wichtigsten religionsspezifischen Mythen gehören die folgenden:
α) Mythen, die sich mit der Erschaffung des Universums befassen (Theogenie, Kosmogonie, Anthropogonie).
b) Mythen, die sich mit dem Ende der Welt befassen (Eschatologien).
(c) Mythen über den Lauf der Welt (Perioden, Wandlungen).
(d) Heilslehren (Messianismen).
Der Mythos ist oft mit Symbolen verwoben, die das Unterbewusstsein, aber auch religiöse Überzeugungen (z. B. Kreuz) und sogar politische Überzeugungen (z. B. Hammer und Sichel, Hakenkreuz) ausdrücken.
Einer der ältesten und bekanntesten Mythen in der Geschichte der Menschheit ist der Mythos des Lichts, nämlich der Dualismus wie folgt: Licht und Dunkelheit sind ein duales Phänomen mit entgegengesetzten Kräften.
Das Licht hat als Schöpfer und Symbol die Sonne, die Licht in das ursprüngliche Chaos der Dunkelheit gebracht hat. So ist das Licht eine positive Kraft und direktes Wissen, während der Mond Wissen nur auf der Grundlage von Vermutungen enthält.
Das älteste Dokument, in dem das Licht selbstverständlich in Verbindung mit der Sonne erwähnt wird, ist die Sonnenhymne als Grundlage der neuen Religion des archaischen Monotheismus, die von Pharao Echnaton (Amenophes IV., 1400 v. Chr.) mit großer Gewalt eingeführt wurde: “Schön präsentierst du dich auf dem hellen Feld des Himmels, du lebendige Sonne, und mit deiner Schönheit erfüllst du alle Länder”.
Die neubabylonische Hymne zu Ehren der göttlichen Sonne Schamasch (9. Jh. v. Chr.) ist komplexer, denn sie verbindet das Licht, die Sonne, den Gott mit dem Kampf gegen das Böse: “Du bist der Gott Schamasch, der die Dunkelheit erhellt, der den Himmel erleuchtet, der das Böse im Himmel und auf der Erde vernichtet… Alle Herrscher und alle Himmelsgötter freuen sich. In deinem Licht sehen sie das Verborgene, darum ist ihr Schritt sicher im Schein deines Lichtes.”
Schlussfolgerung: In der alten Mythologie ist das Licht ein bekanntes und weit verbreitetes Symbol für richtiges Wissen.
Religiöse Aspekte
Die altiranische Religion des Zoroastrismus, benannt nach ihrem Gründer und Propheten Zoroaster (persisch Zarathustra) mit Ahuramazda als oberstem Gott (daher Mazdaismus), ist die erste Religion der Welt, die auf dem Kampf zwischen Licht (Ormuzd) und Dunkelheit (Ahriman) und philosophisch-moralisch auf dem Dualismus zwischen Gut und Böse beruhte. In den Werken von Zarathustra, der 1748 v. Chr. geboren wurde, wird bereits das Wort PHOTOSTEPHANOS verwendet, das von den Buddhisten übernommen wurde (500 v. Chr.)
Diese sehr interessante Religion, die einen großen Einfluss auf andere Religionen hatte, identifiziert das Reich des Lichts mit Gott und die Dunkelheit mit dem Dämon. Der Gläubige hat die Wahl, dem Weg des Lichts, d. h. des Guten und der Wahrheit, oder dem Weg der Finsternis, d. h. des Bösen und der Lüge, zu folgen. Im ersten Fall kommt er ins Paradies (persisches Wort: umzäunter Garten) und im zweiten Fall in die Hölle.
Der äußerst kreative Zoroaster hat in seinen Schriften (Gathas) drei dualistische Systeme ausgearbeitet, z. B. das kosmologische, das moralische und das religiöse, sowie die folgenden Überzeugungen, die auch vom Christentum übernommen wurden: der Mythos des Erlösers, die optimistische Eschatologie, die den endgültigen Triumph des Guten über das Böse verkündet, die Lehre von der Auferstehung des Körpers, der Mythos des Magiers, usw.
Die Symbolik von Licht und Geist wurde in Persien auch durch den Manichäismus und die Gnosis weiterentwickelt. Der Schöpfer dieser Religion aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., Mani, hat in seinem erstaunlichen Werk das Licht mit seinen vielfältigen religiösen, philosophischen und moralischen Interpretationen zum Hauptbestandteil der Lehre gemacht.
