Normbilldungstheorie in den internationalen Beziehungen und im Völkerrecht, Theoretische Grundfragen des internationalen Normenbildungsprozesses

PANOS TERZ       ( Universtät Leipzig )

Die Normbildungstheorie (Eine völkerrechtsphilosophische,

völkerrechtssoziologische und völkerrechtstheoretische Studie)

ACTA UNIVERSITATIS SZEGEDIENSIS DE ATTILA JÓZSEF NOMINATAE , ACTA JURIDICA ET POLITICA Tomus XXXIV. Fasciculus 9 ,  SZEGED  1985

(Nachträgliche Bemerkungen : 1.  Die vorliegende Studie stellt das vorläufige Ergebnis jahrelanger Untersuchungen dar. Es folgten  in den nächsten Jahren mehrere Studien zu den Normbildungstheorie :  Normenbildung in den internationalen Beziehungen der Gegenwart, in : Wissenschaftliche  Zeitschrift der Universität Leipzig (Sondernummer „Normative Grundlagen für ein System der internationalen  Sicherheit“), Leipzig 5/1990, S. 443– 459 ;  For a modern theory of the creation of norms in the nuclearcosmic era, in: Miscellanea in honorem Demetrii S. Constantopuli, Aristoteles Universitas Thessalonicensis, Internationale Festschrift (Pax, Ius, Libertas), Vol. B, Thessaloniki 1990, pp. 1163– 1175, Uni Thessaloniki  ; Cuestiones teoricas fundamentales del proceso de formación de las normas internacionales, Universidad Santiago de Cali, 1999, ISBN 958-96666—0 (Höhepunkt und Abschluß der Untersuchungen).  2. Die Studie wurde mit Unterstützung des ungarischen  Fachkollegen  Dr. Laszlo Bodnar an der Universität Szeged veröffentlicht. Dies widersprach jedoch den damaligen DDR-Rechtsbestimmungen über Publikationen im Ausland. Ich wurde deswegen an der Universität  Leipzig disziplinarisch zur Verantwortung gezogen und mit Publikationsverbot belegt.

Ferner habe ich es gewagt, die herrschende Völkerrechtstheorie des führenden sowjetischen Völkerrechtlers Tunkin als falsch  zu widerlegen und zu demontieren, was damals  einem Sakrileg glaichkam,  weil Tunkin als sakrosankt galt . Leipzig, Juli 2016)

1. BEGRÜNDUNG DER THEMENSTELLUNG

Die globalen Probleme der Menschheitsentwicklung, vor allem die Friedenssicherung, die zunehmende Rolle der Entwicklungsländer, insbesondere  ihre mit Vehemenz vorgetragene Forderung nach der Schaffung einer Neuen  Internationalen Wirtschaftsordnung auf der Basis der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Nichtreziprozität und die wachsende Bedeutung

Die politisch-nichtrechtlichen Ergebnisformen des internationalen Willensbidungsprozesses, speziell die Resolutionen der UNO-Vollversammlung, werfen  normbildungstheoretische Fragen von eminenter Bedeutung auf.Hierdurch wird die Völkerrechtswissenschaft in den sozialistischen, den kapitalistischen und den jungen unabhängigen Staaten mit relativ neuen  Problemstellungen konfrontiert.

Es fehlt nicht an Versuchen,problemadäquate Lösungswege zu finden. Dabei drängt sich die Frage auf, ob die Mitte des 19.Jh.hauptsächlich von Triepelbegründeteund dann Mitte des 20.Jh. unter völlig anderen historischen Bedingungen von Tunkin weiterentwickelte Vereinbarungstheorie den komplizierten Anforderungen der Gegenwart gerecht wird.

2.  KOMPLEXITÄT UND GLOBALITÄT ALS  VÖLKERRECHTSMETHODOLOGISCHE GRUNDSÄTZE

Die bereits erwähnten und normbildungstheoretische Fragen aufwerfenden Faktoren zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus, denn sie weisen politische, ökonomische, philosophische, soziologische, psychologische, juristische (vor allem rechtstheoretische und völkerrechtliche) etc. Aspekte auf. Da sie im Grunde alle Kontinente und Staaten erfassen, werden sie außerdem durch Globalität charakterisiert. Die völkerrechtswissenschaftliche  Durchdringung dieser Probleme erfordert daher eine den Erfordernissen der  internationalen Beziehungen der Gegenwart adäquate Völkerrechtsmethodologie, deren wichtigsten Forschungsgrundsätze komplexer und globaler Natur  sein müssen. Natürlich müsste die sich auch auf die Normbildungstheorie erstreckende Völkerrechtsmethodologie speziell auf der philosophischen Methodologie als Leitlinie sowie auf der  allgemeinen rechtswissenschaftlichen Methodologie beruhen. Ein weiteres Fundament müsste die Völkerrechtstheorie sein, die sich ihrerseits größtenteils auf die Rechtstheorie stützt.

Direkter Bezugsgegenstand der Völkerrechtsmethodologie als einer Theorie von Forschungsmethoden sind m.E. alle sich auf das Völkerrecht in seiner Totalität erstreckenden Methoden, d.h. die Art und Weise des Herangehens an die Erforschung der Völkerrechtsrealität. Erst vermittels der Methoden gelangt die Völkerrechtsmethodologie zu ihrem indirekten Bezugsgegenstand, zu den eigentlichen völkerrechtstheoretischen, darunter zu den normbildungstheoretischen Fragestellungen.

Während letztere eine Widerspiegelung der Gegenstände an sich darstellen, erfolgt in der Methode, die stets theoriebezogen ist,die Gegenstandswiderspiegelung nur in Verbindung mit der Zielstellung des Forschungssubjekts.

Während sich die Komplexität im Rahmen der Völkerrechtsmethodologie auf alle essentiellen Determinanten der Völkerrechtsrealität erstreckt, kann durch die Globalität eine eurozentrische Betrachtungsweise vermieden werden.Hierdurch erhöht sich die Bereitschaft und die Fähigkeit, bestimmte Auffassungen von Völkerrechtlern aus jungen unabhängigen Staaten über den Normebildungsprozeß besser zu verstehen.

 

3. DIE DIALEKTIK DES NORMENBILDUNGSPROZESSES

 

3a) DAS VÖLKERRECHTSPHILOSOPHISCHE UND DAS VÖLKERRECHTSSOZIOLOGISCHE VOR- UND UMFELD DES NORMENBILDUNGSPROZESSES

Bei der Untersuchung der Normenbildungsprozeß-Problematik gilt es, einige ausschlaggebende Fakten in den internationalen Beziehungen der Gegenwart zu beachten. An erster Stelle ist die Tatsache zu nennen, dass sich international  große Wandlungsprozesse ereignen. Hieraus ergibt sich einerseits, dass der Grundwiderspruch zwischen den beiden Gesellschaftsordnungen der bestimmende ist, obwohl er in seiner Wirkungsweise durch das Auftreten der jungen unabhängigen Staaten leicht modifiziert wird, und andererseits, dass die friedliche Koexistenz nach wie vor das politische Grundprinzip ist.

Die Friedenssicherung stecht dabei in enger Verbindung mit der friedlichen Koexistenz, ist ihre wichtigste Seite, geht aber über die Beziehungen zwischen sozialistischen und  kapitalistischen Staaten hinaus und stellt eigentlich ein selbständiges politisches Prinzip dar, das m. E. an der Spitze der Hierarchie aller anderen politischen Prinzipien sowie der Völkerrechtsprinzipien steht und ihr Wesen durchdringt. Somit ist die Friedenssicherung die conditio sine qua non für die Untersuchung des internationalen Normenbildungsprozesses sowie für die Erarbeitung einer modernen Normbildungstheorie.

Von der Friedenssicherung  absetzend, sollten m.E. weitere Probleme der Menschheitsentwicklung (1) der  normtheoretischen

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1. Zwischen der allmählichen Lösung der globalen Probleme der Menschheitsentwicklung ( z. B. der Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln,  der Erschöpfung der Naturessourcen, der Sicherung der Energieversorgung, der  Belastung der Umwelt durch die Intensivierung des Stoff-Wechselprozesses zwischen Gesellschaft und Natur und dem Wachstum der Bevölkerung) und der  Friedenssicherung besteht kein Gegensatz. Letztere ist im Gegenteil die wichtigste  Voraussetzung für die Bewältigung dieser Probleme.Vgl. in diesem Sinne auch  M.Maximowa, Wsemirnoje chosjaistwo, nautschno-technitscheskaja revoluzija in meschdunarodnyje otnoschenija, in: Mirowaja ekononiika i meschdunarodnyje otnoschenija, Nr.5, Moskwa, 1979, S.22.

2. Dabei geht es nicht um rechtliche Normen (Verträge, Konventionen) , wie J. G. Barsegow meint, sondern auch um politische Normen nichtrechtlichen Charakters , z. B. um Resolutionen. Meschdunarodno-prawowyje aspekty globalnych problem sowremennosti, in : Sowjeskoje gossudarstwo i prawo, Nr. 6, 1983, S. 83.

3. Der Autor stützt sich bei der Ausarbeitung der vorliegenden Studie über die Normbildungstheorie in erster Linie auf die  Publikationen der Leipziger ujnd Berliner Rechtstheoretiker.

4. Dabei sind die Produktionsverhälnisse  „die wirklichen, lebendigen Beziehungen der Menschen zueinander im Produktionsprozeß”. A.Bauer—H.Crüger— G.Koch—Chr.Zak (folgend : A.Bauer  et alt..), Basis und Überbau der Gesellschaft, Berlin 1974, S.16, 24—25, 62.

5. Karl Marx im Vorwort  „Zur Kritik der Politischen Ökonomie”,  in : K. Marx—F. Engels, Werke, Band 13,  S. 8—9.

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Betrachtungsweise zugrunde gelegt werden, da ihre Regelungsbedürftigkeit  zur Schaffung  neuer  Normen (2) und Regelungsmechanismen führt.

Obwohl die souveränen Staaten die wichtigsten Teilnehmer am internationalen Willens- und Normenbildungsprozeß sind, seien sie nach der Friedenssicherung, d.h. an zweiter Stelle genannt, um zum einem den großen Unterschied zum 19. Jh. –damals  gab es die globalen Pobleme der Menschheitsentwicklung nicht- evidenter zu machen und zum anderen  nicht so sehr die Rollle des einzelnen Staates mit seiner besonderen Interessenlage, sondern die Beziehungen  zwischen den den souveränen Staatzen im Interesse der der Friedenssicherung  und das in Verbindung damit stehende staatliche Verhalten  in besonderem Maße zu unterstreichen. Das  Interesse des einzelnen  Staates ist, abgesehen davon , ein polydimensionales und multisynthetisches Phänomen, dessen Wesen  und Bandbreite  nur auf der  Basis des dialektischen  Materialismu richtig erfasst werden kann. Dies gilt auch für den sich auf das Staatsinteresse stützenden  Staaswillen . Somit handelt ess ich   hierbei um philosophische Fragestellungen, die auf  völkerrechtlich relevante Materien  konsequent angewandt , in der Perspektive zur erabeitung  einer Völkerrechtsphilosophie führen könnten. Zugleich geht es um rechtstheoretische Komponenten, die  nur unter Beachtung der neuesten Forschungsergebnisse  der Rechtstheorie (3) richtig erfasst werden können.

Staaatsinteressen  und Staatswille sind zutiefst materiell determiniert. Sie wurzeln   „in letzter  Instanz“ in den äußerst komplexen  materiellen  Existenzbedingungen  der Gesellschaft.  Es ist ein Axiom  der materialistischen Philosophie, dass  die ökonomischen  Verhältnisse die wichtigsten Umstände sind, „die den ideellen Motiven  das Gepräge geben“. Die Basis einer  Gesellschaft  als „die öokonomische Struktur der Gesellschaft , die von der Gesamtheit der jeweiligen  vom Willen der Menschen  unabhängigen  Produktionsverhältnisse einer Gesellschaftsformation  gebildet wird“, (4), ist die ausschlagende materielle Existenzbedingung jeder Gesellschaft und  jedes Staates. Hierauf erhebt sich „ ein juristischer und politischer Überbau“, (5) der sich aus Staatseinrichtungen, Rechtsanschauungen, Kunst, Moral, Religion  und sonstigen ideologischen Verhältnissen als Ausdruck der vorhandenen  Klasseninteressen zusammensetzt. (6)

Die ideologischen Verhältnisse sind nach dem neuesten Stand der philosophischen Forschung weder materiell noch ideell, sondern „objektiv-reale gesellschaftliche Beziehungen : Verhältnisse im Bereich des Politischen, Juristischen, Moralischen, Religiösen”.(7)

Zwischen den einzelnen Überbauelementen besteht ein enger Zusammenhang und es erfolgt eine Wechselwirkung. Gerade aus dieser Dialektik des Überbaus ergibt sich, dass die einzelnen Elemente und die darin existierenden Normen rechtlichen und moralischen Charakters eine widersprüchliche Einheit bilden. Daher bestehen im Überbau der kapitalistischen Gesellschaft Rechtsnormauffassungen und Moralnormen nicht nur der herrschenden Klassen, sondern auch der anderen  Klassen und Schichten. Auch letztere gewinnen Einfluß auf die internationalen Beziehungen sowie auf das Völkerrecht, (8) darunter ebenfalls auf den Normenbildungsprozeß. Basis und Überbau bilden eine dialektische Einheit, stehen in einem Wechselverhältnis, in dem jedoch die Basis bestimmend und primär ist. In ihr wurzeln „in letzter Instanz” (9) die im Überbau enthaltenen politischen, rechtlichen und anderen Anschauungen. Der Überbau wiederum reproduziert ideologisch die Basis, bildet sie ab und wirkt darüber hinaus aktiv auf sie ein.

Eines der wichtigsten Bestandteile des Überbaus in seiner Gesamtheit ist der juristische Überbau. Zu ihm gehören in erster Linie das Recht, aber auch die Rechtsauffassungen, die Rechtsverhältnisse, das Rechtsbewusstsein, die Rechtskultur etc. (10) Diese einzelnen Elemente des juristischen Überbaus besitzen ihre Besonderheiten und haben eine „originäre” Rolle und relative Selbständigkeit in der juristischen Überbaustruktur. In diesem Sinne weisen sie als Objekt „innere” Widersprüche auf,  (11) wobei zwischen ihnen ebenfalls innere Zusammenhänge bestehen.

Im Blickwinkel des Basis-Überbau-Verhältnisses betrachtet, kann konstatiert werden, dass zwischen den ökonomischen Verhältnissen und dem Recht als dem Kernstück des juristischen Überbaus „keine lineare Kausalbeziehung besteht, dass Rechtsnormen keine photographischen Abbilder objektiv-realer Verhältnisse sind”.(12) Es gibt vielmehr einen ganzen Vermittlungsmechanismus politisch-ideologischer Zwischenglieder. Erst durch sie erfolgt die Widerspiegelung der objektiv-realen Verhältnisse im juristischen Überbau und speziell im Recht. (13)  Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass durch das ———————–

6.Vgl.A.Bauer et alt., Basis und Überbau in der Gesellschaft, a. a. O., S. 25, 83.

7. G. Stiehler, Die Grundfrage der Philosophie und die Unterscheidung materieller und ideologischer Verhältnisse, in : Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Nr.

8, Berlin 1980, S. 951.

8.Vgl. U.—J. Heuer, Die aktive Rolle des Überbaus am Beispiel der Rechtsnormen, in : Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Nr. 5, Berlin1980, S. 584.

9. Dieser Aspekt wurde von Friedrich Engels in seinem Brief an Joseph Bloch vom 21. 9. 1890 hervorgehoben. Vgl. in : K. Marx—F. Engels, Werke, Band 37, S. 463.

10. Vgl. I. Wagner, Sozialistisches Recht und juristischer Überbau, Zur Rechtskonzeption des entwickelten Sozialismus, Thesen zur zehnten wissenschaftlichen internationalen Konferenz, Karl-Marx-Universität, Leipzig, Juni1982, S. 24.

11.Vgl. I. Wagner, Recht und Widersprüche in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in : Recht und Widerspruch (Sonderhef der Wissenschaftlichen Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena), Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Nr. 6, Jena1983, S. 718.

12. K. A. Mollnau, Einleitung zu : Probleme einer Rechtsbildungstheorie (Hrsg. K. A. Mollnau), Berlin1982, S.10. 13 Marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie, Lehrbuch, Berlin 1980, S.395.

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Basis-Überbau-Verhältnis die Totalität des gesellschaftlichen Lebens bei weitem nicht erfasst wird. Mit dem Begriff der Basis wollten die Klassiker des Marxismus die Produktionsverhältnisse aus der Gesamtheit der materiellen Lebensbedingungen des gesellschaftlichen Lebens, eben aus dem gesellschaftlichen Sein herausheben. Karl Marx spricht im Vorwort„Zur Kritik der Politischen Ökonomie” auch von der Produktionsweise, (14) zu der die Produktivkräfte ebenfalls gehören. Ein besonders wichtiger Teil des Systems der Produktivkräfte ist dabei die „materiell-technische Basis” als das„Gesamtsystem der gegenständlichen Produktionsbedingungen” der Gesellschaft. (15) Über die Produktivkräfte und die Produktionsverhältnisse geht offensichtlich Karl Marx in der eben erwähnten Schrift hinaus, wenn er vom „gesellschaftlichen Sein” spricht, das das gesellschaftliche Bewusstsein bedingt. Das gesellschaftliche Sein, eine philosophische Fragestellung von eminenter Bedeutung, umfasst begrifflich nach der gegenwärtigen Auffassung der marxistischen Philosophie „die Gesamtheit der materiellen Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens : Existenz der Menschen selbst, einschließlich der materiellen Grundlagen ihres  Geschlechts- und Familienlebens, Dichte der Bevölkerung, gesellschaftlich wirksames geographisches Milieu, Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse”.(16) Man sollte noch hinzufügen : Naturreichtümer, Fruchtbarkeit und Größe des Territoriums und klimatische Bedingungen.

Die einzelnen Faktoren der materiellen Lebens- bzw. Existenzbedingungen der Menschen sind aber nicht nur ökonomischen Charakters, wie hin und wieder behauptet wird.(17) Sie bedingen  in ihrer Gesamtheit das Bewusstsein, wobei natürlich die Produktionsverhältnisse  (Basis) die entscheidende Rolle spielen. Das Bewusstsein wiederum ist nicht unbedingt mit dem Ideellen gleichzusetzen, weil es zwar einerseits mit dem erkennenden Subjekt zu tun hat, andererseits jedoch in seiner geselschaftsgeschichtlichen, also der soziologischen Typik zu erfassen ist. Deswegen wird neuerdings von Philosophen eine dreigliedrige Beziehung vorgeschlagen : materielle Verhältnisse; ideologische Verhältnisse ; gesellschaftliche Bewusstseinsformen. Dabei sollen die ideologischen Verhältnisse und die gesellschaftlichen Bewusstseinsformen den durch die materielle Grundlage bedingten Uberbau bilden. (18) Die materiellen Verhältnisse führen zu Bedürfnissen, die wiederum die Basis für die Interessen bilden. Die ideologischen Verhältnisse sowie indirekt auch die Bewusstseinsformen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die bisher angestellten Überlegungen speziell über das Basis-Uberbau- Verhältnis und über die materiellen Grundlagen der Lebens- bzw. Existenzbedingungen gelten für alle Staaten und zwar unabhängig von ihrer Gesellschaftsordnung. Sobald aber ein Konkreter Staat in das Gesamtsystem der internationalen Beziehungen gesetzt wird, sieht es etwas modifiziert aus, weil zusätzlich essentielle Faktoren hinzu treten, die nur indirekt mit der Basis des Staates zu tun haben und dennoch Interessen und Willen eines Staates beeinflussen.

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14.Vgl. Karl Marx, Vorwort „Zur Kritik der Politischen Ökonomie”, in : K. Marx—F.Engels, Werke. Band 13, S. 8—9.

15. Die „materiell-technische Basis” erstreckt sich auf die Produktionsmittel sowie auf die technologischen Verfahren.

Vgl. A. Bauer et alt.  Basis und Überbau  der Gesellschaft, Berlin 1974, S.27.

16. Ebenda, S. 27.

17. So einseitig wird dies im Völkerrecht, Lehrbuch, Teil 1, Berlin  1982, S.38  gesehen.

18.  Diesen vom Philosophen Gottfried Stiehler entwickelten interessanten Gedanken kann uneingeschränkt beigepflichtet werden. Vgl. seinen richtungsweisenden Beitrag „Die Grundfrage der Philosophie und…”, a.a.O., S.955, 962.

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Zu diesen Faktoren zählen, um die wichtigsten zu nennen, das internationale Kräftverhältnis, die internationalen Wirtschaftbeziehungen, die Bündnisverpflichtungen, die bereits in einem anderen Zusammenhang erwähnten globalen Probleme der Menschheitsentwicklung, die objektiv bedingte gegenseitige Abhängigkeit der Staaten,(19) der Wille der Völker und die internationale öffentliche Meinung.

Hierbei handelt es sich um soziologische Fragestellungen, die nicht nur Gegenstand einer noch zu schaffenden Theorie und in diesem konkreten Fall einer Soziologie der internationalen Beziehungen (20), sondern auch einer Völkerrechtssoziologie sein können (21). In diesem Kontext ist daran zu erinnern, dass die Rechtskonzeption von Karl Marx als Bestandteil seiner gesamten Gesellschaftstheorie entwickelt wurde. Er lieferte die „erste auf dialektisch-materialistischer Grundlage fußende soziologische Rechtsbetrachtung” (22).

nteressen und Willen der Staaten werden in den internationalen Beziehungen von sozial-psychologischen Faktoren ebenfalls beeinflusst. Dabei geht es vor allem um die Psychologie der Klassen, den gewachsenen Selbsterhaltungstrieb angesichts der Gefahr eines thermonuklearen infernos— eine allgemeinmenschliche Frage— und das notwendig gewordene Klima des Vertrauens (23). Die Interessen wiederum beeinflussen das Verhalten eines Staates und nicht zuletzt das Auftreten von Regierungsvertreten auf Staatenkonferenzen und bei Verhandlungen.

Allein die knappe Behandlung der die Interessen und den Willen der Staaten beeinflussenden Faktoren macht evident, dass Interesse und Wille mehrdimensionale Phänomene sind, deren Wesen und Bedeutung nur im Blickwinkel des Basis-Überbau-Verhältnisses nicht erfasst und richtig gedeutet werden können.

Deswegen müssen zwangsläufig alle Versuche scheitern, sich auf eine Aussage von Karl Marx berufend, einen fast mystisch anmutenden Sonder-Überbau in den internationalen Beziehungen zu konstruieren. Er würde sich auf die internationalen Beziehungen als „abgeleitete Produktionsverhältnisse” stützen, die verglichen mit der Basis in jedem Staat sekundären Charakters wären (24).

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19. Die so verstandene gegenseitige Abhängigkeit der Staaten z. B. in den Bereichen des Umweltschutzes, der Rohstoffpolitik etc. hat mit der These von der „Interdependenz” nichts zu tun. Vgl. hierzu auch M. Maximowa. Wsemirnoje chosjaistwo….a. a. O., S. 25—26. Zur gelungenen Kritik dieser These vgl. W. Kortunow, Neue Faktoren in den internationalen Beziehungen und die bürgerliche Politologie, in : Meschdunarodnaja schisn, Nr. 8, Moskva 1977, S. 113 ff. (russ.).

20. Auf diesem Gebiet gibt es seit längerer Zeit Untersuchungsergebnisse sowjetischer Spezialisten für internationale Beziehungen. An erster Stelle ist z. B. zu nennen D. Jermolenko, Soziologija meschdunarodnyje otnoschenija, in: Meschdunarodnaja schisn, Nr. 1. Moskwa1967, S. 20—27.

21. Die so aufgefaßte Völkerrechtssoziologie hat mit jener Huberscher Prägung nichts gemein, denn sie stützt sich auf den dialektischen Materialismus. Vgl. den repräsentativen Beitrag von Max Huber, Beiträge zur Kenntnis der soziologischen Grundlagen des Völkerrechts und die Staatengemeinschaft, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Nr. 4, Tübingen1910.

