Genozid (Völkermord), Holocaust, Shoah
Der Begriff Holocaust ist kein wissenschaflicher Terminus technicus, sondern besitzt rein politischen und einen negativ-ethischen Charakter. Er stammt aus dem Griechischen ( Oλοκαύτωμα : vollständiges Verbrennen) und wird aus linguistischer Sicht grundfalsch benutzt, weil er , angewandt auf Menschen a priori das freiwillige Element impliziert, was bei der Vernichtung der europäischen Juden nicht zutrifft, denn sie waren Opfer.
Daher ist es zutreffender, den Begriff Shoah ( unerwartete Vernichtung ) aus dem Hebräischen zu verwenden. Hierbei handelt es sich um eine historisch einmalige Verbrechensart, sozusagen um das crescendo der Barbarei und der Bestialität. Es wäre deshalb unlogisch und fast unethisch, jedes Verbrechen gegen ethnische und religiöse Minderheiten als Holocaust oder als Shoah zu qualifizieren.
Es drängt sich die Frage auf, ob Israel das Verbrechen des Völkermordes an den Palästinensern im Gaza-Streifen begeht oder nicht.
An dieser Stelle möchte ich klarstellen , hier ausschließlich als Völkerrechtler und damit völlig neutral Stellung zu beziehen. Natürlich lässt mich das tragische Schicksal der palästinensischen Zivilisten nicht unberührt, aber dies ist eine andere Frage.
Folgend steht im Mittelpunkt der Untersuchung die völkerrechtliche Bestimmung des Tatbestandes des Völkermordes, wie er in der „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes“ vom 9. Dezember 1948 ( In Kraft getreten am 12. Januar 1951) formuliert worden ist.
Artikel II
„In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten :
a) Angehörige einer solchen Gruppe zu töten;
b)Angehörige einer solchen Gruppe schweren körperlichen oder geistigen Schaden zuzufügen;
c) vorsätzlich solche Lebensbedingungen für eine Gruppe zu schaffen, die darauf abzielen, ihre physische Vernichtung ganz oder teilweise herbeizuführen ;
d) Maßnahmen zu verhängen , die auf eine Geburtenverhinderung innerhalb einer solchen Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsam Kinder aus einer Gruppe in eine andere Gruppe zu überführen“.
Die folgenden Fälle des Völkermordes sind im Allgemeinen bekannt : der Völkermord der Türkei an den Armeniern, der Völkermord des Irak unter Sadam Hussein an den Kurden, der Völkermord in Uganda unter Idi Amin an einem ganzen Stamm und der Völkermord der Huttu an den Tutsi in Ruanda.
Es kann festgestellt werden, dass die Völkermord-Definition auf die Handlungen Israels gegenüber den Palästinensern im Gaza -Streifen nicht angewandt werden kann, in keinem Falle die Absicht Israels als die conditio sine qua non für das Vorliegen des Tatbestandes des Völkermordens nachgewiesen werden kann. Auch ansonsten wird das palästinensische Volk im Gaza-Streifen nicht vernichtet.
Dies aber schließt nicht aus, dass Menschenrechts – sowie kriegsrechtliche Dokumente verletzt werden, was jedoch eine andere Fragestellung ist und außerdem exakt an Hand der geltenden Bestimmungen nachzuweisen wäre. Diese Problematik soll Gegenstand eines anderen völkerrechtlichen Kommentars sein.
Veröffentlicht als Fach-Kommentar in
: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Focus , Die Welt (22.7.14) und Wiener Zeitung (28.7.14), Berliner Zeitung (15.12.22)