Ich habe die Gelegenheit genutzt, um die Schlüsselwörter in den sehr interessanten heiligen Texten des Manichäismus zu zählen, die Licht enthalten: Göttliches Licht, Seele des Lichts, Vater des Lichts, Söhne des Lichts, Natur des Lichts, Paradies des Lichts, Erde des Lichts, Neues Reich des Lichts, Elemente des Lichts, Kreuz des Lichts, Frauen des Lichts, Form des Lichts, Palast des Lichts, Apostel des Lichts, Schiff des Lichts, usw. (Bei den Römern: ex oriente lux: aus dem Osten (kommt) das Licht).
Die reichhaltige Lehre des Manichäismus über das Licht hat die Frühphase des Christentums beeinflusst. Das bekannteste Beispiel ist das Bild von Jesus Christus mit einem Heiligenschein und dem kleinen, aber sehr wichtigen und selbstbewussten Text “Ich bin das Licht” auf beiden Seiten seines Kopfes. Aber auch andere Heilige werden in christlichen Gemälden mit einem Heiligenschein dargestellt.
Im Evangelium wird das Heilige Licht einige Male erwähnt: “Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben” (JOHANNES 8/12), “Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt” (JOHANNES 8/12). 9/5), “Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt auf Bergen kann sich nicht verbergen” (Mt 5/14), “So lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” (Mt 5/16).
Das Seltsame ist jedoch, dass die Priester und vor allem die Bischöfe und Patriarchen der orthodoxen Christen zusammen mit dem altgriechischen Geist (den sie später wiederentdeckten) automatisch die Tracht der alten Griechen ablehnten und der persischen Tracht den Vorzug gaben, die sich ohnehin im gesamten Nahen Osten und darüber hinaus durchsetzen konnte.
Es stellen sich einige Fragen:
α) Sind Elemente des Heidentums, die das Christentum vor fast zweitausend Jahren übernommen und in seine Lehre und Tradition integriert hat, immer noch heidnisch? Die Antwort ist zweifellos nein, denn diese Elemente haben sich radikal verändert. Das bedeutet, dass diese bereits seit Jahrhunderten Bestandteil des Christentums und insbesondere der christlichen Tradition sind.
b) Verursachen solche Elemente Schaden bei Menschen, insbesondere bei Atheisten? Sicherlich nicht. Daher gibt es keinen Grund für Ungläubige, sie zu verspotten. Zivilisierte Umgangsformen erfordern darüber hinaus den Respekt vor dem Glauben und der Tradition der Mitbürger.
c) Gehört es zur christlichen Tradition, das Heilige Licht mit dem Flugzeug von Jerusalem nach Athen zu transportieren und es mit der Ehre eines Staatsoberhauptes zu empfangen? Zweifellos nicht, denn es handelt sich um ein Phänomen, das erst seit etwa 40 Jahren bekannt ist, und außerdem besteht die Gefahr, dass eine ganze Religion ins Lächerliche gezogen wird.
d) Ist die Kritik an dieser zumindest seltsamen und unnötigen Art, das Heilige Licht zu tragen, eine antichristliche Kritik? Die Antwort ist nein.
e) Ist jeder, der den Klerus kritisiert, ein Antichrist? Die Antwort ist ebenfalls negativ, denn die religiöse Lehre ist eine Sache, und der Klerus eine andere.
Literatur
-Die Gnosis, Band 1 (Zeugnisse der Kirchenväter), Band 2 (Koptische und mandäische Quellen), Band 3 (Manichäismus, J. P. Asmusen u.a., insbesondere S. 111-116),Düsseldorf, 2007 ).
-M. Eliade, Histoire des croyances et idees religieuses, Tome 2, Paris 1992, Kap. 27 -29.
-Der Große Brockhaus, Geschichte, Band 1, Leipzig, Mannheim, 2001, S. 225.
-Der Alte Orient in Stichworten, hrsg. von H. Fraydank u. a., Leipzig 1978,
S. 489.
-Lexikon der antiken Welt, hrsg. von C. Andresen u.a., Bd. 1, Tübingen, Zürich, 2001, S.1100.
Aus: meinem Buch: (Panos Terz) Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band), ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S.49 ff.
Veröff. häufig in der griechischen Presse,das letzte Mal in der Kathimerini (21.7.2017)in Auseinandersetzung mit dem griechischen Philosophen und Theologen Christos Giannaras
Prof.i.R.,Dr., Dr.sc., Dr.habil.