22. H. Klenner, Rechtssoziologie, in: Wörterbuch der Soziologie, Berlin1977, S. 638 ff.

23. Vgl.ähnlich auch E.Kondakow, Rol Sozialnoj psychologii, in : Mirowaja ekonomika i meschdunarodnyje otnoschenija, Nr.11,Moskwa 1969, S.81—82.

24. So z.B. sehr detailliert bei G. W.Ignatenko, Ot kolonialnogo reshima k  nazionalnoj gossudarstwennosti, Moskwa 1966, S. 19,

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Politischen Ökonomie” In einem bestimmten Zusammenhang gemachte Aussage lautet : „Sekundäres und Tertiäres, überhaupt abgeleitete, übertragene, nicht ursprüngliche Produktionsverhältnisse. Einspielen hier internationaler  Verhältnisse”(25). Zum einen ging es darum, die entscheidende Rolle der ökonomischen Verhältnisse in den internationalen Beziehungen, die umfangreicher als die ersteren sind, zu unterstreichen, zum anderen besteht kein Grund anzunehmen, dass der Dialektiker und Materialist Karl Marx an irgendeinen metaphysischen Überbau in den internationalen Beziehungen gedacht  hätte. Daher bedeutet m.E. dialektisch und historisch materialistisch die Welt untersuchen, nicht das bloße Zitieren der Klassiker des Marxismus-Leninismus, sondern die konsequente Anwendung ihrer Methode bei unbedingter Berücksichtigung der Besonderheiten in der Gegenwart und zwar sowohl in der Innen- und Außenpolitik der Staaten als auch in den internationalen Beziehungen.

Die Untersuchungsergebnisse bezüglich des völkerrechtsphilosophischen und völkerrechtssoziologischen Vor- und Umfeldes des Normbildungsprozesses lassen sich wie folgt zusammenfassen: In unserer  Epoche ist die friedliche Koexistenz das politische  Grundprinzip n den internationalen Beziehungen  : In dieser Epoche ist der Grundwiderspruch zwischen den beiden Gesellschaftsordnungen zwar bestimmend, wird jedoch in seiner Wirkungsweise durch die zunehmende Rolle der jungen unabhängigen Staaten in den internationalen Beziehungen etwas modifiziert ; Die Friedenssicherung ist ein selbständiges  politisches Prinzip, das an der Spitze der Hierarchie aller anderen politischen und völkerrechtlichen Prinzipien steht ; die globalen Probleme der Menschheitsentwicklung beeinflussen den internationalen Normbildungsprozeß ; in den internationalen Beziehungen der Gegenwart kommt es auf das Verhalten der souveränen Staaten im Interesse der Friedenssicherung an; das Ziel der souveränen Staaten in ihren Beziehungen zueinander kann nur ein Interessenausgleich im Interesse der Friedenssicherung sein ; das Staatsinteresse und der sich auf dieses stützende Staatswille sind polydimensionale und multisynthetische Phänomene ; die zunehmende Bedeutung der philosophischen Komponente der Fragestellungen in den internationalen Beziehungen und speziell im Völkerrecht lässt die Erarbeitung einer Völkerrechtsphilosophie als angemessen und notwendig erscheinen ; Staatsinteresse und Staatswille sind zwar materiell determiniert, wurzeln jedoch „in letzter Instanz” in den materiellen Lebensbedingungen der Gesellschaft, die in ihrer Gesamtheit das gesellschaftliche Sein ausmachen (Produktionsverhältnisse, Produktivkräfte und darunter vor allem die „materiell-technische Basis”, Größe und Fruchtbarkeit des Territoriums, Naturreichtümer, gesellschaftlich relevante geographische Lage und klimatische Bedingungen ; Dichte der Bevölkerung etc.) ; der gesellschaftliche Überbau ist komplexer und widersprüchlicher Natur, zwischen den einzelnen Überbaulementen (Staatseinrichtungen, Rechtsanschauungen, Kunst, Moral und sonstigen ideologischen Verhältnissen) bestehen wechselseitige Zusammenhänge, der Überbau wirkt auf die Basis aktiv ein ; das Recht ist das Kernstück des juristischen Überbaus als eines Bestandteils  des gesellschaftlichen Überbaus; zwischen dem Recht und den ökonomischen

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bei A.S. Gawerdowskij, Implementazija norm meschdunarodnogo prawa, Kiew 1980, S.15 und in Völkerrecht, Lehrbuch, Teil 1, Berlin 1973  S. 41.

25. Karl Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie, in : K. Marx— F. Engels, Werke, Band 13, S. 640.

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Verhältnissen existiert keine lineare Beziehung, sondern es bestehen Vermittlungsmechanismen und politisch-ideologische Zwischenglieder; das Basis- Überbau-Verhältnis erfasst nicht die Totalität des gesellschaftlichen Lebens, das sich nicht nur auf die Basis  (Produktionsverhältnisse), sondern auch auf  andere Bestandteile des gesellschaftlichen Seins erstreckt ; aus den materiellen Lebens- bzw. Existenzbedingungen erwachsen Bedürfnisse, auf denen die Interessen beruhen, die wiederum die Grundlage des Willens darstellen ; Staatsinteresse und Staatswille werden von weiteren Determinanten beeinflusst, zu  denen in erster Linie das internationale Kräfteverhältnis, die Bündnisverpflichtungen, die globalen Probleme der Menschheitsentwicklung, die objektiv bedingte gegenseitige Abhängigkeit, der Wille der Völker und die internationale öffentliche Meinung gehören ; um solche soziologische Fragestellungen theoretisch zu bewältigen, bedarf es der Erarbeitung einer Völkerrechtssoziologie ; Staatsinteresse und Staatswille werden außerdem von sozialpsychologischen Faktoren beeinflusst wie die Psychologie der Klassen, der gewachsene Selbsterhaltungstrieb der Menschen angesichts der Gefahr eines  thermonuklearen Infernos und das notwendig gewordene Klima des Vertrauens ; die Konstruktion eines Sonder-Überbaus in den internationalen Beziehungen ist weder materialistisch, noch dialektisch, sondern sie mutet eher  metaphysisch und mystisch an und ist auch deshalb für das Völkerrecht nicht hilfreich.

3b) RECHTSTHEORETISCHE ASPEKTE DES NORMENBILDUNGSPROZESSES

Die zwischen dem Völkerrecht und dem innerstaatlichen Recht (Landesrecht) ohne Zweifel vorhandenen Unterschiede vor allem bezüglich des Normenbegründungs- und Normverwirklichungsprozesses vermögen m.E. die Verwendung der allgemeinen rechtstheoretischen Erkenntnisse für die Zwecke  der Völkerrechtstheorie und speziell einer modernen Normbildungstheorie nicht auszuschließen. Im Gegenteil ist das Zurückgreifen auf die allgemeine Rechtstheorie unverzichtbar und eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Abgesehen davon, stützen sich international die  Völkerrechtler ebenfalls auf die verschiedenen rechtsphilosophischen und rechtstheoretischen Richtungen. Dies ist bei den  IGH- und ILC-Mitgliedern ohne weiteres feststellbar. Die Verwertung der neuesten Erkenntnisse der  allgemeinen Rechtstheorie soll natürlich zielgerichtet  und selektiv erfolgen.

Im innerstaatlichen Normenbildungsprozeß beeinflusst die die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung ausdrückende objektive Realität über die subjektive  Wahrnehmung, Erkenntnis und Bewertung den Normbildungsprozeß (26). In der  objektiven Realität existieren die zu normierenden gesellschaftlichen Verhältnisse außerhalb des menschlichen Bewusstseins und stellen damit einen  außerrechtlichen Sachverhalt dar. (27)  Dabei existiert der Regelungsgegenstand  als die materielle Grundlage

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6. Vgl. R. O. Chalfina, Die objektiven Faktoren der gesellschaftlichen Entwicklung, ihre Erkenntnis und Bewertung im Rechtschöpfungsprozeß, in : K. A.

Mollnau (Hrsg.), Komponenten der Rechtsbildung und ihr Einfluß auf die gesellschaftliche Wirksamkeit des Rechts, Berlin 1980, S. 35.

27. Vgl. K. A. Mollnau, Wie relevant ist der rechtliche Regelungsgegenstand  im sozialistischen Rechtsbildungsprozeß ?

—Thesen, in: ebenda, S. 22 und Marxistich—leninistische Staats-und Rechtstheorie, Berlin 1980, S. 474.

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der normierungsbedürftigen gesellschaftlichen Verhältnisse „weder als besonderer Ausschnitt im gesellschaftlichen Sein, noch ist er auffindbar irgendwo anders in der Gesellschaft als deren separates  Segment. Verwoben mit der Gesellschaft und all ihren Teilen, ist der Rechtliche Regelungsgegenstand eingebettet in die Totalität der gesellschaftlichen  Beziehungen.” (28) Gerade diese Komplexität und Dynamik des Regelungsgegenstandes machen das Erkennen der Regelungsnotwendigkeit, -Würdigkeit  und -möglichkeit schwierig.

Auf alle Fälle darf von der Existenz eines Normierungsgegenstandes nicht auf das Bestehen entsprechender Normen geschlossen werden, (29), denn „rechtliche Regelungsnotwendigkeit und rechtliches Geregeltsein gesellschaftlicher Verhältnisse sind zwei verschiedene Dinge.”(30 ) Die Transformation von Aussagen über die rechtliche Regelungsnotwendigkeit  in Rechtsnormen setzt außerdem mehrere Zwischenstufen voraus, die nicht ohne weiteres übersprungen werden können, zumal der Rechtserzeugungsprozeß ein mehrdimensionaler Vorgang ist, an dem eine Vielzahl sozialer Faktoren und Determinanten  materieller und ideeller, objektiver und subjektiver, politischer, ökonomischer, ideologischer, kultureller, (31) religiöser und  anderer Art beteiligt ist. Dabei besitzen die materiellen Determinanten gegenüber den ideellen Priorität.  Besonders erwähnenswert scheint bei den ideologischen und ideellen  Faktoren das Rechtsbewusstsein zu sein. Dieses existiert hauptsächlich in Gestalt von Rechtsanschauungen und rechtspolitischen Forderungen und widerspiegelt die „rechtsnormative Regelungsbedürftigkeit, -fähigkeit und -würdigkeit” gesellschaftlicher Verhältnisse.

Philosophisch betrachtet, ist das Rechtsbewusstsein ideelles Abbild zu normierender oder aber auch rechtlich Normierter Interessen. (32)

Das Rechtsbewusstsein übt im Normenbildungsprozeß folgende Funktionen aus ;

a) Die kognitive Funktion : Sie trägt zum Erkennen der  rechtlichen Normierungsnotwendigkeit gesellschaftlicher I Verhältnisse bei. Es  werden somit Erfordernisse und Interessen erfaßt ; b) Die axiologische Funktion : Sie bewertet die rechtliche Normierungsnotwendigkeit gesellschaftlicher Verhältnisse und die Realisierungsmöglichkeit ; c) Die normierende Funktion :  Sie besteht darin, dass Aussagen und Rechtsforderungen in Rechtsnormen transformiert werden. Sie ist im Grunde die Wirkungsrichtung des Rechtsbewusstseins im Normenbildungsprozeß. (33)

Das Rechtsbewusstsein wiederum ist  von seinem materiellen Widerspielungsgegenstand abhängig, wobei diese Abhängigkeit vermittelt erfolgt. Sein Inhalt wird beeinflusst von der Gesamtheit  der gesellschaftlichen Verhältnisse, darunter von den politischen Lebenverhältnissen, von der Tradition, der Kultur etc. (34 ) Das Rechtsbewusstsein spielt zwar beim Rechtsbildungsprozeß mittelbar eine wichtige Rolle, sollte jedoch in den Rechtsbegriff nicht einbezogen

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28. K. A. Mollnau, ebenda, S.14.

2.9.  Vgl. derselbe, Rechtliches Regelungsobjekt und gesetzgeberische  Entscheidung, in: K. A. Mollnau (Hrsg.), Probleme einer Rechtsbildungstheorie, Berlin 1982, S. 32.

30. Derselbe,  Implikationen des gesellschaftlichen Ansatzes zur Erforschung der Rechtsbildung, in: ebenda, S. 18.

31. Vgl. ebenda, S. 14. Derselbe, Einleitung zu : Probleme einer Rechtsbildungstheorie, Berlin 1982, S. 10.

32. Vgl. Marxistisch—leninistische Staats- und Rechtstheorie, Berlin 1980, S.  469—473.

33. Vgl. ebenda. S. 484—486.

34. Vgl. auch E. W. Nasarenko, Sozialistisches Rechtsbewusstsein und Rechtsschöpfung, Berlin 1974,S. 20.

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werden, weil  sonst die Gefahr bestünde, die Rechtsordnung nur auf der  Grundlage von Rechtsanschauungen (35) und rechtspolitischen Forderungen zu gestalten. Hieraus ergibt sich fast automatisch die Unterscheidung von Rechtsprinzipien und Prinzipien des Rechtsbewusstseins. Letztere bilden sich vor  dem Rechtsbildungsprozeß heraus. (36 ) Um die der gesellschaftlichen Notwendigkeit inhärenten rechtlichen Möglichkeit in Recht als System von Rechtsnormen zu verwandeln, (37) bedarf es der tatsächlichen Beherrschung der gesellschaftlichen Prozesse. Dies setzt  voraus, dass die real verlaufenden Prozesse in der Gesellschaft auf rechtlich  normierungsbedürftige Beziehungen hin analysiert werden, denn die „Untersuchung des rechtlichen Regelungsobjekts, seiner Struktur und Entwicklung  ist der Ausgangspunkt und der  weltanschauliche Eckpfeiler einer materialistisch fundierten Rechtsbildungstheorie und Gesetzgebungsmethodik. Wer dies nicht beachtet, lässt sich darauf ein, das Abbild vom Abgebildeten zu trennen.”(38)

Erst die genaue Kenntnis des Normierungsgegenstandes kann  die Garantie dafür bieten, dass das Recht dem Entwicklungsstand der Gesellschaft entspricht.(39) Kriterium für diese Adäquatheit des Rechts ist die gesellschaftliche Praxis. (40 )Es ist aber darauf hinzuweisen, dass das Recht die gesellschaftliche  Praxis und Realität nur partiell widerspiegelt, d.h. es werden nur jene Seitenwiderspiegelt, an deren Regelung die herrschende Klasse interessiert ist.(41 )

Gegenstand der rechtlichen Widerspiegelung sind „alle jene Erscheinungen,  die im Recht eine Widerspiegelung Erfahren haben oder erfahren werden,  alles das, was Rechtsnormen wirklich oder potentiell abgebildet wird.”(42) Das Wesen der rechtlichen Widerspiegelung liegt in der rationalen Reproduktion von gesellschaftlichen Bedingungen sowie „von entsprechenden erlaubten,gebotenen oder verbotenen Verhaltensweisen, die im Klasseninteresse  verbindlich sind.”(43) Die rechtliche Widerspiegelung ist volitiver Natur, denn  sie bringt den durch die Klasseninteressen bedingten Staatswillen in Rechtsnormen zum Ausdruck.

Sie besitzt ferner eine wertmäßige Komponente, weil  der Normeninhalt unter Zugrundelegung gesellschaftlicher Werte ausgewählt wird.

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35. Dieser von I. Wagner vertretenen Auffassung ist vorbehaltlos zu folgen. Vgl. I. Wagner,  Sozialistisches Recht und juristischer Überbau, Thesen, Leipzig 1982, S.3.

36. Vgl. W. Grahn, Theoretische Probleme der rechtlichen Widerspiegelung  und ihrer Bedeutung—weltanschauliche, erkenntnistheoretisch-methodologische und rechtstheoretische Probleme (Thesen), in: I. Wagner (Hrsg.), Das Recht als  Widerspiegelung, Leipzig 1979, S.12.

37.  Vgl. I. Wagner, Recht und Widersprüche in der enwickelten sozialitischen  Gesellschaft, a. a. O., S. 718.  58.

38. K. A. Mollnau, Einleitung zu : Probleme einer Rechtsbildungstheorie, a.a.O.,S.7—8.

39. Vgl. K.A. Mollnau, Rechtsnormen und  Rechtsbewusstsein im Wirkungsprozeß des sozialistischen Rechts, in : K. A. Mollnau (Hrsg.), Objektive Gesetze,  Recht, Handeln— Studien zu einer Wirkungstheorie des sozialistischen Rechts, Berlin 1979,S.79ff.

40. Vgl. W. Grahn, Theoretische Probleme der  rechtlichen Widerspiegelung  …, a.a.O.,S.10.

41. Vgl. H. Klenner, Der Marxismus—Leninismus über das Wesen des Rechts,  Berlin 1974, S.110.

42. W. Grahn, Theoretische Probleme der rechtlichen Widerspiegelung…, a.a.O.,S.5.

43. W. Grahn, Widerspiegelungsprobleme in der Rechsbildung, in : K. A. Mollnau (Hrsg.), Komponenten der Rechtsbildung und ihr Einfluß auf die gesellschaftliche Wirksamkeit des sozialistischen Rechts, Berlin 1980, S. 125.

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wird, die wiederum durch die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Klasseninteressen bedingt sind, und weil auch Moral, Religion, Tradition und öffentliche Meinung in gewisser Hinsicht in das Recht eingehen.Für die Normbildungstheorie dürften die bemerkenswerten Gedankengänge Werner Grahns  von großer Bedeutung sein: Die rechtswissenschaftliche Widerspiegelung „hat  auch eine theoretische Widerspiegelung der rechtlichen Widerspiegelung zu  sein und besitzt demnach den Charakter einer Meta-Widerspiegelung”.(44)

Die  völkerrechtswissenscfiaftliche Widerspiegelung ist insofern diffizil, weil aus  politischen und auch aus rechtsdogmatischen Gründen eine subjektiv gefärbte  Meinungsvielfalt möglich ist. Eine verzerrte Meta-Widerspiegelung vermag jedoch keinesfalls, Wesen  und Charakter des Rechts zu verändern, das nach übereinstimmender Auffassung in der Rechtstheorie folgende wesentliche Merkmale  aufzuweisen hat :

a) Es bringt die Interessen und den Willen der herrschenden Klasse zum Ausdruck, dessen Inhalt letztlich von deren materiellen Lebensbedingungen determiniert wird ;

b) Es ist ein System von allgemeinverbindlichen Normen, von Verhaltensregeln ;

c) Das Recht ist Regulator der  gesellschaftlichen Verhältnisse ;

d) Im Falle seiner Verletzung kann es durch  Zwang gewährleistet werden.(43)

Ein konkretes juristisches Recht besitzt die  Eigenart, eine staatlich garantierte und geschützte konkrete Verhaltensmöglichkeit eines Berechtigten zu sein.

Der Berechtigte kann dann im Rahmen  des von den Rechtsnormen eingeräumten Entscheidungsfeldes eigenverantwortlich über das konkrete Recht entscheiden.(46)

In der  Rechtstheorie wird über den Umfang des Rechtsbegriffs ein Meinungsstreit geführt. Hier wird der erweiterte Rechtsbegriff— er erstreckt sich auf die Rechtsnormen, die Rechtspolitik, die Rechtsprinzipien, die Anwendung, die Einhaltung und soll nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische, ökonomische, ethische, kulturelle und psychologische Erscheinung sein. (47)— abgelehnt. Es ist vielmehr den Auffassungen über den „engen”  Rechtsbegriff beizupflichten, da sie das Recht, als normatives System betrachten, das aber allgemein in der objektiven Realität wurzelt. Insofern  schließt das Recht Soziales, Politisches, Ideologisches, Psychologisches, (48) Ethisches, Religiöses etc. ein.

Hinsichtlich seines Geneseprozesses und seiner Bedeutung kann man das Recht dennoch als Wert betrachten, ohne abstrakt den ethisieren und den Boden der Normativität verlassen zu wollen, (49) weil der Wert zwar etwas Ideelles, jedoch sein Inhalt

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44. Vgl. W.Grahn, Theoretische Probleme der rechtlichen Widerspiegelung…,  a. a. O.,S. 7—8

45. Vgl. Marxistisch—leninistische allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, Band 1 (Grundlegende Institute und Begriffe), Berlin 1974, S.273; Marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie, Berlin 1980, S. 108,521.

46. Vgl. ebenda,S. 589.

47. Für den erweiterten Rechtsbegriff plädiert D.A.Kerimow,Verfassung  der UdSSR und politisch-rechtliche Theorie, Berlin 1981,S. 152, 156. Für einen  komplexen Rechtsbegriff—er soll den Gedanken der juristischen Ordnung sowie jenen der sozialen Organisation umfassen—tritt Ch. Rousseau ebenfalls ein. Vgl.  Droit International Public, Tome I,Paris1970, p.24.

48. So I.Wagner, Sozialistisches Recht und juristischer Uberbau, Zur Rechtskonzeption des entwickelten Sozialismus, a.a.O.,S.7—8.

49. Diesbezüglich kann der Kritik von K.A.Mollnau am abstrakten ethisieren zugestimmt werden :„Wo mit dem Wertbegriff rechtliche Phänomene als selbständige Wesenheiten vorgeführt und Werte als Instanzen ausgegeben werden,  die Grundlage, Ausgangspunkt und Orientierung für das Recht sein sollen, dort  wird die gesellschaftstheoretische Erklärung des Rechts verlassen und mit seiner moralisierenden Verklärung begonnen.” Einleitung zu : Probleme einer Rechtsbildungstheorie, a. a. O., S. 10.

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durch die Bedürfnisse und Interessen der betroffenen Subjekte bedingt wird und damit objektiver Natur ist. Die Bedeutsamkeit der in Frage kommenden Objekte für die Interessenbefriedigung „kann in Werten als Prinzipien oder als Werturteile abgebildet werden”(50) das Recht erheblich beeinflussen und in gewisser  Hinsicht in  dieses einfließen. Insofern kann das Recht als Wert, (51) vielleicht sogar als  einer der höchsten Werte der menschlichen Kultur (52) betrachtet werden.

Eines der erwähnten wesentlichen Merkmale des Rechts besteht darin, ein System von allgemein-verbindlichen Normen, von Verhaltensregeln zu sein. Hinsichtlich dieses Rechtsmerkmals stützt sich die sozialistische Rechtstheorie auf Karl Marx, der in der „Kritik des Gothaer Programms” schreibt: „Das Recht kann seiner Natur nach nur in Anwendung von gleichem Maßstab bestehen.”(53) Das bedeutet, dass das Recht Grenzen des Verhaltens setzt  und damit allgemeinverbindlich vorschreibt, was erlaubt, geboten oder verboten ist. Allgemeinverbindlich sein, heißt aber, „ungleiche, aber gleichartige  Handlungen mit dem gleichen Maßstab” messen. (54)

Die Dialektik dieser Problemstellung wurde von R. Schüsseler am besten erfasst und am überzeugendsten dargestellt : „Soweit die Subjekte als Repräsentanten bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse und Interessen gleiche oder korrespondierende Eigenschaften aufweisen und in dieser Beziehung einer einheitlichen Verhaltensbestimmung und -beurteilung unterliegen müssen, gelten für sie jeweils gleiche Rechte und Pflichten , wird ihr Tun oder Unterlassen an einem  Rechtsmaßstab gemessen, der für alle gleichartigen Sachverhalte verbindlich  ist.

Unter dem für juristisch relevant erklärten Gesichtspunkt bringt ein  Rechtsmaßstab für jede Verhaltensmöglichkeit des einen korrespondierende  Verhaltensanforderungen an andere Rechtssubjekte zur Geltung, verlangt er für jede Leistung eine gleichwertig Gegenleistung. Er wahrt die Unverbrüchlichkeit dieses Verhaltens und enthält für pflichtwidrige Aktionen eine  adäquate Reaktion.” (55)

Das Recht hat als „staatlich-verbindlicher gleicher Verhaltensmaßstab”(56) eine Reihe von Funktionen zu erfüllen wie :

a) Es werden Ziele sozialen Verhaltens gesetzt (zielsetzende Funktion) ;

b) Das gesollte Verhalten wird durch Gebote, Verbote und Erlaubnis  direkt vorgeschrieben (regulierende Funktion) ;

c) das Recht bewertet soziales  Verhalten (bewertende Funktion) ;

d) Es verknüpft das gesollte und nichtgesollte soziale Verhalten mit Sanktionen (Zwangsfunktion). (57)

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50. Vgl. hierzu die sehr überzeugende Argumentation W. Grahns, Die Rechtsnorm— eine Studie, Leipzig, 1979, S. 101, 103.

51. Vgl. auch I. Wagner, Sozialistisches Recht und juristischer Überbau, Zur  Rechtskonzeption des Sozialismus, a. a. O., S. 8.

52. Vgl. E. A. Lukaschewa, Übe die neuen Richtungen der wissenschaftlichen Untersuchungen in der allgemeinen Theorie des Rechts, in : Aktuelle Probleme der Theorie des sozialistischen Staates und Rechts, Moskau 1974, S. 34 ff.

53. Karl Marx Kritik des Gothaer Programms in : K.Marx—F. Engels, Werke,  Band 19,S.21.  54.

54. Vgl. H. Klenner, Der Marxismus—Leninismus über das Wesen des Rechts, Berlin1954, S. 73.

55. R. Schüsseler, Zu den Grundfragen der Theorie des sozialistischen Rechts in Marx’ „Kritik des Gothaer Programms” in: Staat und Recht, Nr.5, Berlin 1975,S.21. 56.

56. .Wagner, Sozialistisches Recht und juristischer Überbau, Zur Rechtskonzeption des entwickelten Sozialismus, a. a. O., S.9. 57

57. Vgl. W. Grahn, Die Rechtsnorm, a. a. O.,S.11—15.

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Hieraus ergibt  sich, dass das Recht über das Verhalten auf die sozialen Bedingungen einwirkt. (58) Somit macht m. E. das normgerechte Verhalten aller Normadressaten das Wesen der Allgemeinverbindlichkeit des Rechts aus. Diese dialektische Verknüpfung von Recht und Verhalten berechtigt daher zu der Feststellung, dass  das Recht „das in der Gesellschaft herrschende Ordnungsgefüge und Verhaltensmuster” darstellt. (59) Das reale Verhalten der Rechtssubjekte wird aber von mehreren objektiven Faktoren bedingt, wozu u.a. Bräuche, Traditionen, Sitten etc. gehören.( 60 ) Das Verhalten der Normadressaten ist Inhalt der Rechtsverhältnisse, (61) die wiederum die Hauptbeziehungen sind, in denen die Rechtsnormen verwirklicht werden.

In diesem Kontext besteht das Spezifikum der Rechtsverhältnisse darin, dass die an ihnen beteiligte  Rechtssubjekte wechselseitig konkrete Rechte und Pflichten haben, die sich durch ihr Verhalten realisieren. Das Rechtsverhältnis ist nicht identisch mit dem faktischen Gesellschaftlichen Verhältnis und steht damit nicht alsKonkretisierungsstufe der Verhaltensmöglichkeit zwischen den Rechtsnormen und dem faktischen Verhältnis. Hieraus folgt, dass das Rechtsverhältnis nur bestimmte Seiten des  realen gesellschaftlichen Verhältnisses in juristischer Form zum Ausdruck bringt.

Das gesellschaftliche Verhältnis besteht also vor und nach der Schaffung des Rechtsverhältnisses. Da nun Rechtsverhältnisse der politisch-moralischen Bewertung unterliegen, bringen sie auch politisch-moralische Wertvorstellungen zum Ausdruck. (62 )

Die für die Erarbeitung einer Normenbildungstheorie in den internationalen  Beziehungen und speziell im Völkerrecht notwendigen und geeigneten Erkenntnisse der Rechtstheorie seien zusammengefasst : Der innerstaatliche Normenbildungsprozeß wird von der objektiven Realität über die subjektive Wahrnehmung, Erkenntnis und Bewertung beeinflusst ; der Normierungsgegenstand ist in die Totalität der gesellschaftlichen Verhältnisse eingebettet ; die Existenz eines Normierungsgegenstandes sowie dessen Normierungsnotwendigkeit,-würdigkeit und-möglichkeit kann nicht  bedeuten, dass enstprechende Normen bereits existieren ; der Normbildungsprozeß ist ein mehrdimensionaler Vorgang, denn an ihm sind verschiedene Faktoren (materielle und ideelle, objektive und subjektive, politische, ökonomische, ideologische, kulturelle, ethische, religiöse etc.) beteiligt, wobei den materiellen Faktoren der Vorrang gebührt ; das zu den ideologischen und ideellen Determinanten gehörende Rechtsbewusstsein existiert in Gestalt von

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58. Vgl .W. Grahn, Widerspiegelungsprobleme in der Rechtsbildung, a.a.O., S.130.

59. H. Klenner, Grundsatzprobleme im Vorfeld einer Rechtsbidungstheorie,  in : K. A. Mollnau (Hrsg.), Probleme einer Rechtsbildungstheorie, Berlin 1982, S.21.

60. Vgl. auch R. O. Chalfina, Die objektiven Faktoren, in : K.A.Mollnau (Hrsg.),  Komponenten der Rechtsbildung und ihr Einfluß auf die gesellschaftliche

Wirksamkeit des sozialistischen Rechts, Berlin 1980,S. 37.

61. Vgl. Marxistisch—leninistische allgemeine Theorie des Staates und des  Rechts, Band 1,Berlin 1974, S. 393.

62. Vgl. Marxistisch—leninistische Staats- und Rechtstheorie, Berlin 1980, S. 587, 581—582. In der Rechtstheorie der UdSSR ist eine Wandlung der Auffassungen zu beobachten. Hierüber informiert U. E. Tkatschenko relativ ausführlich. Er berichtet darüber, dass die sowjetischen Rechtstheoretiker früher das Rechtsverhältnis als ein durch Rechtsnormen geregeltes gesellschaftliches Verhältnis betrachteten. Jetzt würden sie aber das Rechtsverhältnis als Verbindung zwischen den  Subjekten durch Rechte und Pflichten ansehen.

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63. Vgl. Metodologitscheskije woprossy teorii prawootnoschenij, Moskwa 1980,S. 94ff.

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M. E. steht einer Verbindung beider  Konzeptionen nichts entgegen. Rechtsanschauungen und rechtspolitischen Forderungen und widerspiegelt Klasseninteressen sowie die Regelungsbedürftigkeit, -fähigkeit und – würdigkeit gesellschaftlicher Verhältnisse ; das Rechtsbewusstsein hat eine kognitive, axiologische und normierungsbeeinflussende Funktion ; es gilt, zwischen den Prinzipien des Rechstbewusstseins und den Rechtsprinzipien zu unterscheiden ; die Normadäquatheit setzt die Beherschung der normierungsbedürftige gesellschaftlichen Beziehungen voraus ; die rechtliche Widerspiegelung ist partieller, volitiver und axiologischer Natur ; die Rechtswissenschaftliche Widerspielung der rechtlichen Widerspiegelung ist eigentlich eine Meta-Widerspiegelung, sie kann verzerrt und falsch sein ; die wichtigsten Merkmale des  Rechts sind : Ausdrücken der„letztlich” materiell determinierten Interessen und des Willens der herrschenden Klasse ; es  ist ein System von allgemeinverbindlichen Normen (Verhaltensregeln), d.h. das  Recht schreibt allgemein-verbindlich vor, was erlaubt, geboten oder verboten ist, misst ungleiche aber  gleichartige Handlungen mit gleichem Maß, schafft gleiche Rechte und  Pflichten für die Rechtssubjekte, ist damit allgemein-verbindlicher Maßstab  für alle Normadressaten und fordert für jede Leistung eine gleichwertige  Gegenleistung; es ist Regulator gesellschaftlicher Verhältnisse und schließlich kann im Falle der Verletzung durch Zwang gewährleist werden; der „enge”  Rechtsbegriff ist vorzuziehen, weil er die Normativität am prägnantesten zum  Ausdruck bringt, zugleich ist darauf hinzuweisen, dass der „enge” Rechtsbegriff in gewisser Hinsicht in der objektiven Realität wurzelt und damit Soziales, Politisches, Ideologisches, Psychologisches, Ethisches, Religiöses etc. einschließt ; das Recht kann als Wert betrachtet werden ; das Recht hat eine zielsetzende, verhaltensorientierende, regulierende, bewertende und eine Zwangsunktion und kann als „Ordnungsgefüge und Verhaltensmuster” angesehen  werden ; die Rechtsverhältnisse haben das Verhalten der Normadressaten zum Inhalt, sind die Hauptform der Rechtsnormenverwirklichung und beziehen  sich auf Rechte und Pflichten der Rechtssubjekte ; die Rechtsverhältnisse  unterliegen der politisch-moralischen Bewertung und bringen insofern politisch-moralische Wertvorstellungen zum Ausdruck.

3c) VÖLKERRECHTSTHEORETISCHE GRUNDFRAGEN DES

NORMENBILDUNGSPROZESSES

 

3ca) Die Bedeutung der  Staatsinteressen und des Staatswillens für den Normenbildungsprozeß

 

Die Staaten als„die historisch entstandene, sich geschichtlich entwickelnde  und vergängliche, aus der Gesellschaft herausgelöste   und durch ihre ökonomische  Ordnung  bedingte,  souveräne politische  Macht der herrschenden Klasse, die die gemeinsamen   Interessen der Eigentümer der grundlegenden   Produktionsmittel sichert, vertritt und durchsetzt”, (63) schaffen und verwirklichen das Völkerrecht. Sie lassen sich dabei von ihren in den eigenen Bedürfnissen wurzelnden Interessen leiten, die polydimensional und multisynthetisch sind, denn sie werden von  innerstaatlichen Determinanten, durch das  gesellschaftliche Sein als die Gesamtheit der materiellen Lebens- bzw. Existenzbedingungen (Basis,  Produktivkräfte, Größe und  Fruchtbarkeit   des Territoriums, Naturreichtümer,

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63. Marxistisch—leninistische Staats-   und Rechtstheorie,Berlin1980,   S. 95.

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gesellschaftlich relevante geographische Lage und klimatische Bedingungen, Dichte der Bevölkerung  etc.,  ferner  durch die eigenen Überbauerscheinungen) und   von   Determinanten in den internationalen Beziehungen(internationales Kräftverhältnis, Bündnisverpflichtungen, globale   Probleme der Menschheitsentwicklung, objektiv   bedingte gegenseitige Abhängigkeit, Wille der Völker, internationale Öffentliche Meinung) sowie von sozialpsychologischen Faktoren (Psychologie der  Klassen, gewachsener   Selbsterhaltungstrieb angesichts der Gefahr eines  Kernwaffenkrieges und  notwendig gewordenes Klima des Vertrauens) beeinflusst.

Die Interessen besitzen unabhängig von  ihrem  Träger und vom Bezugsobjekt objektiven Charakter. So entspricht die  Friedenssicherung den objektiven  Interessen  aller Völker. Da jedoch die Interessen eine Vermittlung  zwischen dem Materiellen und dem   Ideellen (Motive, Absichten,Wünsche etc.) darstellen und  letztere auf die Gerichtetheit  der Tätigkeit  im Sinne der Interessenrealisierung zielsetzend, mobilisierend und organisierend, einwirken, kann man auch von subjektiven Interessen sprechen. (64) Die grundlegenden Klasseninteressen bestimmen ihrerseits Wesen und Charakter der wichtigsten Klassenziele bzw. Klassenaufgaben. (65)

Für die internationalen Beziehungen   ist ausschlaggebend, dass speziell die jungen Nationalstaaten selbstverständlich von   ihren Bedürfnissen ausgehend, die Beseitigung der Überreste des Kolonialismus und die Lösung der  akuten sozialen und   ökonomischen Probleme als ihre Hauptaufgabe  betrachten. Hierauf beziehen sich ihre innen-  und außenpolitischen Interessen. (66)

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64. Vgl.   in:   Philosophisches Wörterbuch(Hrsg.   G. Klaus—M. Buhr),   Band1, Leipzig   1974,  S. 583.

65.  Vgl.   hierzu ausführlicher    P. Terz,   Das Problem    der   Interessen in den zwischenstaatlichen Vertragsbeziehungen, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karx-Marx-Universität Leipzig, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe,    Nr. 1,  Leipzig,   1978,  S.   37 ff.

66. Vgl. hierzu   ausführlicher   P. Terz, Problematyka interesow   i   woli   w stosunkach  traktatowych wynikajacych z koegzystencji  orazw stosunkach miedzypanstwami wspolnoty    socjalistycznej, in : Przeglad Stosunkow Miedzynarodowych, Nr.  2, Opole 1978, S. 121 ff.

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Somit treffen sich   in   den internationalen Beziehungen der Gegenwart Interessen der drei wichtigsten Staatengruppen. Es kommt nun darauf   an,   einen Interessenausgleich zu erreichen. Er ist nur auf der Grundlage  von gegenseitigen Kompromissen möglich. Der Interessenausgleich erfolgt aus  globaler Sicht  also  nicht mehr zwei-, sondern dreigliedrig.

Die Interessen bestimmen das Handeln der Individuen, der  Völker, der  Staaten  und  der Staatengruppen. „Stets  waren und sind es die Interessen,  die  das praktische   Handeln   leiten   und die   ökonomische mit der politischen Sphäre der   Gesellschaft verknüpfen. Den letztlich treibenden   Faktor   des   geschichtlichen Handelns bilden die ökonomischen Interessen,…” (67) In den  internationalen Beziehungen  geht es letzten Endes um   die Durchsetzung der   staatlichen Interessen. (68) Hierbei gilt es, einige Bedingungen zu erfüllen bzw. einige Aspekte zu beachten : keine Gefährdung des  Weltfriedens,  im Gegenteil Interessen -Verwirklichung   zur   Friedenssicherung; keine   Verletzung    der    Prinzipien, vor allem  der Grundprinzipien und der Normen des  Völkerrechts ;   keine Verletzung grundlegender   und   legitimer (völkerrechtsgemäßer) Interessen der  anderen Staaten. Letzteres besonders  zu  betonen,  ist  insofern erforderlich,   weil   in der   Fachliteratur mitunter   nur die Interessendurchsetzung des  einzelnen   Staates  und nicht  der Staaten  in ihren Beziehungen  und ihremVerhalten zueinander gesehen wird.  Wird  noch dazu das Interesse  als Vorteil (Profit,  Nutzen) (69) aufgefasst, dann muss man   darin Tendenzen   der Überbewertung der Staatinteressen auf Kosten   des Völkerrechts erblicken.

Da   jedoch  in  den  internationalen Beziehungen Interessenkollisionen   m.  E.  als  eine  normale Erscheinung zu betrachten sind,  kommt nur ein Interessenausgleich   in Frage, der  auf  der Basis entsprechender Normen erzielt werden  kann. (70)

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67. G. Stiehler,   Ökonomie-Staat-Recht als dialektisches Verhältnis,    in : Deutsche Zeitschrift für  Philosophie, Nr.10, Berlin  1982, S.   1242.

68.  Vgl. hierzu   auch: A.   A.  Jessajan,   K. woprossu o Charaktere meshdunarodnogo prawa,    in: Sowjetskij   jeshegodnik meshdunarodnogo    prawa 1958, Moskwa 1959, S.  501, der in  den  völkerrechlichen Abmachungen die gegenseitige Anerkennung der   Interessen   erblickt ;   W.   Wengler,   Der   Begriff des Politischen   im   internationalen   Recht,   in   Staat  und   Recht,    Nr. 189-190, Tübingen    1956, S.   32—35.Er   untersucht    die entscheidende    Rolle der Staatsinteressen auf    der III.-UNO-Seerechtskonferenz ; derselbe, Prolegomena    zur   einer   Lehre   von den Interessen im    Völkerrecht,   in:   Die Friedenwarte, Band 50, Nr.   2,   1950,   S.   108(der Gestaltung jedes Rechtssatzes liegen   menschliche   Interessen zugrunde) ; A.   P.   Sereni, Diritto Internazionale,    II. (Organizzazione Internazionale),   Milano1960, p. 172   (Befriedigung der gegenseitigen   Interessen) ;   O Nippold, Die Fortbildung   des Verfahrens   in   völkerrechtlichen Streitigkeiten, Leipzig   1907   (Schutz   gemeinsamer Interessen der  Staaten als  Aufgabe des   Völkerrechts H. Kraus,   Staatinteressen   im   internationalen Leben, in : Internationale Gegenwartsfragen,    Völkerrecht    — Staatenethik    —  Internationalpolitik, Ausgewählte kleine   Schriften   von   H. Kraus, Würzburg1963, S. 4,  346,    (die Nichtbefriedigung    wichtiger Interessen führt   zu   internationalen   Reibungen); G. Morelli, Nozioni di   diritto   internazionale, Padova1963,   p. 1   ff.  (dem  zwischenstaatlichenVerkehr   liegen   die  Staatsinteressen zugrunde) ; G.   Balladore  Pallieri, Diritto   Internazionale Pubblico, Milano   1962,  p. 35   (die   internationale   Ordnung dient der Interessenbefriedigung   aller   Staaten).

69. So z.  B.  M.  Bos,  Will and order  in  the  nation-state system,   Observations   on   Positivism and    Positive International    Law,    in  :  Netherlands International Law    Review,   Vol.  XXIX,  Iss.1,  Leiden1982,  p.13.

70. Vgl.   in   diesem Sinne auch   H.   Lauterpacht, Privat   Law sources   and   analogies   of International Law,   London   1927,   p. 81 ;  A.   Verdross—B. Simma ,Universelles Völkerrecht. Theorie  und Praxis, Berlin1976,  S. 656 ;  L.Nelson, Die   Rechtswissenschaft ohne  Recht  — Kritische    Betrachtungen    über die Grundlagen des Staats- und Völkerrechts …, Hamburg  1949 )1. Afl. 1917), S.178.

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Dies entspräche allerdings nicht den Realitäten in den internationalen Beziehungen  der Gegenwart, wollte man im Grunde nur kollidierenden Interessen die Normierungswürdigkeit zuerkennen. (71) Die Interessen sind  die Grundlage des Willens und prägen ihn. (72) Es ist ferner eine unbestrittene Erkenntnis der Staats- und Rechtstheorie, dass der Staatswille die Grundinteressen der herrschenden Klasse zum Ausdruck bringt. (73)

Wird das Verhältnis von Interesse und Wille dialektisch betrachtet, so können im innerstaatlichen Normierungsprozeß die Interessen als die objektive, der Wille hingegen als die subjektive Seite des Prozesses betrachtet werden, weil sich nur im Prozeß der Erkenntnis der Klasseninteressen der Klassenwille entwickelt. (74) Der Wille stützt sich darüber hinaus auf das Rechtsbewusstsein der herrschenden Klasse (75) und wird in Rechstnormen umgesetzt, (76) d. h. als allgemeine Verhaltensmöglichkeit und -aufforderung formuliert.(77) Somit äußert sich in der Herbeiführung allgemeinverbindlicher Verhaltensweisen die Willensnatur des Rechts. Dabei erfasst  der Willensbegriff im Rahmen des Normbildungsprozesses Erkenntnis, Entscheidung und Handeln in ihrer Einheit.(78 )

Im Unterschied davon kann jedoch in den internationalen Beziehungen  nicht auf den Willen der einzelnen Staaten orientiert werden. (79) Vielmehr geht es hier darum, dass die Normen das Produkt des Willens mehrerer Staaten sind. ( 80)

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71. So z. B. H Kröger—H. Wünsche, Friedliche Koexistenz und Völkerrecht, Berlin 1975, S. 53—54. Nach der Auffassung von G. Morelli hingegen ist der Interessenkonflikt eine Möglichkeit für den Regelungsprozeß. Vgl. Nozioni di diritto internazionale, Padova1963, p. 48—49. H. Triepel sprach von der Befriedigung  entgegengesetzter Interessen bei den „Verträgen” und gemeinsamer oder gleicher Interessen bei der„Vereinbarung”. Vgl. Völkerrecht und Landesrecht, Leipzig 1899, S. 53. Der von G. Dahm, Völkerrecht, Band III, Stuttgart 1961, S. 9 an dieser nicht überzeugenden Unterscheidung geübten Kritik ist zu folgen.

72. Vgl. H.-G. Eschke, Friedrich Engels über das Verhältnis von Gesamtwillen und Einzelwillen in der Gesellschaft, in : Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Nr. 10, Berlin1970, S. 1217.

73. Vgl. .T Schönrath, Nochmals zum Verhältnis von juristischen Rechten und von Rechtsnormen, juristisch konkreten Rechten und der Tätigkeit, in : I. Wagner(Hrsg.), Zum subjektiven Recht im Sozialismus, Leipzig1978, S. 151 ff.

74. Vgl. Marxistisch—leninistische allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, Band1, Berlin1974, S. 271.

75. Vgl. ebenda.

76. Vgl. T. Schönrath, Juristische Rechte, Juristische Rechte und Pflichten und Demokratie im Sozialismus (Thesen), in : I. Wagner (Hrsg.), Zum subjektiven Recht…, a. a. O., S. 36.

77. Vgl. T. Schönrath, Nochmals zum Verhältnis von juristischen Rechten…,a.a.O., S.151 ff.

78 Vgl. W. Grahn, Recht als eine besondere Widerspiegelung der Gesellschaft, in : Staat und Recht, Nr. 2, Berlin1982, S. 165.

79. Nach E. Kaufman seien „der Wille und die Interessen der Staaten alleiniger Ursprung und Geltungsgrund des Völkerrechts”. Das Wesen des Völkerrechts und die Clausula rebus sic stantibus, Tübingen 1911, S.58. Der Wille der einzelnen Staaten wird von J. Buchmann, A la recherce d’un Ordre International, Paris 1957, p. 133, ebenfalls überbewertet. Genau der entgegengesetzten Auffassung ist T. Gihl : Der Staatswille sei nicht die Grundlage des Völkerrechts ; man sollte sich eher nach dem Verhalten der Staaten richten. Vgl. The legal Charakter and Sources of international Law, in : Scandinavian Studies in Law, Vol. I ,Uppsala 1957, p. 51.

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3cb)  Der konsensuale Charakter des Normenbildungsprozesses

Faktoren, die innerhalb eines Staates sowie in den internationalen Beziehung wurzeln und die sich durch eine hohe Komplexität auszeichnen, zwingen die souveränen Staaten, miteinander in Beziehung zu treten und gemeinsam ihr Verhalten zu regeln.

Im Rahmen des Prozesses von Auseinandersetzung und Zusammenarbeit koordinieren sie die Interessen und schaffen gemeinsam allgemeinverbindliche Verhaltensregeln. Die unabdingbare Voraussetzung hierfür ist der Consensus (Konsens ), (81) der Staaten, sonst gäbe es die Gefahr von Subordinationsbeziehungen. Der Staatenkonsensus entsteht jedoch nicht automatisch und stellt keinen einmaligen Akt dar. Er besitzt vielmehr eine hohe Prozesshaftigkeit. Hieraus leitet sich, wie noch im Einzelnen nachzuweisen ist, der konsensuale und dialektische Charakter des Normenbildungsprozesses— unter Zugrundelegung des Staatswillens handelt es sich um einen Willensbildungsprozeß— in den internationalen Beziehungen ab.

Der konsensuale und dialektische Willens- bzw. Normebildungsprozeß beginnt damit, dass einige oder mehrere Staaten gleichzeitig oder zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt zunächst bestimmte Gegenstände bzw.Probleme kognitiv erfassen. Es wird also zunächst (erste Phase) erkannt, dass bestimmte Probleme (z. B. die globalen Probleme der Menschheitsentwicklung, bestimmte Fragen der internationalen Wirtschatfsbeziehungen) existieren. Hierüber entsteht allmählich und besteht ein allgemeiner Consensus (Consensus generalis) oder wenn er bei allen oder bei den meisten Staaten anzutreffen ist, ein Consensus omnium, wenn auch er von loser Natur ist. Bereits an der kognitiven Seite des Staatenconsensus beteiligen sich mehrere Determinanten (materielle und ideelle, ökonomische und ideologische, innerstaatliche und solche aus den internationalen Beziehungen) in ihrer Komplexität. Sie bedingen das Staatsinteresse.

Danach (zweite Phase) wird von einigen oder von mehreren Staaten natürlich aus ganz anderen Gründen— bei Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung können die Gründe mitunter von entgegengesetzter Natur sein— die Bedeutung des Problems erkannt. Hierüber können ebenfalls je nachdem ein Consensus generalis oder sogar ein Consensus omnium bestehen. (82) Der Bedeutungsgrad ist aber in erster Linie von der konkreten

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80. Vgl. auch D. Touret, Le principe de l’égalité souveraine des états ; fondement du droit international, in: Revue général de droit international public, No. 1, Paris 1978, p. 184.

81. Der Begriff Consensus wird im Sinne der Übereinstimmung, also als Konsens aufgefasst und verwendet. Vgl. L. Koep, Consensus, in : Reallexikon für Antike und Christentum, Band III. Stuttgart1957 S. 295 ; I. Stoer, Lexicon Iuridicum, M. D. XCINI, S. 267; R. Köstler, Wörterbuch zum Codex Iuris Canonici, Erste Lieferung, München1927, S. 88 ; P. G. Osborn, A Concise Law Dictionary London1964, p. 83; teilweise auch A. D’Amato, On Consensus, in: The Canadian  Yearbook of International Law, Vol. VIII, Vancouver1970, p. 107.

82. Nach M. I. Lasarew gibt es gegenwärtig eine übereinstimmende Auffassung darüber, dass die Menschen auf dem kleiner gewordenen Planeten Erde leben müssen. Vgl. Meschdunarodnoje prawo i nautschno-technitsheskaja revolucija, in  Sowjetskij jeshegodnik meschdunarodnogo prawa1978 , Moskwa1980, S. 60. E. Glaser begründet den allgemeinen Consensus damit, dass die globalen Probleme der Menschheitsentwicklung nicht nur bestimmte Staaten, sondern die Gemeinschaft der Staaten als Ganzes betreffen. Vgl. La place du consensus dans les relations internationales contemporaines, in: Revue roumaine d’études internationales, VII, No. 1, Bucuresti1973, p. 56. V. v. Dyke wiederum macht auf das Spannungsverhältnis von ideologischen Differenzen und Consensus aufmerksam. Vgl. International Politics, New York 1957, p. 309, 417.

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Interessenlage des jeweiligen Staates abhängig. So erkennen die Staaten, abgesehen von einigen kapitalistischen Mächten, die den Hochrüstungskurs forcieren, die Abrüstungsnotwendigkeit. aus weltanschaulichen, sozialökonomischen und sicherheitspolitischen Gründen betrachten die sozialistischen Staaten die Friedenssicherung und die Abrüstung als die dringendste Aufgabe der Gegenwart. Hauptsächlich aus sozialökonomischen Gründen entsteht bei den meisten Entwicklungsländern eine ähnliche Bewertungssituation. Sie verbinden dabei die Abrüstungsnotwendigkeit mit ihrer ökonomischen Entwicklung. Vor allem kleinere entwickelte kapitalistische Staaten erkennen teilweise ebenfalls die aus der Rüstungsforcierung erwachsenden Gefahren für die Menschheit.

In den70er Jahren wurde der Consensus zwischen den  Hauptmächten der beiden Weltsysteme relativ oft und ziemlich konkret in gemeinsamen Dokumenten konstatiert. Im Artikel I des Abkommens zwischen der UdSSR und den USA über die Verhütung eines Nuklearkrieges vom 22. 6. 1976 z. B. heißt es : „Die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika stimmen darin überein, dass das Ziel ihrer Politik die Verhütung der Gefahr eines Nuklearkrieges und der Anwendung von Kernwaffen ist.”(83) Bei einem weiteren Fall ist der Geltungsbereich des in diesem Stadium noch bedeutungsbezogenen Consensus ebenfalls eingeschränkt.

Ausgehend von ihren großen sozialen und politischen Problemen betrachten z. B. die meisten Entwicklungsländer die gegenwärtige internationale Wirtschaftsordnung für sie als unvorteilhaft und fordern mit Vehemenz die Schaffung einer „Neuen und gerechten internationalen Wirtschafsordnung”. Für sie besitzt diese Frage einen besonders hohen Stellenwert.

Aus anderen Motiven erkennen auch die sozialistischen Staaten die Bedeutung dieser Frage. Sie sind zwar bereit, die Entwicklungsländer zu unterstützen, wollen jedoch, dass bei der Gestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen auf der Grundlage der Völkerrechtsprinzipien keine Staatengruppe diskriminiert werden darf. (84)

Einzelne entwickelte kapitalistische Staaten erkennen allmählich aus ganz anderen Gründen und Motiven die wachsende Bedeutung einer „Neuen und gerechten internationalen Wirtschaftsordnung”.

Das Erfassen der in der objektiven Realität existierenden Probleme ist bezüglich ihrer Bedeutung mit einer Wertung verbunden, der in der materiellen Lebensbedingungen wurzelnden sowie im Überbau befindlichen Faktoren zugrunde liegen.

 

Über die Wahrnehmung, Erkenntnis und Bewertung der Probleme gelangen die Staaten zur Normierungsnotwendigkeit und -würdikeit (dritte Phase). Der Normierungsgegenstand existiert zwar unabhängig von den wahrnehmenden, erkennenden und wertenden Subjekten (Staaten),  die Normierungsfrage ist jedoch stark subjektiv gefärbt, weil sie durch die materiell bedingte Vorstellungswelt der Staaten hindurch geht.

An diesem Prozeß beteiligen sich in verstärktem Maße solche Faktoren, wie das Gerechtigkeitsempfinden und das Rechtsbewusstsein. Erkennen mehrere Staaten die (83) Normierungsnotwendigkeit, -würdigkeit und -möglichkeit, so kann hierüber das Bestehen eines Consensus generalis und wenn dies bei der übergroßen Mehrheit der Fall ist, ein Consensus omnium bejaht werden. In dieser Phase werden zwischen den interessierten Staaten Kontakte aufgenommen, um die anstehenden Probleme einer Regelung zu zuführen.

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83. Abgedruckt in: Dokumente zur Abrüstung 1917—1976, Berlin 1978, S. 382— 383. Im gemeinsamen sowjetisch—amerikanischen Kommunique vom 3. 7. 1974 über die gleiche Materie ist ein ähnlicher Konsensus anzutreffen : „Sie gelangten zu der einmütigen Meinung, dass die auf diesem Gebiet zwischen ihnen geschlossenen grundlegenden Abkommen nach wie vor ein wirksames Instrument zur allgemeinen Verbesserung der sowjetisch—amerikanischen Beziehungen und der internationalen Situation insgesamt sind.” Abgedruckt in : ebenda, S. 398.

84. vgl. hierzu ausführlicher W. Spröte, Im Kampf für demokratische Umgestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, in : Einheit, Nr. 1, Berlin 1980, S. 24 ff.

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In der vierten Phase erstreckt sich der Consensus auf die zu klärenden  Verfahrensfragen. Er wird durch Verhandlungen und gegenseitige Kompromisse erzielt.

Die fünfte Phase des konsensualen Prozesses bezieht sich auf die Regelung der substantiellen Fragen. Sie ist deswegen die wichtigste. In diesem Stadium spielen Wille, Interessenlage, Gerechtigkeitsempfinden und Rechtsbewusstsein die entscheidende Rolle. Die verschiedenen Sessionen der III. UNO-Seerechtskonferenz haben eindeutig den Beweis dafür geliefert, dass ökonomische, sicherheits-politische, geographische, entwicklungsmässige, ethische und andere Faktoren direkt oder indirekt von Bedeutung sind. Geht es um internationale Konferenzen der genannten Art oder um Tagungen der UNO-Vollversammlung, dann wirken diese Faktoren global.

Im Verhandlungsprozeß versuchen die Staaten, einen Interessenausgleich zu erzielen. Dabei hängt der Schwierigkeitsgrad des Interessenausgleichs von der zu regelnden Materie und vom politischen Standort der Verhandlungspartner ab. Die Verhandlungen zu Materien, die mit der Sicherheit der Staaten in Verbindung stehen, verlaufen in der Regel schwieriger. Dies gilt auch für ideologisch besonders wichtige Fragen, wie die allmähliche Erarbeitung der beiden Menschenrechtskonventionen von1966 gezeigt hat.

Bei den Verhandlungen zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung vollzieht sich in der Regel ein Zusammenstoß ihrer sozialpolitisch entgegengesetzt determinierten Interessen und der darauf fußenden Willen. I diesem Falle  erfolgt der Interessenausgleich zweigliedrig. Auf internationalen Staatenkonferenzen und im Rahmen der UNO-Vollversammlung treffen sich die Interessen der sozialistischen und der westlichen Staaten sowie der jungen unabhängigen Staaten. In diesem Falle erfolgt der Interessenausgleich dreigliedrig.

Der Geltungsbereich der Verhaltensnormen ist relativ breit. An der Interessenkoordinierung zwecks eines Interessenausgleichs auf  internationalen Staatenkonferenzen, im Rahmen der UNO- Vollversammlung  oder auf bilateraler Ebene bei Verhandlungen über eine wichtige Materie sind verschiedene Determinanten beteiligt wie die globalen Probleme der Menschheitsentwicklung, das internationale Kräfteverhältnis, unter Umständen die Bündnisverpflichtungen, die objektiv bedingte gegenseitige Abhängigkeit, der Wille der Völker, die internationale öffentliche Meinung, die weltanschauliche Position und der politische Standort der Staaten, die ökonomische Stärke, die geographische Lage, die innenpolitische Situation in einem Staat, die Rechtsanschauungen , das Rechtsbewusstsein, die Wertvorstellungen, das Gerechtigkeitsempfinden, die Erwartungshaltung etc. Diese materiellen und ideellen, innerstaatlichen Faktoren und solche in den internationalen Beziehungen wirken in der Regel— das ist abhängig von der Verhandlungsmaterie — komplex und meistens gleichzeitig. Sie stellen damit  einen dialektischen und widersprüchlichen Prozeß dar.

Im Verhandlungsprozeß koordinieren die beteiligten Staaten ihre Interessen und die darauf fußenden Willen. Das Ergebnis dieses Prozesses ist Ausdruck ihres inhaltsbezogenen Consensus, findet seinen Niederschlag in Verträgen bilateraler oder multilateraler Art, Resolutionen und Deklarationen der UNO-Vollversammlung, Konferenzschlussakten, Absichtserklärungen etc. und stellt aus normbildungstheoretischer Sicht Verhaltensregeln dar. Somit bezieht sich der Consensus der Staaten auf Inhalt und Form der angenommenen Instrumente. Über die Normativitätsart und den Charakter der verschiedenen konkreten Ergebnisformen des konsensualen Willensbildungsprozesses wird aber noch nichts ausgesagt.

Dies ist der nächsten, der sechsten Phase dieses Prozesses vorbehalten. Zunächst ist davon auszugehen, dass die Staaten als politische Organisation im Rahmen des einheitlichen internationalen Normenbildungsprozesses politische Verhaltensregeln, politische Normen schaffen. Sie entscheiden gemeinsam (Consensus) darüber, ob diese politischen Normen rechtlichen oder nichtrechtlichen Charakters sind. Ihre Absicht (intentio) bzw.  ihr Wille (voluntas) sind dabei ausschlaggebend. Geht es um die Absicht bzw. den Willen, völkerrechtliche Rechte zu begründen und Pflichten zu übernenmen und damit politisch-rechtliche Normen zu schaffen, dann seien die Termini intentio iuris generalis (allgemeine juristische Absicht) bzw. voluntas iuris (Rechtswille) und bei den internationalen Verträgen voluntas iuris generalis allgemeiner (Rechtswille) vorgeschlagen. Diese Termini vermögen m. E., die in Frage kommenden Sachverhalte in den internationalen Beziehungen am prägnantesten und am besten zu charakterisieren.

Gent es aber um die Absicht bzw. den Willen, politisch-nichtrechtliche  Normen zu schaffen, so eignen sich hierfür die hier vorgeschlagenen Termini intentio política (politische Absicht) und demnach bei den internationalen politisch-nichtrechtlichen instrumenten intentio politica generalis (allgemeine politische Absicht) bzw. voluntas politica und folglich bei den internationalen politisch-nichtrechtlichen Dokumenten voluntas politica generalis (allgemeiner politischer Wille).

Den politisch-nichtrechtlichen Dokumenten ist ferner eigen, allgemeine Meinungen (opinio communis) bzw. allgemeine politische Meinungen (opinio communis politica) zum Ausdruck zu bringen.(85) Sie sind außerdem Ausdruck eines natürlich sachbezogenen Consensus generalis oder gar eines Consensus omnium, der an den recht unterschiedlichen Motiven und Zielstellungen der Staaten nichts zu ändern vermag, vor allem wenn es sich um Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung handelt.

Den bisherigen Überlegungen lag die Annahme eines einheitlichen Willens- bzw. Normenbildungsprozesses zugrunde, bei dem  nicht voraus zu sehen war, welchen Charakter die Ergebnisformen haben würden, wie dies bei dem UNO-Projekt „Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen zwei oder mehreren internationalen Organisationen” der Fall ist.

Im Auftrage der UNO-Vollksersammlung befasste sich ab 1970 die ILC mit dieser Materie. (86) Elf Jahre später war jedoch auf der

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85. Vgl. hierfür auch: P. Terz. Für eine moderne Vereinbarungstheorie im Völkerrecht  . Thesen,in : Impact of International Organizations on Public Administration, Budapest 1982, p. 209 ff. ; P. Terz, Die Vereinbarungstheorie im Völkerrecht. Thesen zur Diskussion, in : Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx- Universität Leipzig, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Nr. 3, Leipzig, 1984, S. 328 ff. Meine in diesen Thesen enthaltene Position wird durch die vorliegende Studie wesentlich weiterentwickelt. Einige Aussagen erfahren dabei eine leichte Modifizierung.

86. Zur ILC-Arbeit vgl.: P. Terz—T. Ansbach, Zum Stand der Kodifikation des Vertragsrechts der internationalen Organisationen, in: Deutsche Außenpolitik, Nr. 7, Berlin1980, S. 70; P. Terz—T. Ansbach, Die Kodifizierung des Vertragsrechts der internationalen Organisationen— Theoretische Probleme, in : Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Nr. 4, Leipzig, S. 367.

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36. Tagung der UNO-Vollversammlung kurz vor Beendigung der zweiten Lesung der Artikelentwürfe nicht klar, ob daraus eine Konvention oder vielleicht eine Deklaration wird (87). Erst nach Abschluß der zweiten Lesung 1982 und damit ihrer Arbeiten zu diesem Projekt konnte die ILC der UNO-Vollversammlung vorschlagen, eine Kodifikationskonferenz einzuberufen. ((88)Auf der 37. Tagung der UNO-Vollversammlung wurde dann die Resolution37/112 ohne Abstimmung angenommen, in der für die Erarbeitung der „Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen” plädiert wurde. (89)

In diesem Falle lag also über ein Jahrzehnt lang keine Entscheidung darüber vor, ob die Ergebnisform des Willens- bzw. Normbildungsprozesses politisch- rechtlichen oder politisch-nichtrechtlichen Charakters sein wird.

Aus der Dialektik dieses Prozesses ergibt sich jedoch prinzipiell, dass der Charakter der Ergebnisformen bereits zu Beginn der Verhandlungsführung bekannt sein kann. Dies ist eindeutig der Fall, wenn zwei Staaten verhandeln, um einen völkerrechtlichen Vertrag abzuschließen. Gleiches gilt auch, wenn eine Kodifikationskonferenz zur Erarbeitung einer Konvention einberufen wird. Auf derartige Konferenzen bezieht sich das UNO-Projekt „Review of the multilateral treaty-making process”, das1975 in Angriff genommen wurde. ( 90) Auch wenn hierin Resolutionen genannt werden, sind sie nur als Vorstufe zur Vertragserarbeitung aufzufassen. Über den völkerrechtlichen Charakter des angestrebten Instruments besteht aber kein Zweifel.

Hieraus ist ersichtlich, dass es sich nicht um einen einheitlichen, sondern eindeutig um einen politisch- rechtlichen Willens-bzw. Normenbildungsprozeß (demnach politisch-rechtliche  Ergebnisformen d. h. politisch-rechtliche Normen und um eine juristische Normativität bzw. Verbindlichkeit) handelt.

Besteht bereits zum Verhandlungsbeginn Klarheit darüber, dass das Ergebnis politisch-nichtrechtlicher Natur sein wird, dann handelt es sich unmissverständlich um einen politisch-nichtrechtlichen Willens- bzw. Normenbildungsprozeß (demnach politisch-nichtrechtliche Ergebnisformen, d. h.politisch-nichtrechtliche Normen und um eine politisch-moralische Normativität bzw. Verbindlichkeit).

Als wichtigstes Beispiel hierfür können politische Abkommen wie die KSZE-Schlußakte von1975, Resolutionen/Deklarationen der UNO-Vollversammlung sowie Deklarationen internationaler Staatenkonferenzen genannt werden, vorausgesetzt,

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87. Vgl. A/CN. 4/353, p. 4/5.

88. Vgl. A/CN. 4/L. 344, p. 17—19, para. 45—50.

89. Die Resolution 37/112 wurde von einer Gruppe, bestehend aus Vertretern von 15 Staaten im Rechtskomitee als Doc. A/C. 6/37/L. 28 am 3.12.1982 erarbeitet. Das 1975 in Angriff genommene UNO-Projekt (UN-Doc. A/32/143 and Corr. 1) dient dem Zweck, die Methoden und Verfahren zur Erarbeitung multilateraler Verträge, d. h. sämtliche Aspekte des Normbildungsprozesses von der Verhandlungsaufnahme bis hin zur Registrierung beim UNO-Sekretariat vor allem im Interesse der Entwicklungsländer genau zu untersuchen und zu vereinfachen. Inzwischen (1982) wurde das zu diesem Projekt gehörende gesamte Material von der UNO herausgegeben(Legislative Series, ST/LEG/SER.B/21).

91. Vgl. hierzu P. Terz, Der Normenbildungsprozeß in den internationalen Beziehungen und speziell im Völkerrecht, in : I. Wagner (Hrsg.), Sozialistisches Recht und juristischer Überbau, Leipzig, 1982, S. 281 ff. Die in diesem Beitrag entwickelten Positionen werden in der vorliegenden Studie selbstverständlich weiter entwickelt.-

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dass sie nicht nur allgemeine politische Zielstellungen und Programmsätze, also punctationes enthalten.

Dialektisch, d.h. in ihrer Widesprüchlichkeit und Dynamik betrachtet, sind die konkreten Ergebnisformen des internationalen Willens- bzw. Normenbildungsprozesses Verhaltensnormen politischer Natur. Gerade diese Eigenschaft politisch zu sein,ist das Bindeglied zwischen den rechtlichen und den nichtrechtlichen Normen. Hieraus ergibt sich aber einerseits, dass zwar jede rechtliche Norm politischer Natur ist,jedoch nicht jede politische Norm juristischen Charakter besitzt.

Auf Grund des dialektischen Wechselverhältnisses ist es andererseits durchaus möglich, dass politisch-nichtrechtliche Normen juristische Elemente beinhalten (Vgl. 3cc).

Spätestens in diesem Abschnitt und speziell an dieser Stelle ist evident geworden, dass die in der vorliegenden Studie erarbeitete theoretische Konzeption sich von der von H. Triepel erarbeitete und von G. Tunkin, worauf noch einzugehen sein wird, weiterentwickelte Vereinbarungstheorie unterscheidet.

Folgend seien einige wesentliche Unterschiede zur Vereinbarungs-Theorie Tunkinscher Prägung unterstrichen :

Erstens stellt hier die Konzeption nicht den souveränen Staat, sondern die Beziehungen zwischen den souveränen Staaten und damit ihr Verhalten in den internationalen Beziehungen in den Mittelpunkt. Hierdurch erhöht sich die Dialektik und Dynamik der zwischenstaatlichen Beziehungen.

Zweitens geht sie von einem einheitlichen internationalen  Normenbildungsprozeß aus, der entweder zu unterschiedlichen Ergebnisformen (politisch-rechtliche und politisch-nichtrechtliche Verhaltensormen) führt oder unter Umständen in zwei Säulen (politisch-rechtlicher und politisch-nichtrechtlicher Normenbildungsprozeß) zerfallen kann. Während sich die Vereinbarungstheorie Tunkins auf die juristische Seite des Willensbildungsprozesses beschränkt, ist die hier entwickelte Normbildungstheorie breiter und komplexer. Das vereinbarte juristische Element wird nur als eine Säule des internationalen Normenbildungsprozesses angesehen.

Drittens werden die die Interessen und den Willen der Staaten beeinflussenden Faktoren in ihrer Komplexität erfasst.

Viertens vermag die Normbildungstheorie im Unterschied  zu Tunkins Vereinbarungstheorie den konsensualen Charakter des Völkergewohnheitsrechts und bestimmter besonders wichtiger internationaler Instrumente (Resolutionen, Deklarationen etc.) zu erklären.

Fünftens berücksichtigt die Normbildungstheorie die zunehmende Bedeutung der jungen unabhängigen Staaten, während es Tunkin nur um die Beziehungen zwischen den sozialistischen und den kapitalistischen Staaten ging und weiterhin geht.

Tunkin entwickelte seine vereinbarungstheoretische Konzeption in Auseinandersetzung mit bürgerlichen Auffassungen. Er stützte sich dabei vorwiegend auf die Vereinbarungstheorie H.Triepels, übernahm ihren rationalen Kern (souveräne Staaten schaffen durch Vereinbarung das Völkerrecht) und wies auf den sozialen Charakter (sozialistische und Staaten) des vereinbarten Rechts hin.

Die vorliegende normbildungstheoretische Konzeption wird auf der Basis der neuesten Erkenntnisse der Philosophie sowie der Staats- und Rechtstheorie und zwar in Auseinandersetzung mit anderen Völkerrechtlern erarbeitet. Es erfolgt ferner eine kritische Aneignung und Verwertung der vereinbarungstheoretischen Erkenntnisse Tunkins.

In der siebenten Phase des dialektischen Normenbildungsprozesses bezieht sich der Consensus der in Frage kommenden Staaten auf das Akzeptieren einer geschaffenen Verhaltensnorm als verbindlich (juristisch oder politisch- moralisch) . Da in den seltensten Fällen die Staaten dies expressis verbis tun, kommt es auf das Verhalten der Staaten während des gesamten Normenbildungsprozesses sowie auf den Inhalt und die Form der angenommenen Instrumente und der darin enthaltenen Verhaltensregeln an.

Diesbezüglich gibt es allerdings angesichts des aus der staatlichen Souveränität erwachsenden Willenselements keinen Automatismus, d. h. dass politisch-rechtliche Verhaltensnormen nicht automatisch juristisch verbindlich sind, wie die Staatenpraxis bei ratifikationsbedürftigen Konventionen zeigt. Erst nach dem Abschluß des vertraglich festgelegten Ratifikationsverfahrens, das oft über ein Jahrzehnt dauern kann, erlangt eine Konvention für die Teilnehmerstaaten juristische Verbindlichkeit.

Mit der siebenten hängt die achte Phase eng zusammen. In ihr erstreckt sich der Consensus auf die Bereitschaft der Staaten, sich nach den akzeptierten Verhaltensregeln politisch-rechtlicher oder politisch-nichtrechtlicher Art  zu richten d. h. die Bereitschaft, diese einzuhalten (Vgl. 3cd).

Hier bedart es jedoch einer Differenzierung : Während die rechtlichen Normen grundsätzlich einzuhalten sind, ist es bei den politisch-nichtrechtlichen Normen den souveränen Staaten überlassen, die aus ihnen erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen. In diesem Falle gilt somit der Grundsatz der Freiwilligkeit, so z. B. bei den Resolutionen/Deklarationen der UNO-Vollversammlung. Dabei richtet sich ein konkreter Staat in der Regel nach dem Verhalten der anderen Teilnehmerstaaten. Dies ist bei den politischen Abkommen (KSZE-Schlußakte) ohne weiteres festzustellen.

Der Gegenseitigkeitsfaktor scheint vorherrschend zu sein.

In der neunten Phase liegt ein Consensus darüber vor, dass die Verletzung der angenommenen rechtlichen Verhaltensnormen gemäß dem Grundsatz der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Sanktionen nach sich ziehen kann.

Ob die Verletzung politisch-nichtrechtlicher Normen zur Einleitung von Sanktionen eben politisch-moralischer Natur berechtigt, ist schwierig,bejahend oder verneinend zu beantworten. Es ist eher anzunehmen, dass in diesem Falle unter Beachtung des Grundsatzes der Freiwilligkeit einerseits keine Berechtigung vorliegt, gegen den betreffenden Staat konkrete Sanktionsmaßnahmen zu ergreifen. Andererseits ist aber damit zu rechnen, dass ein derartiges Verhalten nicht ohne negative Folgen für ihn bleiben wird. So könnte er z.B. in den internationalen Beziehungen an Glaubwürdigkeit verlieren und moralisch verurteilt werden.

Dies würde seinem Prestige und seiner Ehre Abbruch tun. Sollte ein Staat Sanktionen politischer Art doch für notwendig halten, so hat er dabei das Prinzip der Friedenssicherung und die völkerrechtlichen Grundprinzipien strikt zu respektieren.

Die hier erläuterten möglichen Phasen des Normenbildungsprozesses dürfen selbstverständlich nicht als Dogma und statisch betrachtet werden. Unter Umständen könnten sich aus den jeweiligen Inhalten und Bedingungen die Notwendigkeit und die Möglichkeit ergeben, diese oder jene Phase zu überspringen. Abgesehen davon, wurde hier die Phaseneinteilung vorwiegend aus methodischen Gründen vorgenommen.

Der Normenbildungsprozeß sollte in seiner Komplexität und Dialektik gesehen werden, um eben die sich real vollziehenden Prozesse in den internationalen Beziehungen adäquat und richtig widerspiegeln zu können.

In den internationalen Beziehungen erfolgt der Interessenausgleich zwischen den Staaten, wie bereits nachgewiesen, auf der Basis des Consensus zwischen den Staaten. Dabei    sind    die   politisch-rechtlichen Normen die konkretesten  und wichtigsten Ergebnisformen. Auf sie  kann  der traditionelle  Begriff der   Vereinbarung    nach   wie vor angewandt werden.

Gerade um die Vereinbarung ging  es im  19. Jh. bei H.Triepel, der zwischen dem Vertrag und der  Vereinbarung unterschied.  Der Vertrag   sei die „Vereinigung    mehrerer   Personen   von   verschiedenem, aber korrespondierendem Interesse    zu    inhaltlich   entgegesetzten, auf denselben äussern Zweck gerichteten Willensäußerungen”. Ausschlaggebend sei  nach H. Triepel, daß der  Willensinhalt der   Kontrahenten verschieden ist,  und daher könne der Vertrag keinen Gemeinwillen  bilden.   Nur   bei   der Vereinbarung  sei der   Willensinhalt der   Kontrahenten   identisch.

Er betrachtete also die  Vereinbarung als Verschmelzung     verschiedener aber inhaltlich  gleicher Willen.  Das Ergebnis der Vereinbarung  sei ein Gemeinwille, der  das Völkerrecht  schaffe :  „Ich  finde die  bindende Kraft des  Völkerrechts  einmal  darin begründet,   dass  in   dem Gemeinwillen, dessen   Inhalt dem  Staat   als  Norm   seines  Verhaltens  gegen   andere Staaten erscheint, ihm nicht ein durchaus fremder,  sondern  zugleich  sein eigener  Wille  entgegentritt…   Nicht  lediglich sein  eigener  Wille,  … aber doch nicht   schlechthin   ein fremder Wille.  Freilich,   der   Wille   des Staates, der   jenen   Gesamtwillen   mit begründet,  ist nicht  unwandelbar; er  kann sich  ändern  in  dem Sinne,  dass  der Staat   sich   jetzt    nicht   ebenso   an der   Gesamtwillensbildung beteiligen würde,  wie er  es  früher  tat.” (92)

Diese  Gemeinwille-Konzeption  wurde teilweise  von  K. Binding (93)  sowie von  D. Anzilotti, (94)  wenn   auch modifiziert,  ebenfalls  vertreten.   Auch als   „Gesamtwille”   ist   sie anzutreffen. (95) Diese„kollektiv-psychologische Erscheinung”(96)    stieß bei vielen    Völkerrechtlern auf Ablehnung.   G.  Morelli  z.B. kritisierte     an   der  Konzeption   die Ungeeignetheit,   ein  einheitliches   Völkerrechtssystem   aufzubauen. Es  gäbe eine große Anzahl von zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die im   Grunde miteinander   nicht   verbunden wären.(97) Die  massivsten Angriffe gegen  die Triepelsche Gemeinwille-Konzeption,   soweit   überblickbar, werden von T.   Gihl   geführt.  Er  wirft  ihr  Mystizismus  vor, spricht  in  diesem Zusammenhang   von   einer  „unio mystica”  und  schätzt schließlich ein, dass  sie  zum Scheitern verurteilt ist. (98)   Einer gründlichen Kritik   unterzog diese   Konzeption   erst der sowjetische Völkerrechtler

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92. H.   Triepel, Völkerrecht   und   Landesrecht,   Leipzig   1899,   S.   26   ff.,   45,

50,   64  ff.,  75,  82.

93. Vgl.   K.   Binding.   Die   „Vereinbarung”.   Ihr   Begriff  —  ihreschöpferische   Kraft ;  Zum Werden   und  Leben der  Staaten,   München, Leipzig   1920,  S.   215,   217  :   Die   Vereinbarung   „geht   dahin :   durch die   Verabredung   eines gemeinsamen   Willens… entsteht  eine Willensmacht über die   Verabredenden,   der   alle   Teilnehmer   an  der Verabredung zu  entsprechen  haben”. Binding  erkannte  aber  die   Schwächen   dieser Konzeption : „sie  scheint   nicht  ganz  frei   von  einem  mystischen Element zu sein”  (s.  245).

94. Vgl. D.  Anzilotti,   Lehrbuch  des Völkerrechts,   Band   1,  Berlin, Leipzig   1929, S.  31,  38  ff.  Auch  er meinte,  dass  die  Vereinbarung Ausdruck  des   „Gesamtwillens”   sei   und   Normen schaffe.   D. Anzilotti orientierte jedoch   auf eine„Grundnorm”  (Pacta   sunt servanda),   die   die Staaten zur   Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen  verpflichtet. Durch  die  Grundnorm würde   Völkerrecht   entstehen.

95.  Vgl. insbesondere W.  Sauer, System   des  Völkerrechts,   Bonn   1952, S. 54.

96. Vgl.   F. Somló,   Juristische Grundlehre,   Aalen 1973   (Neudruck der   2. Auflage,  Leipzig1927),  S.  233.

97. Vgl.  G. Morelli,  Nozioni   di  diritto  internazionale, Padova1963,  p. 12/13.

98. Vgl.  T.  Gihl,  The legal Charakter and Sources  of  international  Law, a. a. O.,  p. 59   („the union   of   the  wills of   the  various   states into a collective will   in   the   Vereinbarung     is  pure  mysticism ;  this unio mystica has  the obvious  intent  of  making  the  rules  of  international law  emanate  from  a will”).

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G.Tunkin.  Er  lehnt hauptsächlich das formelle  und dogmatische Herangehen  an  die Vereinbarungsfrage  und das  Vorbeigehen „an  den Prozessen des  Kampfes  und   der Zusammenarbeit”   bei der  Vörkerrechtsschöpfung ab. Tunkin   unterstreicht   zugleich   dem   rationalen   Kern der   Konzeption  H. Triepels,   „dass   die  Vereinbarung   zwischen den  Staaten  die einzige  Methode der Schaffung   der   Prinzipien und Normen  des Völkerrechts   darstellt”.(99). Einerseits   ist Tunkins Kritik  zu folgen. Andererseits  darf  man  jedoch  die  historische Wahrheit nicht übersehen,    dass der Positivismus,    darunter der Rechtspositivismus, seinen Siegeszug  antrat, nachdem  die  bürgerliche Klasse  ihre  „heroischen Ilusionen”  schon   längst über   Bord geworfen   hatte   und  es ihr   nur   um die Sicherung   ihrer   Macht ging.

Diesem   politischen   Ziel dienten   konkrete   Rechtsnormen. gesellschaftspolitische Erfordernisse  zwangen   die Positivisten,  das Recht   aus   den gesellschaftlichen    Verhältnissen    heraus    zu konstruieren. (100)    Deswegen    konnte H.Triepel  das  soziale  Wesen der  Vereinbarung  nicht  aufdecken.

Die  Bewältigung  dieser  Aufgabe  war unter völlig  anderen historischen Bedingungen (Existenz   sozialistischer und kapitalistischer Staaten) dem Marxisten  Tunkin  vorbehalten. Seine  vereinbarungstheoretische Konzeption  ist  zwar  nach wie  vor von  Bedeutung, entspricht jedoch den  höheren Anforderungen  in den internationalen Beziehungen  der Gegenwart nicht  mehr ganz, weil  durch  sie   eben soziale Prozesse wie die   juristisch   verbindlichen   Beschlüsse   von Plenarorganen internationaler  Organisationen   (z.  B.  Beschlüsse  der UNO-Vollversammlung  zu  Haushaltsfragen),  die zunehmende Bedeutung politisch- nichtrechtlicher Normen   und   übrigens auch die Entstehung des   Völkergewohnheitsrechts   nicht befriedigend gedeutet werden   können.   Eine   angemessene   Lösung   dieses für die internationalen Beziehungen    in    besonderem    Maße    wichtigen theoretischen Problems   kann   m.   E.   nur auf der   Grundlage der neuesten Erkenntnisse der  Philosophie,   der   Staats- und Rechtstheorie und der Theorie der  internationalen  Beziehungen, in ständiger  Auseinandersetzung ebenfalls  mit den neuen   bzw. neuesten Forschungsergebnissen anderer Völkerrechtsler und  unter  unbedingter Beachtung   der völkerrechtstheoretischen Positionen   der   sich sukzessiv    entwickelnden Völkerrechtswissenschaft der  jungen   unabhängigen     Staaten gefunden  werden.

In einem anderen Zusammenhang   wurde   angedeutet,   dass   der   Staatenkonsensus auch   juristische Aspekte aufweist. Dies   ist der Fall, wenn die   Staaten  darüber übereinstimmen, dass ein  von  ihnen gemeinsam geschaffenes  Instrument juristischen Charakter  besitzt.

Diesbezüglich   kann   auf   den   rationellen Kern  der  Consensus-Lehre   im Römischen  Recht zurückgegriffen  werden. Die  wichtigste  Grundlage  hierfür bildeten die  Digesten  (Ulpianus,  3 50  12 :  „Pactum  est  duorum consensus atque conventio”). Hieraus  ist  ersichtlich,  dass  Conventio  erklärter  Consensus,   d.  h.  die Erklärung des  Consensus  ist.   Nach   den Digesten setzt  sich  der  Vertrag  aus innnerer  Willenseinigung   (Consensus)   und   äußerer Erklärungsübereinstimmung (Conventio)   zusammen.   Consensus   bedeutet   also   im  Römischen   RechtWillensübereinstimmung, (101) ohne die   ein   Vertrag nicht  zustande  kommen   kann.

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99. G. Tunkin,   Das Völkerrecht   der  Gegenwart,   Berlin1963,  S.   131—135.

100.  Vgl.    auch    H.   Klenner,    Grundsatzprobleme im   Vorfeld einer Rechtsbildungstheorie,  in :  K.   A.   Mollnau    (Hrsg.),   Probleme einer  Rechtsbildungstheorie,    Berlin   1982,  S. 20  ff.

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Einige  Autoren gehen  bei   der Interpretation des  Consensus darüber  hinaus, indem  sie auch die„übereinstimmende   Meinung der  Parteien   über  die wesentlichen   Vertragselemente,   besonders des   Typus   und die   Hauptgegenstände des Vertrags”   erfassen. (102)

Das   Wesen des   Consensus im Römischen   Recht   besteht darin,   dass  die Willensübereinstimmung  die   conditio   sine   qua   non   jedes   Vertrages   ist.   Die Willensübereinstimmung    bedeutet,    dass   die sachbezogenen     Meinungen   derKontrahenten   ebenfalls   übereinstimmen.    Dieser    hohe Abstraktionsgrad    kann natürlich  weder   das   soziale   noch das politische Wesen der   Willensübereinstimmung zum Ausdruck  bringen. Das  konkrete soziale und  politische Wesen  der Willensübereinstimmung ist  ohnehin nicht a  priori gegeben.

In den  internationalen  Beziehungen  und  speziell  im  Völkerrecht  kommt  es  bei dieser  Fragestellung  auf den politischen  Standort der Vertragspartner  an.  Während z.  B.  bei  einem  Vertrag zwischen  Staaten  einer Gesellschaftsordnung die  Willen juristisch und   politisch  übereinstimmen,  würde eine  wesensmäßige,  d.  h.  sich auf  klassenbedingte  Motive  und  Zielstellungen  beziehende politische Willensübereinstimmung   zwischen  einem sozialistischen  und einem kapitalistischen Staat   eine   regelrechte   contradictio   in   adiecto   bedeuten. Von einer   solchen   politischen  Übereinstimmung  ist  jedoch  eine Übereistimmung  der Meinungen und  Willen über  politische  Fragen  zu unterscheiden.

Letztere  ist  im  Rahmen des konsensualen politisch nichtrechtlichen     Willens-bzw. Normenbildungsprozesses  der  Fall.  Hinsichtlich der multilateralen Verträge universellen   Charakters   ist die   Willensübereinstimmung  evidenter.

Das  Ergebnis  der  Interessen- und  Willenskoordinierung, erzielt  im Verhandlungsprozeß, ist  einheitlich. (103) Während die Willenskoordinierung   ein Verfahren    darstellt, ist die Willensübereinstimmung  das  Ergebnis des Willensbildungsprozesses. Von der Willensübereinstimmung    im völkerrechtlichen    Normsetzungsprozeß spricht auch Tunkin.  Er  bezieht  dabei  die  Willensübereinstimmung auf   den  Inhalt   einer  Norm sowie   auf   ihre Anerkennung   als  Rechtsnorm.   Hinzu   kommt noch   die gegenseitige Bedingtheit der   Staatswillen.   Sie   äußert   sich   darin,   dass  die Zustimmung des  einen  Staates   zur Anerkennung   einer Norm als Völkerrechtsnorm nur  unter der Bedingung  gegeben wird, dass der andere bzw. die  anderen Staaten gleichfalls  die  Zustimmung   dazu  geben.  Nach  Tunkins  Auffassung sind damit die   Übereinstimmung   und die gegenseitige   Bedingtheit der   Willen die   zwei   wichtigsten Merkmale der   Vereinbarung als   Mittel    der   Setzung   von Völkerrechtsnormen. (104)

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101. Vgl.   hierzu   sehr   ausführlich die aufschlussreiche Studie von    H.   Fritsche,Untersuchungen   über   die   Bedeutung   von   consensus   und   consentire in den Digesten, Dissertation,   Universität   Göttingen    1888,   S.   5—7,   17, 27—33,   59—69 und    99.  Nach   Fritsche   sei   bei den Digesten der Consensus   die   „psychologische   Thatsache der Congruenz   innerer Willen”(S.   69).   Nach   R.   Leonhard   meinten    die    Römer unter   „Consensus“ den  Willen  sowie  die  Erklärung, weil   sich  beide im Normalfall   bei den   Vertragsabschlüssen deckten. Vgl.   Consensus, in : Real-Encyclopädie der   Classischen     Altertumswissenschaft,     Siebender     Halbband,     Hrsg.     G. Wissowa,   Stuttgart1900, S.   902,   907.  Nach   S.  Brie lag   „der   gewohnheitsrechtlichen Uebung   nach   römischer   Anschauung   ein inneres Moment zugrunde”, das zuerst Varro, dann   Gellius,   Gaius und Ulpianus sowie   die   Institutionen Justinians   „Consensus”   nannten.   Vgl. Die   Lehre   vom Gewohnheitsrecht, Eine historisch-dogmatische Untersuchung,   Erster   Theil, Geschichtliche Grundlegung,   Breslau   1899,   Universitätsnächdruck, Frankfurt1968,  S.   16.

102.   M. Käser,    Handbuch    der   Altertumswissenschaft,    Das Römische Privatrecht,  Erster Abschnitt,  München1971, S.  237.

103. Vgl.   hierzu   auch   I.   I.   Lukaschuk,   Mechanism    meschdunarodno-prawowogo regulirowanija,   Kiew   1980,  S.  29.

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In neueren    Publikationen    Tunkins  und  anderer  sowjetischer Völkerrechtler  ist  aber nicht mehr  von der  Übereinstimmung,  sondern  nur von  der  Koordinierung  der Willen die Rede. (105).

Die  Konzeption   von  der  Willenskoordinierung   kann  jedoch rechtstheoretisch die Rechtsnorm als  ein für   die   Staaten   einheitliches     Modell verbindlichen Verhaltens nicht   erklären. Wird diese   Konzeption   konsequent   zu   Ende gedacht, so gäbe es  nach   dem Abschluß von  Vertragsverhandlungen zwischen  hundert Staaten  immer  noch  hundert unterschiedliche Staatswillen. Was  aber  in   einem solchen   Fall   die Staaten schaffen,   ist   „das   einheitliche Ergebnis ihresZusammenwirkens”. (106)

In  einer Publikation neueren  Datums  bekräftigt  Tunkin   seineVereinbarungskonzeption   aus   den 50er und   60er  Jahren und   versucht,   sie  teilweise weiterzuentwickeln. Als Demonstrationsobjekt   hierfür   nennt Tunkin die   im Artikel   38 des IGH-Statuts erwähnten   „Allgemeinen   Rechtsprinzipien”   („General   Principles   of   Law”),  die juristisch verbindlichen Beschlüsse   sowie   einen   empfehlenden   Charakter aber auch einzelne   rechtliche  Elemente besitzenden  Resolutionen  internationaler Organisationen. Die  in  seiner   Argumentation   auftretenden Probleme   logischer und   rechtstheoretischer Art  lassen die Schwächen  seiner vereinbarungstheoretischen Konzeption   relativ  leicht erkennen. Denn  es  gelingt  ihm  in  keinem  der drei Fälle überzeugend nachzuweisen,   dass  sie („Allgemeine Rechtsgrundsätze”  etc.) das Ergebnis von  juristischen Vereinbarungen zwischen den Staaten  seien. (107)

In der  westlichen Fachliteratur wird die Übereinstimmung   (Consensus,   consent), bezogen   auf  das Völkerrecht zum einen ganz  allgemein   aufgefasst :   Übereinstimmung der  Auffassungen  über  das System und  die Prinzipien   des   Völkerrechts bereits als Fakt (108) oder  als  etwas  Erstrebenswertes. (109) Zum anderen  wird  der Consensus

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104. Vgl. G.  I. Tunkin,  Das Völkerrecht der Gegenwart,  Berlin1963,  S. 135—137.

105.  Vgl. :   G.  I.   Tunkin, Soviet    theory    of sources    of    international    law,    in : Völkerrecht   und Rechtsphilosophie,   Internationale   Festschrift für   St.   Verosta zum

70.  Geburtstag, Hrsg.   P.   Fischer—H.   F.  Köck—A.   Verdross,   Berlin   1981, S. 68 ff.;

G.   I. Tunkin    (Hrsg.),   Meschdunarodnoje    prawo,   Moskwa 1982,   S. 45—48 ; Slowar meschdunarodnogo prawa,   Hrsg.   B.  M.   Klimenko—B.   F. Petrowskij—J. M.   Rybakow, Moskwa 1982,  S. 91 ;  D.   B. Lewin, Meschdunarodnoje prawo, wneschnaja politica   i diplomatija, Moskwa 1981,   S. 122 ;   D.   I. Feldman—G.   L.   Kurdjukow— W.  N. Lichatschow, O  sistemnom   podchode   w  nauke   meschdunarodnogo prawa.   In : Prawowedenije,   Nr. 6,  Leningrad   1980,   S.   43 ;   G. W.   Ignatenko—D.   B.   Ostapenko (Hrsg.),   Meschdunarodnoje   prawo,   M.   1978,   S.   7  und 30 ; S.   W.   Tschernitschenko, Normy   meschdunarodnogo   prawa,    ich    sosdanije i osobennosti    ich    struktury,    in: Sowjetskij   jeschegodnik   meschdunarodnogo prawa   1979, Moskwa   1980,   S.   48/49 ;Ju.   G.   Barsegow, Meschdunarodno-prawowyje   aspekty   gbobalnych   problem sowremennosti,  in :  Sowjetskoje gossudarstwo   i  prawo,   Nr. 6, Moskwa1983,  S.   85(er   spricht   vorwiegend    vor   der   Interessenkoordinierung). Vgl.   ähnlich    (Völkerrechtals das Ergebnis   abgestimmter      Willen   souveräner   und  völlig gleicher  Staaten),   P. I. Rusu,   The   fundamental change   of circumstances    in  the  modern law of    treaties, in :   Revue  Roumaine d’ Études  Internationales,   No.   3, Bucuresti   1982,  p.   177.

106. Vgl. hierzu   ausführlich I.    I. Lukaschuk,    Mechanism    meschdunarodno…,    a.   a.   O., S.   29,  der  als einer   der wenigen sowjetischen   Völkerrechtler   der Vereinbarungstheorie   Tunkinscher   Prägung  nicht   vorbehaltlos   folgt.

107. Vgl.  G.   I. Tunkin,  Soviet  theory of   sources  of…,   a.  a. O., p.   77.

108. Vgl.   beispielsweise :   D.   W.   O.   Coplin, The   Functions   of International   law : An  Introduction   to   the   Role   of   International  Law   in   the Contemporary World, Chicago 1966,   p. 185 ;   D.   I.   L. Brown, Public   International  Law,   London   1970, p.   270 ; W. C. Jenks,   Recht   und   sozialer   Umbruch,   in : Recht  und   sozialer Umbruch,   Ein   ökumenisches Symposium, Hrsg. Chr.   Walther,   Frankfurt/M. 1971, S. 77    (in    seiner   m.   E.  bekanntesten   Schrift   „The Common   Law   of Mankind”, London1958,   p. 3, warf   Jenks  hingegen die Frage auf, ob  in   der   Welt   ein ausreichender Consensus   über   allgemeine Rechtsgrundsätze   erreicht werden   könne).

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-dabei  sind Nuancen  nicht zu übersehen— allgemein als die einzige Quelle des Völkerrechts angesehen. Dies ist vorwiegend bei Völkerrechtlern aus dem deutschsprachigen Raum (110) sowie bei mehreren aus dem „angloamerikanischen Rechtskreis” (111) festzustellen. Bei den Letzteren darf aber der Consensus nicht mit der Konzeption von „Common consent” verwechselt werden, die zwar im Prinzip die gemeinsame Übereinstimmung als Grundlage des Völkerrechts betrachtet („Common consent“) is the basis of all law” (112) jedoch eine Majorisierung einiger Staaten zulässt, weil sie letzten Endes nicht die Zustimmung jedes Staates verlangt. (113)

Weitere Juristen erkennen ebenfalls die grundlegende Bedeutung des Consensus für das Völkerrecht  (114) und bringen seine Bedeutung mit der staatlichen Souveränität in Verbindung. (115) In einem Fall wird der Versuch unternommen, die Grundlagen der Völkerrechtsordnung den „natürlichen und soziologischen Gegebenheiten in der

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109. So z. B.  A. Dean, The Importance of International Law in the Maintenance of Peace, in : International Law in a changing World, New York 1963, p. 71. I. M. Sinclair hingegen, The Vienna Convention on the Law of Treaties, Manchester1973, vermag einen Consensus über die internationale Rechtsordnung nirgends zu erkennen (p. 131).

110. Stellvertretend für andere seien hier paradigmatisch genannt : H. Huber, Weltweite Interdependenz, Gedanken über die grenzüberschreitenden gesellschaftlichen Verhältnisse und die Rückständigkeit des Völkerrechts, Bern1968, S. 29  (das Völkerrecht beruht auf dem Konsens der Staaten) ; A. Verdross—B. Simma, Universelles Völkerrecht, Theorie und Praxis, Berlin1976, S. 30 (alle Normen des Völkerrechts beruhen auf einem zwischenstaatlichen Konsens) ; H. Mosler, The international society as a legal community, in : Recueil de Cours, Académie de droit international, IV, 140, Den Haag, p. 90 (“The principal source of law is therefore the consensus of states”) ; H. Weber—V. Wedel, Grundkurs Völkerrecht, Das Internationale Recht des Friedens und der Friedenssicherung, Frankfurt am Main1977, S. 33/34 (das Völkerrecht kann nur „auf einen konsensualen Satzungsakt zurückgeführt werden”) ; besonders prononciert A. Bleckmann, Die Funktionen der Lehre im Völkerrecht, Materialien zu einer Allgemeinen Methoden- und Völkerrechtslehre, Köln, Bonn, München1981, S. 313 (der Konsens als Ausgangspunkt der Rechtsquellenlehre ; der Konsens kann zu einer „Grundnorm des Völkerrechts” werden).

111. Als Beispiel  seien genannt : L. Henkin, How Nations Behave, Law and Foreign Policy, London1968, p. 25 („General law depends on onsensus“ ; M. Akehurst, A modern introduction to international law, London1970, p. 9 ; W. D. Coplin, The Functions of International Law…, a. a. O., p. 170, 185, („international law and its related institutions provide a medium through which a consensus can be reached on the nature of the state system”).

112. Dieser prägnante Satz wurde von L. Oppenheim, International Law, Vol. I, London1955, p. 5, 11 geprägt.

113.  Vgl. L. Oppenheim, International Law a Treatise, New York 1920, p. 14 ff. Dennoch wird das Völkerrecht in der „Encyclopedia Americana, International Edition, Vol. 7, New York1966 uneingeschränkt wie folgt definiert : „International law, a term usually defined as that body of rules, principles, and standards to which independent states are bound by common consent” (p. 254).

114. Vgl. vor allem A. D’Amato, On Consensus, in : The Canadian Yearbook of International Law, Vol. VIII, Vancouver 1970, der im Grunde die Begriffe „Consensus” und „Völkerrecht” als Synonyme verwendet (der Consensus sei „merely a definition of what we mean by the expression international law”, p. 122). Vgl. ferner : O. Y. Asamoah, The Legal Significance of the Declarations of the General Assembly of the United Nations, The Hauge 1966 (der Consensus als die Grundlage für die Entwicklung des allgemeinen Völkerrechts, p. 57).

115. So J. P. A. Tammes, Soft Law, in: Essays on international and comparative law in honour of judge Erades, The Hague 1983, p. 188. Er zieht aus der Verbindung von Consensus und staatlicher Souveränität die zu unterstützende Schlußfolgerung, daß dritte Staaten ohne ihre Zustimmung nicht verpflichtet werden können.

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internationalen Gemeinschaft” und im  „Konsens der Staatengemeinschaft” zu erblicken. (116) Einerseits wird über die formaljuristische Betrachtungsweise anderer Völkerrechtler hinausgegangen, andererseits werden allerdings die dem Consensus zugrundeliegenden sozialen, politischen und anderen Faktoren nicht genannt.

Die kurz skizzierten Auffassungen über die grundlegende Bedeutung des Consensus für das Völkerrecht haben zwar einen rationalen Kern, dass nämlich die Übereinstimmung der Staaten die unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung des Völkerrechts ist, sie sind jedoch mit mehreren Mängeln behaftet : Sie sind zu abstrakt, allgemein und absolut ; es wird

zwischen den bezüglich des Charakters unterschiedlichen Ergebnissen des Staatenconsensus nicht unterschieden ; sie stehen weder mit dem Interesse noch mit dem Willen der souveränen Staaten in Verbindung ; sie stellen summa summarum keine geschlossene theoretische Konzeption, sondern Gedankenfragmente dar.

Im Unterschied dazu konzentrieren sich andere Völkerrechtler— die wenigsten jedoch in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg— auf die Willensübereinstimmung als Entstehungsgrund des Völkerrechts. An erster Stelle stehen deutsche (117) und

italienische  (118) Juristen. Abgesehen von seltenen Ausnahmen, (119) wird allerdings die Willensübereinstimmungsproblematik zu allgemein und abstrakt behandelt. Es werden keine philosophischen, soziologischen, erkenntnistheoretischen undrechtstheoretischen Untersuchungen angestellt. Die entscheidende Tatsache, dass es gegenwärtig sozialistische, kapitalistische und junge unabhängige Staaten mit unterschiedlichen Interessenlagen und Willen gibt, wird dabei völlig übersehen.

Dies gilt in diesem Kontext teilweise auch für jene Juristen, die ansonsten eine globale Sicht an den Tag legen. (120) Gleiches kann auch hinsichtlich des Charakters des Völkerrechts konstatiert werden.

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116. Vgl. R. Bernhardt, Ungeschriebenes Völkerrecht, in : Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Band 36 Nr. 1—3, Stuttgart 1976, S. 54.

117. Vgl. vor allem Th. Niemeyer, Völkerrecht, Berlin und Leipzig, 1923, der eine abgerundete Konzeption über die Willensübereinstimmung erarbeitete, wobei er sie mit Staatenkonsens gleichsetzte: „Das Völkerrecht besteht aus den durch übereinstimmenden Willen der Staaten für deren gegenseitige Beziehungen aufgestellten Rechtsnormen.” Ausgehend von der staatlichen Souveränität, betont er ferner, daß der Staatenkonsens die „einzige Quelle alles geltenden Völkerrechts ist” (S. 7, 11—15, 18/19). Vgl. ferner : A. Hold v. Ferneck, Lehrbuch des Völkerrechts, 2 Bände, Band I, Leipzig1930—32, (gegen den „Geheimwillen”; der über einstimmende Wille der Staaten ist die Grundlage des Völkerrechts), S. 110, 188; K. Strupp, Règles générales du droit de la paix; in: Recueil de Cours, Académie de droit internationale, Band47, Den Haag1934 (aus der Souveränität und der Gleichheit der Staaten ergibt sich, daß ohne Willensübereinstimmung kein Völkerrecht möglich ist), S. 301.

118. Vgl. in erster Linie T. Perassi, Teoría dominicata delle di norme giuridiche in diritto internazionale, in: Rivista di diritto internazionale, Milano 1917 („das wesentliche Moment der Vereinbarung ist die Willensübereinstimmung von zwei oder mehr Staaten”), p. 290 und M. Gulano, La communita internazionale e il diritto, Padova1950, p. 81.

119. Paradigmatisch ist hierfür Ch. Chaumont zu nennen, nach dessen Meinung die übereinstimmenden Willen ihre Ziele weiterhin nicht aufgeben. Er empfiehlt, Authentizität und Dauer der Willensübereinstimmung von konkreten, analysierbaren Faktoren abhängig zu machen und versucht dabei, eine dialektische Betrachtungsweise zu entwickeln („L’application de la méthode dialectique à l’analyse du droit et en particulier du droit international”).

Vgl. Methode d’ analyse du droit international, in : Revue belge de droit international, Tome XI, No.1, Bruxelles1975, p. 32—33.

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Mehrere Völkerrechtler vertreten zwar die richtige Auffassung, dass das Völkerrecht einen Koordinationscharakter besitzt (121) bzw. eine Koordinationsordnung dar stellt. (122) Geht es aber um die politische Qualifizierung und Einordnung des Völkerrechts, dann beschränken sie sich auf Oberflächenerscheinungen. (123) Gerade die politische Einschätzung des Völkerrechts ist aber von besonderer Wichtigkeit, will man das Wesen, die Funktion und die Bedeutung des Völkerrechts erfassen.

In diesem Zusammenhang kann das Völkerrecht im Großen und Ganzen folgendermaßen beurteilt werden : Es gilt in unserer Epoche, in der die friedliche Koexistenz das politische Grundprinzip in den Beziehungen zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung darstellt ; die friedliche Koexistenz ist die allgemeinpolitische Grundlage des Völkerrechts, das somit einen allgemeindemokratischen Charakter besitzt ; (124) die wichtigste Aufgabe des Völkerrechts ist die Friedenssicherung, deshalb kann es als Friedensrecht betrachtet werden; es ist universell, d. h. es gilt für alle Staaten, wobei hier hauptsächlich die Grundprinzipien und die anderen Normen mit Jus-cogens-Charakter gemeint sind; es trägt zum sozialen Fortschritt vor allem durch die Schaffung günstiger äußerer Bedingungen für den nationalen und sozialen Befreiungskampf  bei ;

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120. So z. B. O. Kimminich, der zu den wenigen deutschen Völkerrechtlern gehört, welche die neuesten Entwicklungen in den internationalen Beziehungen und im Völkerrecht einfangen und sich dazu äußern, wie u. a. sein Beitrag „Das Völkerrecht und die neue Weltwirtschaftsordnung”, in : Archiv des Völkerrechts, Band 20, Nr. 1, Tübingen1982, S. 2—39 eindeutig zeigt. Hierin schreibt er : „…denn die Ordnung des Völkerrechts gründet sich auf die Willensübereinstimmung und nicht auf den Willen einer globalen Diktatur” (S. 26).

121. Vgl. stellvertretend für andere : H. Mosler, Die Erweiterung des Kreises des Völkerrechtssubjekte, in : Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Band22, Stuttgart 1962(„Das Völkerrecht ist que definitione ein Koordinationsrecht”), S. 38 ; W. Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, Tübingen 1967, S. 1; E. Menzel—K. Ipsen, Völkerrecht, Ein Studienbuch, München 1979 (Nachteile des Völkerrechts als eines Koordinationsrechts : langsame Entwicklung, da abhähgig vom Kooperationswillen aller Mitglieder ; Vorteile : Beständigkeit und Nähe zur Wirklichkeit), S. 40 ; L. Delbez, Les principes généraux du droit international public, Paris1964, p. 28 ; indirekt auch R. Pinto, Le Droit des Relations Internationales, Paris 1972 (das Völkerrecht regelt die Beziehungen zwischen souveränen Staaten), p. 84, T. Gebrehana, Duty to Negotiate, An Element of International Law, Uppsala1978 (das Völkerrecht als „Recht der Koordinierung und Anpassung”), p. 35, H, Lauterpacht bezweifelt hingegen den Koordinationscharakter des Völkerrechts. Vgl. The Function of Law in the International Community, Hamden, Connecticut 1966, p. 418, 419; derselbe, International Law, collected Papers (Ed. b. E. Lauterpacht),Cambridge 1970, p. 196.  122 122. Vgl. paradigmatisch: A.P. Sereni, Diritto Internazionale, I, Milano 1956, p. 86 ; P. Vellas, Droit International Public, Paris 1967, p. 16 ; A. Verdross, Völkerrecht, Wien 1964, S. 17 ff.; P. Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts, Band 1, Genf 1948, S. 3. 123.

123. So schätzt z.B. L. Delbez, Les principes généraux…,a.a.O., das Völkerrecht als ein „egoistisches Recht” ein, da es den Staaten nicht verbietet, ihre Eigenen Interessen zu befolgen und dadurch anderen Staaten zu schaden (p. 16) ; W. Friedman, The Changing Structure of International Law, New York 1966 (das  Völkerrecht verlangt als „kooperatives Recht” Gemeinsamkeit der Staateninteressen), p. 57. Von den genannten Autoren unterscheidet sich B. J. Theutenberg, der eine universalhistorische und globale Sicht entwickelt. Er sieht einen modus  vivendi zwischen der Rechts- und Völkerrechtsauffassungen der westlichen, der sozialistischen und der jungen unabhängigen Staaten. Vgl. Changes in the norms guiding the international legal system-history and contemporary trends, in : Nordisk Tidsskrift for international Ret, Acta scandinavica juris gentium, Vol. 50, No. 1—2, Kobenhavn 1981, p. 32, 39.

124. Vgl. auch G. W. Ignatenko—D. B. Ostapenko, Meschdunarodnoje prawo, Moskwa 1978, S. 30—35.

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das Völkerrecht widerspiegelt in gewisser Hinsicht allgemein-menschliche Werte. (125)

Diese offenkundig unterschiedliche Auffassung über  den Charakter des Völkerrechts schließt wiederum nicht aus, dass

sozialistische und bürgerliche Völkerrechtler das Völkerrecht im Prinzip ähnlich definieren  und zwar als ein System (126) bzw. als einen Komplex von Rechtsnormen über die Regelung der zwischenstaatlichen Beziehungen. (127) Die Rechtsnormativität des Völkerrechts wird also im Prinzip bejaht. Es gibt aber auch andere Auffassungen. Soweit überblickbar, hat die „New Haven approach” ( McDougal) die normative Komponente des Völkerrechts am gründlichsten über Bord geworfen, indem das Völkerrecht als ein „Prozeß der Wertmaximierung” („maximization of values”) und als eine Abfolge autoritativer Entscheidungen („flow of decisions”) betrachtet wird. (128 )

Das Völkerrecht ist nicht nur ein System von allgemeinverbindlichen Verhaltensnormen und damit ein allgemeinverbindlicher Maßstab für alle Staaten, sondern auch ein Regulator gesellschaftlicher Verhältnisse in den internationalen Beziehungen. Es besitzt ferner eine zielsetzende, bewertende  sowie, zumindest theoretisch, eine Zwangsfunktion, deren Realisierung vom  konkreten internationalen Kräfteverhältnis abhängt. Seine typische Eigenschaft ist bei aller Bedeutung anderer Faktoren wie des Rechtsbewusstseins,  des Gerechtigkeitsempfindens etc. die Rechtsnormativität. (129) Somit wird hier  für einen „engen” Völkerrechtsbegriff plädiert. Dabei wird die Rechtsnormativität des Völkerrechts im Blickwinkel der Philosophie als das Maß betrachtet, das angibt „bis zu welcher unteren und oberen Grenze eine quantitative Veränderung stattfinden kann, ohne dass eine Qualitätsänderung eintritt. Überschreiten die quantitativen Veränderungen diese Grenze, so hört das Maß auf, Maß des gegebenen Gegenstandes zu sein. Es kommt zu einer qualitativen Veränderung des Gegenstandes.” (130)

Wird dieses  Maß verändert, dann hört das Völkerrecht auf, Recht zu sein. Deswegen ist  die Verteidigung der Völkerrechtsnormativität die ureigenste und Vornehmste Aufgabenstellung der Völkerrechtler.

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125. Bezüglich der allgemeinmenschlichen Werte vgl. W. I. Jewintow, Obschtscheprisnannyje normy meschdunarodnogo prawa i ideologitscheskaja borba,in :  Sowjetkoje gossudarstwo prawo, i Nr. 7, Moskwa 1983, S. 118.

126. Vgl. G. W. Ignatenko—D. B. Ostapenko, Meschdunarodnoje prawo, a. a. O., S. 7.

127. So G. Morelli, Nozioni di diritto internazionale, Padova 1963 (dieser Normenkomplex stellt die internationale Rechtsordnung dar), p. 6 ; R. Monaco, Diritto Internazionale, in : Grande Dizionario Enciclopédico, VI, Torino 1968, p. 383 und T. Gihl, The legal Charakter and Sources of international Law, in : Scandinavian Studies in Law, Vol. I. Uppsala 1957, p. 51. 128

128. Vgl. hierüber ausführlich : K. Krakau, Missionsbewußtsein und Völkerrechtsdoktrin in den Vereinigten Staaten von Amerika, Hamburg, Frankfurt/M.1967, S.461 ff ; H. Neuhold, Internationale Konflikte—verbotene und erlaubte Mittel ihrer Austragung, Wien, New York 1977, S.6 ff. ;K. B. Baum, Die soziologische Begründung des Völkerrechts als Problem der Rechtssoziologie, in : Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bielefeld 1970, S. 261 ff.

129. Die Völkerrechtsnormativität gegen verschiedene Verwässerungsversuche  („soft law” etc.) wird von P. Weil vehement und überzeugend verteidigt. Vgl. Vers une normativité relative en droit international ? in: Revue général de droit  international public, Tome 86, No.1, Paris 1982, p. 44—46.

130. G. Bartsch—G. Klimaszewski, Materialistische Dialektik—ihre Grundgesetze und Kategorien, Berlin 1975, S. 176—177.

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3cc) Politisch-rechtliche und politisch-nichtrechtliche Normen als unterschiedliche Ergebnisformen des Normenbildungsprozesses

3cca) Die politisch-rechtlichen Normen als Ergebnisform des  Normenbildungsprozesses

Auch in diesem Abschnitt gilt es, die neuen bzw. neuesten Erkenntnisse der Rechtstheorie zu berücksichtigen und sie natürlich unter Beachtung der Besonderheit des völkerrechtlichen Normbildungsprozesses für die Zwecke der Erarbeitung einer Normbildungstheorie zu verwerten.

Die einzelne Rechtsnorm steht im innerstaatlichen Recht mit dem Recht in einem Wechselverhältnis, „das Beziehungen zwischen Allgemeinem und Einzelnem ausdrückt”. Dabei umfasst das Recht nicht alle Besonderheiten der einzelnen Rechtsnorm ; die Rechtsnormen gehen „nicht vollständig im Begriff des Rechts auf”. (131) Die einzelne Rechtsnorm ist „die kleinste sinnvolle Einheit des Systems des geltenden objektiven Rechts, für die die allgemeinen Eigenschaften des Rechts zutreffen”. (132)

Es handelt sich um folgende Eigenschaften :

a) Die Allgemeinheit (Generalität). Sie bedeutet in erster Linie, dass die Rechtsnormen für mehrfache Anwendung durch die Rechtssubjekte bestimmt sind und für ihr Verhalten gleiche Maßstäbe setzen. Es wird also von den konkreten Sachverhalten abstrahiert und es werden ungleiche, aber gleichartige Rechtssubjekte und Vorgänge am gleichen Maßstab gemessen. Die Allgemeinheit bedeutet ferner, dass die in den Rechtsnormen fixierten Handlungsaufforderungen abstrakten Charakter besitzen. Sie existieren somit noch nicht als konkrete Rechte und Pflichten eines konkreten Rechtssubjekts. Die allgemeinen Verhaltensmaßstäbe werden individualisiert ;

b) die Rechtsnormen haben außerdem Aufforderungscharakter, der von verschiedener Intensität und Schärfe sein kann.Hieraus ergibt sich, dass die Rechtsnorm ein allgemeinverbindlicher und formalbestimmender allgemeiner Verhaltensmaßstab ist. ( 133) Diese rechtstheoretischen Erkenntnisse können m. E., etwas differenziert, auf das Völkerrecht angewandt werden.

In einem hohen Abstraktionsgrad stellt die Rechtsnorm auch im Völkerrecht die kleinste sinnvolle Einheit und die „primäre Zelle”(134 ) dar.

Während aber die Eigenschaften der Allgemeinheit, Allgemeinverbindlichkeit und Abstraktheit für alle Jus-cogens- Normen, vor allem für die Grundprinzipien gelten, ist dies bei konkreten Vertragsnormen nicht unbedingt der Fall. (135) Die Eigenschaft hingegen, Verhaltensmaßstab zu sein, gilt für alle Rechtsnormen. Ähnlich verhält es sich auch mit den Elementen einer Rechtsnorm, die nach gängiger Auffassung drei Bestandteile haben soll : a) Prämisse (Hypothese), die angibt, unter welchen

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131. Marxistisch—leninistische Staats- und Rechtsthehorie, Berlin1980, S. 521.

132 W. Grahn, Die Rechtsnorm— eine Studie, Leipzig 1979, S. 6. Seiner Kritik an der Beschränkung der Rechtsnorm auf die Begründung von Rechten und Pflichten ist zu folgen.

133. Vgl. Marxistisch—leninistische Staats- und Rechtstheorie, a.a.O.,  S.5 22, 589 und Marxistisch-leninistische allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, Band 1, Berlin 1974, S. 253, 256.

134. Vgl. auch I. I. Lukaschuk, Mechanism meschdunarodno-prawowogo regulirowanija, Kiew 1980, S. 30.

135. In der Fachliteratur werden jedoch diese Eigenschaften der Rechtsnormen oft undifferenziert behandelt. Vgl. u. a. : I. I. Lukaschuk, ebenda, S. 27—37 ;

K. Skubiszewski, Rechtscharakter der Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in : Fünftes deutsch-polnisches Juristen-Kolloquium, Hrsg. R. Bernhardt—J. Delbrück—I. v. Münch—W. Rudolf, Baden-Baden 1981, S. 13 ; G. Morelli, Nozioni di diritto internazionale, Padova1963, p. 57 ; E. Yemin, Legislative powers in the United Nations and specialized agencies, Leyden1969, p. 5— 6. Die genannten Autoren wollen den Rechtsnormen die Eigenschaften Allgemeinheit und Allgemeinverbindlichkeit zuerkennen.

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Bedingungen eine Rechtsnorm verwirklicht werden muss und festlegt, unter welchen Umständen und Bedingungen für welche Rechtssubjekte Rechte und Pflichten entstehen ; b) Disposition (Erlaubnis, Gebot, Verbot), die das Verhalten festlegt, das beim Vorliegen der Prämisse vom betreffenden Rechtsnormadressaten verbindlich gefordert wird und enthält somit die eigentliche Verhaltensregel ; c) Sanktion. Sie bestimmt die Rechtsfolgen, die für jeden Normadressaten eintreten, der die Disposition verletzt oder nicht verwirklicht. Da es aber schwierig ist, in jedem Artikel und jedem Paragraphen diese Elemente deutlich zu finden, wird vorgeschlagen, etwas differenzierter vorzugehen :

Im Strafrecht sollte die Dreiteilung aufrechterhalten bleiben ; in den anderen Rechtsdisziplinen sollte nur eine Zweiteilung (Prämisse und Disposition) akzeptiert werden. (136 ) Die Dreiteilung bleibt nicht unwidersprochen, weil durch sie ohnehin nicht festgestellt werden kann, die Hypothese und Disposition meistens zu einem Element verschmelzen und weil eine Sanktion für mehrere Dispositionen in Frage kommt. (137)

Der schwerfälligen und nicht überzeugenden Dreigliederungskonzeption ist jene dynamische und logische vorzuziehen, nach der die Rechtsnorm aus einem Tatbestandteil und einem Folgehandlungsteil (hauptsächlich Sanktionen) mit einem Operator besteht. „Für gleichartige Situationen und Bedingungen (Tatbestand) gebietet, verbietet oder erlaubt(Operator) sie ein angegebenes Verhalten (Folgehandlung).” (138) Dabei gestattet der Operator („ist verpflichtet”, „darf”,„ist verboten”, „muss”), eindeutig Normen von allgemeinen Aussagen, Werturteilen und Fragen zu unterscheiden. (139) Im Prinzip kann diese moderne Konzeption von der Rechtsnormstruktur übernommen und auf das Völkerrecht angewandt werden. Zugleich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Folgehandlungsteil (Sanktionen) nicht in jeder Rechtsnorm, sondern vielmehr im Völkerrechtssystem(Grundsatz der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit) enthalten ist. Ginge man von der Dreigliederung aus, so wäre es m. E. kaum möglich, alle drei Elemente in einer Völkerrechtsnorm zu finden, weil die Mehrzahl der Völkerrechtsnormen nur eine Disposition enthalten.( 140) Deshalb ist im Völkerrecht die Dreigliederungsthese abzulehnen. (141 )

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136. Vgl. Marxistisch—leninistische Staats- und Rechtstheorie, a. a. O., S. 529— 530.

137. Vgl. H. Klenner, Grundsatzprobleme im Vorfeld einer Rechtsbildungstheorie, In : K. A. Mollnau (Hrsg.), Probleme einer Rechtsbildungstheorie, Berlin 1982, S. 27.

138. W. Grahn, Recht als eine besondere Widerspiegelung der Gesellschaft, in : Staat und Recht, Nr. 2, Berlin 1982, S. 162. Derselbe, Die Rechtsnorm— eine Studie. Leipzig1979, S. 5, 21

139. Vgl. H. Klenner, Zur logischen Struktur sozialistischer Rechtsnormen  (Thesen), in : Wissenschafliche. Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena,  Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Jena1966, S. 451 ff.

140. Vgl. I. I. Lukaschuk, Mechanism meschdunarodno-prawowogo…, a. a. O., S. 30.

141. Sie wird von S. W. Tschernitschenko mit besonderer Vehemenz verteidigt. Er meint u. a., dass kein Element fehlen darf, sonst handle es sich um keine Völkerrechtsnorm. Vgl. Normy meschdunarodnogo prawa, ich sosdanije i osobennosti ich struktury, in : Sowjetskij jeschegodnik meschdunarodnogo prawa1979, Moskwa 1980, S. 54. Ähnlich auch N. W. Mironov, Meschdunarodnoje prawo : normy i ich juriditscheskaja sila, Moskwa 1980, S. 30.

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Unabhängig  von der Anzahl der Rechtsnormbestanteile  stellt die Rechtsnorm   eine einheitliche Verhaltensvorschrift und    ein    einheitliches Ganzes dar. (142)   Sie  hat  damit Widerspiegelungs- und  Gestaltungsfunktion. (143) Als  Verhaltensvorschriften realisieren sich die  Rechtsnormen  vorwiegend   in   Rechtsverhältnissen.   Hieraus  ist ersichtlich,da Rechtsnormen   und   Rechtsverhältnisse   einen unlöslichen Zusammenhang bilden. (144)

Das heißt aber  nicht, dass  die  Rechtsverhältnisse   in den Rechtsnormbegriff   einbezogen werden dürfen,  weil sie  sich auf die  Realisierungsseite   und  nicht auf  den Inhalt der Rechtsnorm erstrecken. Die  Rechtsverhältnisse sind vielmehr die Hauptform, in der das Völkerrecht  seine regulierende Funktion ausübt. (145) In der Rechtstheorie wird zwischen den Rechtsnormen und  den Rechtsprinzipien unterschieden. Durch die Rechtsnormen existieren die Rechtsprinzipien, deren  Besonderheit  darin besteht,  „dass  sie  unbestimmter  in  der Angabe des  gesollten Verhaltens  als viele  Rechtsnormen  sind, dafür aber von grundlegender Bedeutung. Hinsichtlich der  Bestimmtheit   der  Verhaltensaufforderung    und    der    Bedeutung der Aufforderung unterscheiden    sich    Rechtsnormen und Rechtsprinzip.” (146)  Diese rechtstheoretische Unterscheidung  kann für die Zwecke des Völkerrechts übernommen werden, weil  sie im Prinzip einleuchtet.  Das  würde dann  bedeuten, dass die  Prinzipien  sowohl hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches wie   auch   hinsichtlich der   Anwendungssituation   sowie der von ihnen   vorgesehenen Rechte und   Pflichten allgemeiner,   umfangreicher  und  von  größerer Bedeutung als  die  Normen  sind,  die eigentlich  die Prinzipien  spezifizieren. Zwischen  ihnen gilt somit das Verhältnis  von Allgemeinem und Besonderem. (147) So ist es  beim völkerrechtlichen Prinzip   des   Selbstbestimmungsrechts  und  der Gleichberechtigung der Völker,   das  sich in vielen speziellen  Normen  realisiert. In diesem  Falle  geht  es  also  um  ein Verhältnis zwischen  unterschiedlich  wichtigen Erscheinungen, die  aber  im  Blickwinkel des   gesamten Völkerrechtssystems gesehen, rechtliche Normen darstellen, die dann unterschieden werden   können :   Grundnormen und   spezielle   Normen,   die   m.   E. als Synonyme   mit   den Begriffen Grundprinzipien und  spezielle Prinzipien   zu betrachten   wären.

Hiermit  entsteht das Normenhierarchieproblem    im Völkerrecht. Die Normenhierarchie ergibt  sich aus   der inneren Struktur des   Rechts,   aus dem Begriff des Rechts  als eines Systems von  Normen, aus dem  strukturellen  Begriff der Systemkategorie   als solcher und aus der Verbindung und gegenseitigen Abhängigkeit  der durch die Rechtsnormen erfassten  und  geregelten Bereiche   des gesellschaftlichen   Lebens. Somit ist die Normenhierarchie

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142. Das   ist   m. E. entscheidend   und nicht so sehr die   Frage,   ob   die Rechtsnorm eine Willenskoordinierung oder   eine Willensübereinstimmung   darstellt. Vgl ähnlich auch I. I.  Lukaschuk, Mechanism meschdunarodno-prawowogo…, a. a. O., S. 29.

143. Vgl.   auch O.   Kimminich, Völkerrecht im Atomzeitalter, Der Atomsperrvertrag und  seine  Folgen, Freiburg im Breisgau1969,  S.   309.

144.  Vgl. Marxistisch—leninistische    Staats- und   Rechtstheorie, Berlin1980,   S. 585.

145.  Vgl. auch   I. I. Lukaschuk, Otnoschénija mirnogo sosustschestwowanija    i méschdunarodnoje   prawo, Kiew1974,  S. 135.

146. W. Grahn, Die Rechtsnorm—  eine Studie,   a.a.O., S. 56—57

147. Eine ähnliche Auffassung vertreten mehrere Völkerrechtler : V.Outrata, K pojmu obecnych    a základnich    zásad mezinárodniho práva,   in : Casopis   pro mezinárodní právo,   Nr.   3, Praha 1961, S.191 ; N. N. Uljanowa,   Obstschi je mnogostoronnije dogowory w    sowremennych meschdunarodnych otnoschenijach,   Kiew1981,  S.   106—107 ; T. Gihl,   The legal Character and Sources of  international  Law, a. a. O.,  p.  91.

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das Ergebnis des dialektischen Aufbaus des   Rechts, seiner   Kategorien,   der Existenz   von   Strukturbeziehungen,    verschiedener Ebenen   und Ordnungen.

Die Hierarchie ist aber  nicht identisch mit der Subordination, weil  es  bei  der Hierarchie   um die Herkunft und die  Kategorie   der   Normen   geht,   während sich  die Subordination  auf das Prioritätsverhältnis zwischen  den  Normen  bezieht.

Dennoch besteht   zwischen der  Hierarchie   und   der Subordination von Normen ein  enges Verhältnis. Die  Normenhierarchie  gestattet  es, sich  bei der großen Anzahl der Normen zu recht zu   finden. (148) Die gründlichsten Rechtsnormenklassifizierungsversuche haben m.   E.   sowjetische Völkerrechtler   unternommen. (149) Die  Vielzahl der normierten  Bereiche der internationalen   Beziehungen   lässt mehrere und relativ   umfangreiche Rechtsnormenklassifizierungssysteme  entstehen, deren  praktischer  Nutzen  und theoretische Bedeutung  jedoch  nicht  in jedem Falle überzeugend  sind.

Es kommt vielmehr auf die  Bedeutung  einer  konkreten Völkerrechtsnorm für die Erhaltung   des  Weltfriedens an. Sind   bestimmte Völkerrechtsnormen für die Friedenssicherung   unabdingbar,   dann sollte   ihnen die   Qualität   der   Grundnormen (Grundprinzipien)   zuerkannt   werden,   um   eben   ihre   herausragende  Bedeutung gegenüber den anderen  Rechtsnormen zu unterstreichen. Diese  Unterscheidung scheint zweckmäßiger  zu sein als  jene übliche zwischen dem  Jus  cogens  und dem Jus dispositivum, weil  zu den   Jus-cogens-Normen   außer den Grundprinzipien  weitere Prinzipien gehören. (150)

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148.Vgl.   hierzu die gründlichen Untersuchungen von N. W. Mironow, Meschdunarodnoje prawo : normy i   ich   juriditscheskaja sila, Moskwa    1980,   S.    24—2638/39.

149.   I. I.  Lukaschuk,  Mechanism…, a. a. O., S. 38,  klassifiziert  die   Völkerrechts- normen   in   Großen   und Ganzen   nach   folgenden Kriterien : a)   nach   der juristischen Kraft (imperative, dispositive) ;   b)   nach   dem Geltungsbereich    (universelle, regionale,   lokale) ; c) nach der Teilnehmerzahl   (mulilaterale,   Gruppennormen,    bilaterale) ; d)   nach den Subjekten   (Staaten,   internationale Organisationen) ;   e)   nach dem Grad   der Verallgemeinerung    (allgemeine, spezielle)  ; f)   nach der   Art   und Weise der    Schaffung    und    der    Existenzform (vertragliche,    gewohnheitsrechtliche) ; g) nach   der   Regelungsmethode    (verpflichtende,   verbietende,    ermächtigende).    N. W. Mironow, Meschdunarodnoje prawo : Normy…, a.  a. O.,   S.   29, nimmt   eine   andere Normenklassifizierung   vor :   a) nach   der Natur   und   dem   Charakter    (imperative,dispositive,   empfehlende,   appellierende,   deklarative,   alternative, fakultative, ständige, zeitweilige)  ;  b)   nach dem   Geltungsbereich    (universelle,   allgemeine regionale) ;  c)   nach den zu   erfüllenden Funktionen :   (zunächst   materielle   und prozessuale   und dann weitere Unterteilung nach    der Realisierungsmethode empfehlende, schlichtende, ermächtigende, verpflichtende,    verbietende     usw.). Hierzu ist zu sagen, dass   „empfehlende”,    „appellierende” und„deklarative”   Normen eigentlich    politisch-nichtrechtliche   Ergebnisformen des Willens bzw. Normbildungsprozesses    sind. Man sollte   daher solche Adjektiva   nicht   unbedingt auf die Rechtsnormen anwenden. A.  S.  Gaverdowskij, der offenkundig Arbeitsergebnisse I.I. Lukaschuks   und  anderersowjetischer   Völkerrechtler umfangreich   verwertet,   hat zwar ein fast perfektes, jedoch    kaum    überschaubares Klassifizierungssystem    entwickelt.     Vgl. Implementazija   norm meschdunarodnogo   prawa,   Kiew    1980, S.20—21,   26—30, 47   Er  nennt   u. a. auch  die„empfehlenden” Normen   (S. 30).  Dieser   Meinung   kann   ebenfalls   nicht   zugestimmt werden. G.Morelli,   Nozioni   di diritto internazionale,   Padova   1963,   p. 54—66   klassifiziert die Völkerrechtsnormen   nach anderen   Kriterien :   Hinsichtlich   des   Kreises   derer, für die   die   Normen   gelten ; bezüglich   des Normgegenstandes ; bezüglich der jeweiligen  Position der Destinatare   etc.

150. Vgl.   P.   Terz, Zum Jus   cogens im demokratischen   Völkerrecht, in :  Staat   und Recht,   Nr.   7, Berlin   1978,  S. 617.  Zur Kritik entsprechender bürgerlicher Auffassungen Vgl. E. J. B. Koloma, Kritische Analyse   bürgerlicher Auffassungen   über   das  Jus  cogens im Völkerrecht der Gegenwart, Dissertation A, Leipzig 1981 und P. Terz,   Bürgerliche Auffassungen   über Grundprinzipien   und  jus cogens   im Völkerrecht,  in : Neue Justiz, Nr. 7, Berlin   1983, S. 279 ff.

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Unter Zugrundelegung    der UNO-Prinzipiendeklaration    von    1970   kann   davon ausgegangen    werden, dass  es gegenwärtig sieben völkerrechtliche    Grundprinzipien gibt.   Zu den   wichtigsten Merkmalen   der Grundprinzipien  des  Völkerrechts  liegen zwar relativ viele Publikationen   hauptsächlich sowjetischer Völkerrechtler vor.   Es fehlen jedoch die der  überragenden   Bedeutung der Grundprinzipien adäquaten Systematisierungskriterien.

Hier soll daher der Versuch unternommen  werden,  die Bedeutung  der Grundprinzipien

nach bestimmten notwendigen Kriterien herauszuarbeiten. :

a)  Nach   ihrer   Bedeutung allgemein    in den internationalen Beziehungen stellen :  eine Widerspiegelung der Hauptziele der internationalen Zusammenarbeit, der  grundlegenden   allgemeinen Interessen und der ideologischen  Hauptrichtungen  des gesamten Systems  der internationalen Beziehungen  und  einen  Garant  der  legitimen  Rechte  und Interessen der Völker  dar. (151)

b)  Nach   ihrer   Bedeutung speziell   für das Völkerrecht : die Grundprinzipien   sind Hauptkern   und   normative Eckpfeiler des Völkerrechts, Ausdruck   der inneren   Grundlage des gesamten Völkerrechtssystems   und des Hauptinhalts des Völkerrechts ; (152)   sie  stellen weiter orientierende  Richtlinien für  die Weiterentwicklung   des   Völkerrechts dar und   zeigen   überhaupt   die Hauptrichtungen der Entwicklung des  Völkerrechtssystems  an ; (153)  sie  können  in der  Tat  bezüglich der  überragenden  Bedeutung  mit den  Verfassungsprinzipien  im  „innerstaatlichen   Recht“ verglichen   werden ; (154) sie sind ein   „Mindeststandard   jeder   rechtmäßigen Gestaltung   internationaler   Beziehungen”, (155)   ein   stabiler   Faktor der internationalen zwischenstaatlichen   Beziehungen, (156) sie   besitzen   eine funktionale   und   strukturelle Rolle im Völkerrechtssystem und   sind   in   diesem   Rahmen   unabdingbar   für   das normale und effektive   Funktionieren   des völkerrechtlichen   Regulierungssystems ; (157)sie sind   derart unentbehrlich in den internationalen zwischenstaatlichen Beziehungen, dass ihre Negierung der Leugnung des Völkerrechts gleichkäme ; (158) sie   können ferner als eine   wichtige  Grundlage  für  die Mobilisierung  der Volksmassen zur  Durchsetzung des Völkerrechts  betrachtet  werden. (159)

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151. Vgl. auch   I.I. Lukaschuk, Mechanism…, a. a. O., S. 40, 56, 60,162. Vgl.   auch : Meschdunarodnoje prawo,   Moskwa   1974, S.152 ;  A.S. Gawerdowskij,  Implementazija  norm…, a.  a. O.,  S.  22 ; A. N. Talalajew, Juriditscheskaja priroda meschdunarodnogo dogowora, Moskwa1963,  S.   171; Völkerrecht,   Lehrbuch,   Teil   1, Berlin1981, S. 109 ; E.  A. Puschmin, O  ponjatii osnownych   prinzipow   sowremennogo obstschego meschdunarodnogo   prawa,   in : Sowjetskij   jeshegodnik meschdunarodnogo    prawa, in :   Sowjetskij jeschegodnik meschdunarodnogo    prawa    1978,  Moskwa 1980,   S.   83 ; R.   R.   Bobrow, Sowremennoje meschdunarodnoje   prawo (objektiwnyje   predpossylki   i sozialnoje   nasnatschenije), Leningrad   1962, S. 71.

153. Vgl. auch : B. Graefrath,    O   meste    prinzipow w    sisteme  sowremennogo meschdunarodnogo prawa, in :  Prawowedenije,   Nr.   2, Leningrad 1969, S.   113 ;   E. A. Puschmin, O  ponjatii   osnownych   prinzipow…, a.   a. O., S. 76.

154.  Vgl.  auch   R. L. Bobrow,   Sowremennoje meschdunarodnoje    prawo…,     a.  a.  O., S. 76.

155. Vgl.   auch   Völkerrecht,   Lehrbuch,   Teil1, Berlin   1981,   S.   106.

156. Vgl.   auch :   B. Graefrath, Zur Stellung der Grundprinzipien   im gegenwärtigen Völkerrecht, Berlin1968, S. 24 ; G. W. Ignatenko, Meshdunarodnoje prawo   i   obstschestwennyi progress,   Moskwa1972, S.75.

157.  Vgl.  Auch : E.  A. Puschmin, O ponjatu osnownych prinzipow…,   a. a. O., S. 83 ; D.   I. Feldman—G.I. Kurdjukow—W. N.Lichatschow, O sistemnom podchode   w  nauke meschdunarodnogo prawa ,  in : Prawowedenije,   Nr. 6,  Leningrad   1980, S. 46 ;  I. I.  Lukaschuk,  Mechanism…, a.  a.  O.,  S. 28, 56.

158. Vgl. auch  N. W. Mironov, Meschdunarodnoje   prawo : Normy…,   a. a. O., S. 89.

159. Vgl.    auch K.   Becher, Die   Grundprinzipien    des   demokratischen    Völkerrechts und ihre Bedeutung für das Völkerrechtssystem, in : Deutsche Außenpolitik, Nr. 1, Berlin 1982, S. 92.

160. Vgl. auch E.A. Puschmin, O ponjatii osnownych prinzipow…, a.a.O., S. 83 ; Meschdunarodnoje prawo, Moskwa 1974, S. 152.

161. Vgl. auch  I.I.Lukaschuk, Elementarnyje normy wsaimootnoschenij sozialistitscheskich i i kapitalistitschechkich gossudarstw, in : Westnik Kiewskogo Universiteta, ser. Meschdunarodnyje otnoschenija i meschdunarodnoje pravo, Nr. 10, Kiew 1980, S.20.

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c) Nach ihrer Bedeutung  speziell für die anderen Prinzipien und Normen des Völkerrechts : Die Grundprinzipien   bestimmen   den Inhalt   der   anderen   völkerrechtlichen Prinzipien und   Normen und sind Maßstab,   an dem   die   Völkerrechtsmäßigkeit anderer   Prinzipien und   Normen gemessen wird und   auch   unentbehrlich   für ihre Auslegung. (160) Infolgedessen   haben   die anderen   Prinzipien und Normen mit den   Grundprinzipien   in Übereinstimmung zu stehen   (Artikel   103 der UNO-Charta), andernfalls   sind   sie   von Anfang an (ab initio, ex   tunc) rechtsungültig   (Artikel   53 der Wiener   Vertragsrechts-konvention von  1969).

d)  Unter Berücksichtigung     ihres Charakters :    Die Grundprinzipien   besitzen im Völkerrecht die höchste  politische, moralische  und vor allem juristische Kraft (161) und stehen damit an der Spitze der Prinzipienhierarchie ; (162) sie besitzen    einen    allgemeinen bzw. allgemeindemokratischen Charakter ; (163) sie stellen allgemeinanerkannte,   allgemeinverbindliche Normen mit   einem   unbegrenzten Adressatenkreis (164)   dar ; siesind verpflichtende   und verbietende Normen ; (165) die Grundprinzipien besitzen ferner einen Jus-cogens-Charakter,  d. h. sie  sind für  alle  Staaten  zwingend  verbindlich  und von  ihnen darf daher nicht abgewichen  werden. Hierbei handelt es sich  um  ein Nichtabweichen  im  doppelten  Sinne :  Einmal darf  ein Staat ein Grundprinzip  für  sich selbst auch  durch  ausdrückliche  Erklärung  oder  durch  konkludentes  Verhalten nicht ausschließen.  Zweitens  dürfen  Grundprinzipien   auch nicht freiwillig durch  Verträge zwischen  den  Staaten aus ihren  Beziehungen zueinander ausgeschlossen werden. Durch den Jus-cogens-Charakter der Grundprinzipien   werden die  Einhaltung des  Aggressions- und Annexionsverbotes, die Förderung  der friedlichen   internationalen   Zusammenarbeit, die   Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen   den   Staaten   und ein interventionsfreies Zusammenwirken der  Staaten bei   der   Lösung   der verschiedenen Probleme   gewährleistet ; (166)   die   Grundprinzipien   stellen schließlich,   obwohl   jedes einzelne von   ihnen  eine  relative  Selbständigkeit  besitzt,   ein einheitliches Ganzes, also ein  System   dar. (167)  Daher  ist das  wesentliche   Merkmal des Systems   der völkerrechtlichen    Grundprinzipien ihre Abgeschlossenheit   und    Koordiniertheit. (168)

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162. Vgl.   auch   K. Becher, Die Grundprinzipien des demokratischen    Völkerrechts…,a. a.   O., S. 92.

163. Vgl. auch :  G. I.    Tunkin, Woprossy     teorii meschdunarodnogo     prawa,   Moskwa 1962,  S. 157 ; W.  A.   Masow, Prinzipy Chelsinki i  meschdunarodnoje prawo,   Moskwa 1980, S. 19.

164.  Vgl.   auch :  D.  I. Feldmann—G.  I.  Kurdjukow—N. Lichatschow,   O sistemnom podchode…, a. a. O., S. 46 ; E. A. Puschmin, O ponjatii osnownych prinzipow…, a. a. O., S. 83.

165. Vgl.   auch R. L.  Bobrow, Sowremennoje meschdunarodnoje prawo,   a. a.   O., S. 73.

166.  Vgl. Völkerrecht,   Lehrbuch,   Teil 1, Berlin   1981,  S. 104.

167. Vgl. auch Meschdunarodnoje   prawo, Moskwa   1974, S.   152 und Völkerrecht, Lehrbuch,   a.   a.   O., S. 103—104.

168. Vgl.   E.  T.  Rulko, Ponjatije   structury meschdunarodnogo   prawa (metodologitscheskije   aspekty),   in : Westnik Kiewskogo   universiteta, a.   a. O., Nr. 10, Kiew 1980, S. 27  ff.

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Aus dem Systemcharakter der Grundprinzipien   ergibt sich   ihre   rechtliche   Gleichwertigkeit. Dies schließt,   m. E. aber nicht   aus,   dass  unter bestimmten historischen Bedingungen eines der   sieben Grundprinzipien in den   Mittelpunkt der Aufmerksamkeit   rückt, eine prononciert aktuelle Bedeutung gewinnt und,   so betrachtet, etwas   wichtiger als die   anderen Grundprinzipien   sein kann. Während z.  B.  in den 60er  Jahren im Rahmen  der weltweiten  Bestrebungen   zur  Beseitigung des  Kolonialismus das  Grundprinzip der Gleichberechtigung und  des Selbstbestimmungsrechts der Völker   und  Nationen   im   Zentrum  der  internationalen Klassenauseinandersetzung   stand, spielt   gegenwärtig das Grundprinzip des Gewaltandrohungs- und   -anwendungsverbots   angesichts der akuten  Friedensbedrohung eine dominierende Rolle. (169)

Die Grundprinzipien  zeichnen sich  genauso wie  das gesamte  System des   Völkerrechts durch eine  hohe Dynamik und Anpassungsfähigkeit   aus. Hieraus  ergibt sich, dass sowohl die bereits vorhandenen Grundprinzipien weiter entwickelt   und konkretisiert werden,   als  auch sukzessive neue Grundprinzipien  entstehen können. Entscheidend ist dabei, dass ein solcher Prozeß sich auf  der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen universellen Charakters,   so etwa im Sinne der Artikel   53   und 64 der Wiener Vertragskonvention   vollzieht. So könnte in der Zukunft als   Ergebnis gesellschaftlicher Bedürfnisse   und  Notwendigkeiten das  Grundprinzip der Abrüstung entstehen,   das immer  noch einen   politisch-moralischen   Charakter   besitzt. Hierzu   bedarf   es allerdings weiterer harter Auseinandersetzungen zwischen den Staaten der beiden Weltsysteme, deren Zustimmung zu  einem   neuen   Grundprinzip   unabdingbar   ist.

Dies ergibt   sich  konsequenterweise aus  der  friedlichen  Koexistenz und dem Kompromisscharakter   des Völkerrechts. Meines Erachtens sollte jedoch nicht   so  sehr auf die rasche Entstehung neuer  Grundprinzipien   orientiert werden. Es geht vielmehr um  die unbedingte Durchsetzung   der  bereits vorhandenen   Grundprinzipien. Abgesehen davon, könnte durch   eine Flut neuer Grundprinzipien der politische  und  juristische Wert der sieben  Grundprinzipien  erheblich herabgemindert werden.

Die konkreteste   juristische   Ergebnisform des Normenbildungsprozesses   ist   der völkerrechtliche     Vertrag,   durch den völkerrechtliche Rechte und  Pflichten  begründet bzw. übernommen  werden.   Er  ist das  juristische   Hauptinstrument   zur   rechtlichen Regulierung der Beziehungen zwischen   den Völkerrechtssubjekten, d.  h. in erster Linie zwischen  den Staaten aber  auch  zwischen  den  internationalen  staatlichen Organisationen.

Der völkerrechtliche Vertrag wird vor allem dadurch gekennzeichnet, dass er   durch   das Völkerrecht bestimmt wird  und  die  Staaten in erster linie durch  ihn  neues Völkerrechtschaffen. (170)

Eine  besondere  Kategorie des völkerrechtlichen Vertrages,   der  multilaterale     Vertrag universellen   Charakters,    ist  durch  seine  große  Bedeutung für den  Weltfrieden,   die internationale   Sicherheit   und die friedliche internationale Zusammenarbeit sowie durch seine Akzeptierung und Annahme durch die internationale Staatengemeinschaft charakterisiert. (171)

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169. In der Schrift von   K. Meier, Herausbildung,   Inhalt und    Weiterentwicklung des völkerrechtlichen Gewaltverbots im Zusammenhang mit Rechtsfragen  der   Rüstungsbegrenzung und    der Abrüstung, Dissertation B (Habilitation),   Leipzig 1983 wird aus   der gelungenen Verbindung des Gewaltverbotsprinzips mit der Abrüstungsmaterie d.  h. mit einem globalen   Problem der Menschheitsentwicklung eindeutig klar,  dass dieses Prinzip  auch auf Grund seiner Nähe zum politischen Grundprinzip der Friedenssicherung an der Spitze der Hierarchie der völkerrechtlichen Grundprinzipien steht.

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170.Vgl. ausführlicher P. Terz,   Die Rolle   des völkerrechtlichen Vertrages in   der Gegenwart,  in: Neue  Justiz, Nr. , Berlin1980,  S. 106  ff.

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Eine spezifische Kategorie des multilateralen Vertrages universellen Charakters ist wiederum der Kodifizierungsvertrag, durch den der internationale juristische Willens- bzw. Normenbildungsprozeß zielgerichtet vorangetrieben und realisiert wird. Diese Vertragskategorie zeichnet sich durch die Universalität des zu regelnden Objekts und die Einheitlichkeit der juristischen Regulierungsbestimmungen aus.

Weitere Ergebnisformen des juristischen Normenbildungsprozesses und zugleich eine juristische Vereinbarung sui generis sind das Pactum de negotiando (Verpflichtung zum Verhandeln), d. h. die vereinbarte Rechtspflicht der Staaten, über sie gemeinsam interessierende Fragen Verhandlungen zu führen oder bereits aufgenommene Verhandlungen fortzusetzen und das Pactum de contrahendo (Verpflichtung zum Vertragsabschluß), d. h. die vereinbarte Rechtspflicht der Staaten, über sie gemeinsam interessierende Fragen einen Vertrag abzuschließen. (172)

Die ebenfalls zu den juristischen Ergebnisformen des Normbildungsprozesses gehörenden Völkergewohnheitsrecthsnormen weisen bezüglich der Entstehung und dann der allmählichen Erweiterung ihres Geltungsbereichs gegenüber den anderen Rechtsnormen einige Besonderheiten auf. Zunächts ist z. B. darauf hinzuweisen, dass sie von relativ wenigen Staaten als solche akzeptiert und anerkannt werden. Dies erfolgt auf konsensueller Basis. Die erste Phase des Consensus bezieht sich auf das Vorliegen einer Gewohnheit. Hierbei geht es also um einen Consensus über die Auffassungen über das Bestehen einer Gewohnheit. Die Auffassungen wurzeln in gleichgearteten Bedürfnissen, die wiederum die Grundlage für ähnliche Interessenlagen bilden. (173) In der zweiten Phase erstreckt sich der Consensus der Staaten auf den Inhalt der Gewohnheit.

In der dritten Phase geht es beim Staatenconsensus um die Bedeutung der Gewohnheit, d. h. dass sie überhaupt von Bedeutung ist. Der Bedeutungsgrad kann dennoch unterschiedlich sein. Erst in der vierten Phase wird ein Consensus darüber erzielt, dass die Gewohnheit bereits die Qualität einer Rechtsnorm erreicht hat. Dieser Prozeß ist dialektischer Natur, denn er vollzieht sich allmählich und impliziert zwei sich wechselseitig bedingende Elemente, nämlich ein stabiles Verhaltensmuster (Übung, Praxis)

Der betreffenden Staaten und die ihren Willen zum Ausdruck bringende Rechtüberzeugung (opinio iuris). Die Staaten verhalten sich in gleicher Weise.(174) d. h. der Censensus kommt durch übereinstimmendes Verhalten zustande. (175)

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171. Vgl. hierzu vor allem N. N. Uljanowa, Obstschije mnogostoronnije dogowory w sowremennych meschdunarodnych otnoschenija, Kiew 1981.

172. Vgl. hier zu : M. de la Muela, Pacta de contrahendo en Derecho internacional Público, in : Revista Española De Derecho Internacional, Vol. XXI, Num. 2, Madrid 1968, p. 392 ; M. Loic, La notion de „pactum de contrahendo” dans la jurisprudence internationale, in : Revue général de droit international Public,

Vol. 78, No. 2, Paris 1974, p. 351; P. Terz, A pactum de negotiando és pactum de contrahendo lényege és jelentosége a nemzetközi jogban, in : Jogtudományi Közlöny, Nr. 4, Budapest 1982, S. 320. system-history

173. Vgl. teilweise auch B.J. Theutenberg, Changes in the norms guiding the international legal and contemporary trends, in : Nordisk Tidsskrift for international Ret, Acta scandinavica juris gentium, Vol. 50, No. 1—2, Kobenhavn 1981, p. 29.

174. Vgl. auch L. A. Podesta Costa—J. M. Ruda, Derecho Internacional Publico, 1, Buenos Aires 1979, p. 15.

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Da keine Verhandlungen stattfinden, erfolgt der Interessenausgleich in indirekter Form.

In der fünften Phase liegt zwischen den Staaten ein Consensus darüber vor, dass sie sich nach der nun existierenden Gewohnheitsrechtsnorm richten werden.

Bisher ging es um den Entstehungsprozeß einer Völkergewohnheitsrechtsnorm. Normbildungstheoretisch entstehen aber einige Probleme, wenn eine solche Norm bereits existiert und ihr Geltungsbereich erweitert werden soll. In seltenen Fällen erkennen andere Staaten eine Gewohnheitsrechtsnorm expressis verbis an. Vielmehr bringen sie in erster Linie durch ein bestimmtes Verhalten ihr Einverständnis (Zustimmung) mit ihr zum Ausdruck. In einem solchen Falle wird der Consensus auf indirektem Wege erreicht, d. h. sie konsentieren mit dem Ergebnis des Consensus der die Norm schaffenden Staaten. Hier bleiben irgendwelche Verhandlungen ebenfalls aus.

Bei den Völkergewohnheitsrechtsnormen entsteht somit das theoretische Problem der Willenskoordinierung bzw. -übereinstimmung nicht. Spätestens an dieser Stelle ist klar geworden, dass das Wesen der Gewohnheitsrechtsnormen vermittels der Tunkinschen vereinbarungstheoretischen Konzeption nicht erfasst werden kann. (176) Es ist auch deutlich geworden, dass hier die in der Fachtliteratur verbreitete Trennung von Praxis („objektiv”) und opinio iuris („subjektiv”)  (177) als schematisch abgelehnt wird.

Da es bei den Gewohnheitsrechtsnormen um die Zustimmung von souveränen Staaten geht, kann letzten Endes die durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebrachte Rechtsüberzeugung das entscheidende Element bei der Herausbildung und beim Akzeptieren einer Völkergewohnheitsrechtsnorm sein. (178) Dem konsensualen Charakter des Völkergewohnheitsrechts widerspricht die bereits Mitte der 60er Jahre entstandene These von einem „instant customary law” („spontan entstehendes Gewohnheitsrecht”), (179) das sehr an das „diritto spontaneo” (180)  der italienischen Völkerrechtslehre erinnert, und in der Völkerrechtsliteratur teilweise eine positive Einschätzung findet. (181)

In der in der vorliegenden Studie erarbeiteten normbildungstheoretischen ist ferner für ein „revolutionäres Gewohnheitsrecht” („coutume révolutionnaire”)  (182) ebenfalls kein Platz.

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175. Vgl. auch A. J. P. Tammes, Soft law, in : Essays on international and comparative law in honour of judge Erades, The Hague 1983, p. 194.

176. G. I. Tunkin ist sich dieses Problems bewußt, wenn er schreibt : „Das Wesen des Prozesses der Herausbildung einer Gewohnheitsnorm des Völkerrechts besteht nicht in Verhandlungen, sondern… in der Herausbildung einer Vereinbarung zwischen den Staaten…”. Vgl. Das Völkerrecht der Gegenwart, Berlin 1963, S. 136. Die „Vereinbarung” ist aber ein feststehender juristischer Terminus  Technicus, der m. E. nicht ohne weiteres auch für konsensuale Prozesse ohne Verhandlungen angewandt werden kann. (177)

177. Paradigmatisch seien genannt : M. S. Vázquez, Derecho Internacional Público, Mexico 1979, p. 70 ; G. R. Moncayo—R. E. Vinuesa—H. D. T. Gutiérrez Posse, Derecho Internacional Publico, Tomo I, Buenos Aires1981, p. 82.

178. Ähnliche Überlegungen stellt auch A. Bleckmann an, Vgl. Die Praxis des Völkergewohnheitsrechts als konsekutive Rechtssetzung, in : Völkerrecht

als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, Festschrift für H. Mosler, Hrsg. R. Bernhardt (W. K. Geck) u. a., Heidelberg 1983, vor allern S. 89—92.

179. Urheber dieser These soll Bin Cheng, in : The Indian Journal of Inter national Law, Bombay 1965, p. 23 gewesen sein. Vgl. bei E. J. Aréchaga, El Derecho Internacional Contemporáneo, Madrid 1980, p. 31.

180. Der Begriff wurde nach K. Lenk, Beiträge der italienischen Rechtswissenschaft zur Entwicklung der Völkerrechtsdoktrin seit 1945, Dissertation Heidelberg, 1969, S. 40, von Ago geprägt.

181. Nach R.—J. Dupuy sei dieses Sofortgewohnheitsrecht „inspiratoire”,„incitatoire” und „programmatoire”. Vgl. in : L’élaboration du droit international public, Paris1975, p. 170. 43

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3ccb) Die politisch-nichtrechtlichen Normen als Ergebnisform des Normbildungsprozesses

Im Blickwinkel der Rechtstheorie ist das Recht nicht der einzige normative Faktor. Es gibt weitere normative Systeme, wie z. B. die Normen der Moral und der gesellschaftlichen Organisationen. Sie stellen in ihrer Gesamtheit soziale Normen dar und sind für die Verhaltensregulierung wichtig. (183) Dabei werden die Moralnormen inhaltlich ebenfalls durch objektive Interessen bestimmt. (184) Das Typische der Moralnormen besteht darin, dass sie keiner besonderen Institution bedürfen, die ihre Einhaltung erzwingen muss. Ihre Kraft beruht auf der Überzeugung, der öffentlichen Meinung, der moralischen Autorität etc. (185)

In den internationalen Beziehungen wird der moralische Aspekt von den politisch-nichtrechtlichen Normen miterfasst, wobei inhalts- und sachbezogene Nuancierungen nicht zu übersehen sind. Wollte man eine Hierarchie der politisch-nichtrechtlichen Normen schaffen, so müsste das Prinzip der Friedenssicherung an der Spitze stehen. Die Rangstellung aller anderen politisch- nichtrechtlichen Normen müsste sich dann nach dem wichtigsten Kriterium richten : ihr Beitrag zur Friedenssicherung.

Von dieser Prämisse ausgehend, können das Prinzip der Abrüstung— bei ihm bilden sich allmählich rechtliche Elemente heraus—und das Prinzip des militätisch-strategischen Gleichgewichts zwischen den Staaten des Warschauer Vertrages und der NATO genannt werden. Mit diesen hängt inhaltlich das Prinzip der Gleichheit und gleichen Sicherheit zusammen. (186)

Von diesen Grundnormen politischen Charakters sind konkrete, in politischen Abkommen, wie z. B. in der KSZE-Schlußakte vereinbarten Verhaltensnormen abzusetzen, die aber teilweise auch rechtliche Aspekte aufweisen.

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182. Diese Auffassung wird von M. S. ad- Daqqaq vertreten, Vgl. Nahwa qanun duwwali  li-t-tanmiya ila Cadam al-musawat at-ta Cwidiya (Für ein Völkerrecht der Entwicklung von der präventiven Gleichheit zur kompensatorischen Ungleichheit), in : al-Magala al-misriya li-qanun ad duwwalli (arab. Teil der Revue egyptienne de droit international), Vol. 34, Le Caire1978, p. 91.

183. Vgl. Marxistisch—leninistische Staats- und Rechtstheorie, Berlin 1980, S. 400, 534

184. Vgl. auch K.—H. Thieme, Interessen und moralische Triebkräfte des Leistungsstrebens…in : Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Nr. 1, Berlin 1984, S.2.

185. Vgl. Marxistisch—leninistische Saats- und Rechtstheorie, a. a. O., S. 534.

186. J. Gilas, Miedzynarodowe normy polityczne, in: Przeglad Stosunkow Miedzynarodowych, Nr. 3, Opole 1978, S. 20 ff. hat eine relativ breite Palette von grundlegenden politischen Normen wie die Anerkennung legitimer Interessen, das Einverständnis mit der territorialen Abgrenzung des Sozialismus und Kapitalismus in Europa, das Bestreben nach Entspannung, die wachsende Aufmerksamkeit gegenüber den globalen Menschheitsproblemen usw. entwickelt.I. I. Lukaschuk zählt zu den „elementaren”, also zu den grundlegenden politischen Normen, ferner die Nichtzulassung von „Überraschungen” in den Beziehungen zwischen den Blöcken, die Angemessenheit beim Einsatz der Macht usw. Diese  „Prinzipien“ können aber nicht unwidersprochen bleiben. Vgl. Elementarnyje normy wsaimootnoschenij sozialistitscheskich i kapitalistitscheskich gossudarstw, in : Westnik Kiewskogo Universiteta, Nr. 10, Kiew 1980, vor allem S. 17, 21—26.

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Solche Ergebnisse des politischen Normbildungsprozesses vermögen mitunter, die Ziele der Staaten umfassender zu widerspiegeln, als dies bei völkerrechtlichen Verträgen der Fall wäre. (187) Sie gehören bereits zu den die internationalen Beziehungen, wenn auch partiell, regulierenden politischen Instrumenten. Sie besitzen eine politisch-moralische  Normativität, eine Frage, die eigentlich erst in den70er Jahren aktuell wurde, während bis dahin in ähnlichen Fällen von „non-binding agreements” die Rede war. (188) Neue Erscheinungen in den internationalen zwischenstaatlichen Beziehungen wurden also ausschließlich unter Zugrundelegung des völkerrechtlichen Vertrages eingeschätzt. Hierdurch wurde der Weg für Überlegungen in eine andere Richtung versperrt.

Verglichen damit, verlief die internationale Fachdiskussion zum Charakter der Resolutionen/Deklarationen der UNO-Vollversammlung völlig anders. Jahrzehntelang ging es um die Frage, ob sie rechtlich verbindlich oder nichtverbindlich sind.

Von der überwiegenden Mehrheit der Völkerrechtler wurde die Auffassung vertreten, dass die Resolutionen— gemeint sind nicht jene rechtlich verbindlichen zu Haushaltsproblemen— empfehlenden Charakter besitzen. Erst im Zusammenhang mit den zahlreichen Resolutionen zur„Neuen internationalen Wirtschaftsordnung”, zur Abrüstung und zum Umweltschutz wurde diese Fragestellung viel differenzierter betrachtet. Gerade in diesem Kontext wurden vorwiegend von britischen und französischen Juristen zwar schillernde, jedoch wissenschaftlich und speziell normbildungstbeoretisch nicht überzeugende Termini geprägt, die ihren Siegeszug durch die Völkerrechtsliteratur antraten, inzwischen aber bei einzelnen Juristen auf Ablehnung stoßen.

Pseudowissenschaftliche Begriffe wie„schwaches Recht” („soft law”), „grünes Recht”(„green law”), „Sofortrecht”(„instant law”), „Vor-Recht”(„pré-droit”), „Fast-Recht”  („para-droit”), „Pseudo-Recht” („pseudo-droit”)„Vor-juristisch” (pré-juridique”), „deklaratorisches Recht” („droit déclaratoire”), „empfehlendes Recht”  („droit recommandaire”), „programmatisches Recht” („droit programmatoire”, „droit programme”),„direktives Recht” („droit directif”),„wackliges Recht”  („droit fragile”), „aufforderndes Recht” („droit incitatif”),„unsichere Normen”(„normes précaires”), „weiche Verpflichtung”(„soft obligation”, „soft liability”) u. dgl. m. geistern in der Fachliteratur herum.

Im folgenden soll auf die verbreitesten Wortschöpfungen dieser Art eingegangen werden. Unter „soft law” verstehen einige Autoren zwei unterschiedliche Sachen. Zum einen rechnen sie dazu völkerrechtliche Instrumente, die aber den Rechtssubjekten Bewegungsfreiheit bezüglich der Erfüllung des Inhalts einer Direktive geben. Nur die Erzielung eines bestimmten Ergebnisses wird  unabhängig von den benutzten Mitteln und Wegen gefordert. Sie zählen dazu z. B. das Pactum de contrahendo, wobei das Resultat der Direktive von sekundärer Bedeutung sei, die Hauptaufgabe sei die Forderung einer Haltung beständigen und ernsthaften Bemühens um Zusammenarbeit zur Erreichung einer Übereinkunft.

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187. Vgl. ähnlich auch I. I. Lukaschuk, Meschdunarodnyje polititscheskije normy w uslowijach rasrjadki naprjashonnosti, in : Sowjetskoje gossudarstwoi  prawo, Nr. 8, Moskwa1976, S. 107, 113.

188. Diese theoretische Frage spielte z. B. bezüglich des sowjetisch-österreichischen „Moskauer Memorandums” vom August 1955 eine große Rolle. Das Dokument wurde von einigen Völkerrechtlern als eine unverbindliche politische Erklärung qualifiziert. Vgl. F. Ermacora, Österreichs Staatsvertrag und Neutralität, Frankfurt/M., Berlin 1957, S. 106 ff. und A. Verdross, Die österreichische Neutralität, in : Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Band 19, Stuttgart 1958, S. 515.

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Zum anderen bezieht sich das „soft law” auf in vielen internationalen Instrumenten z. B. Resolutionen zu den Menschenrechten, zum Umweltschutz, in Kodizes und in der KSZE-Schlußakte enthaltenen Verhaltensmodellen. Zwischen dem „soft law” einerseits und dem Völkergewohnheitsrecht sowie dem Moralrecht andererseits wird unter schieden. (189) Gegen die These vom „soft law” wenden sich einige Juristen, die es nicht für ein Recht halten. (190) Durch diese These werden der juristische Charakter der Rechtsquellen und die Rechtsnormativität des Völkerrechts stark gefährdet. Diese „Aufweichung” des Völkerrechts ist daher unbedingt zurückzuweisen.

Ähnlich verhält es sich auch mit dem „green law”, (191) dem „pré-droit”(192) dem  „droit directif”(193) und dem „droit programmatoire”. Für letzteres tritt vor allem Dupuy ein, das er dem „soft law” vorzieht. Er versteht darunter normatives Recht, das auf der Ebene von Zielstellungen und Prinzipien liege, ohne die Ebene einer detaillierten Regelung zu erreichen.In bestimmten UNO-Resolutionen(„résolutions programmatoires”) käme nach Dupuy bereits Recht zum Vorschein. (194)

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189. Vgl. die von J. P. A. Tammes, Sotf law, in : Essays on internationale and …, aufgezählten Möglichkeiten des „soft law” (p. 189—190, 192, 194). Zum„Soft law” in Verträgen ökonomischen Charakters vgl. ausführlich J. Gold, Strengthenning the soft international law of exchange arrangements, in : The American Journal of International Law, No. 3, Washington1983, p. 443—456.

190. M. R. J. Dupuy, Droit déclaratoire et droit programmatoire : De la coutume sauvage a la „soft law”,in : L’élaboration du droit international public ( Société Française pour le Droit International, Colloque de Toulouse 1974), Paris 1975, p. 132—134, 139—145, erblickt in dieser These eine Gefährdung  der Reinheit der traditionellen Völkerrechtsquellen. Nach Dupuy soll der Begriff „soft law” von McNair auf einem Kolloquium der Haager Akademie (14.—16.August1973) geprägt worden sein. Dupuy habe sich schon damals gleich dagegen gewandt (p. 139). Das „soft law” liege auf der Ebene der Ethik (p. 145). Die Rechtsqualität des „soft law” wird von G. Schwarzenberger, The Dynamics of International Law, Oxon 1976, ebenfalls stark bezweifelt (p. 9). Den Generalangriff  auf diese These führte P. Weil, Vers une normativité relative en droit international ? in : Revue général de droit international public, Tome 86, No. 1, Paris1982, p. 5—47. Weil unterzieht die These vom„soft law” einer vernichtenden Kritik und verteidigt den rechtsnormativen Charakter des Völkerrechts.

191. M. R. J. Dupuy, Droit déclaratoire…, a. a. O., ist bereit, dem „green law” nur die Qualität von juristisch unverbindlichen Absichtserklärungen zu zuerkennen (p. 147).

192. Diese These wird vertreten von einigen französischen Völkerrechtlern : C.—A. Colliard, Institutions des relations internationales, Paris1974, p. 276 ; M.  Virally, in: Pays en voie de développement et transformation du droit international (Société Française pour le Droit International, Colloque d’Aix-en-provence 1973), Paris1974, p. 307; P. Buirette-Maurau, La Participation du Tiers-Monde a L’Élaboration du Droit International, Paris 1983. Sie betrachtet das „pré-droit” im Rahmen des Völkerrechtsbildungsprozesses als Ausgangspunkt und Etappe für künftige Normen (p. 72). Im Prinzip kann ihr zugestimmt werden. Der Begriff  „pré-droit” ist jedoch m. E. hierfür nicht unbedingt erforderlich. Er schafft nur Verwirrung.

193. Das  „droit-directif“ würde eine Richtung bestimmen und den Rahmen für künftige Handlungen abstecken. Vgl. hierzu I. F. Prévost, Observation sur la nature juridique de l’Acte Final la conférence sur la sécurité et la coopération en Europe, in: Annuaire Francais de Droit International, Paris1975. Als Beispiel für das„droit directif” nennt er undifferenziert die Normen der KSZE-Schlußakte (p. 142).

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Von diesem Verständnis ist jenes einiger sowjetischer Völkerrechtler zu unterscheiden, die nicht von einem „programmatischen Recht”, sondern vielmehr von „programmatischen Normen” sprechen, die rechtlicher oder nichtrechtlicher Art sein können. Kriterium hierfür ist der Normeninhalt. (194) Dieser differenzierten Betrachtungsweise kann grundsätzlich beigepflichtet werden.

Die oben kurz skizzierten Thesen und Begriffe stehen inhaltlich hauptsächlich mit Resolutionen/Deklarationen der UNO-Vollversammlung in Verbindung, die zu den wichtigsten politisch-nichtrechtlichen Ergebnisformen des internationalen Willens-bzw. Normenbildungsprozesses gehören. Aus der Realität der internationalen Beziehungen und speziell im Rahmen der UNO-Vollversammlung geht hervor, dass in den seltensten Fällen ein resolutionsbezogener Consensus omnium vorliegt. Größtenteils ist es so, dass einzelne oder mehrere Staaten zusammen, ausgehend von ihren Interessen, Resolutionsentwürfe einbringen, die dannje nach Materie mehr oder weniger kontrovers beraten werden. Während die sozialistischen Staaten, unterstützt von vielen Entwicklungsländern, zu den Fragen der Friedenssicherung und der Abrüstung zahlreiche Resolutionsentwürfe vorlegen, beziehen sich ähnliche Aktivitäten der Entwicklungsländer auf das komplexe Problem der  „Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung” (NIWO). Die Staaten lassen sich dabei von ihrer konkreten Interessenlage und von anderen Faktoren in der Innenpolitik sowie in den internationalen Beziehungen leiten (vgl. 3ca und 3cb) . Da in den meisten Fällen die Staatsinteressen konträrer Natur sind, wird der Interessenausgleich unter komplizierten Bedingungen erzielt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang der Fakt, dass bei der Abstimmung führende kapitalistische Staaten entweder sich der Stimme enthalten oder sogar gegen die Resolutionen zu Fragen der NIWO und der Abrüstung stimmen. Das Ergebnis der Beratungen kann daher ein Consensus generalis sein. Der Consensus omnium und damit die opimo communis sind in bestimmten Fällen dennoch nicht ausgeschlossen.

Es soll hier nicht auf die verschiedenen Resolutionskategorien eingegangen werden. (196) Vielmehr ist zunächst ihre allgemeine Bedeutung zu unterstreichen : Sie widerspiegeln den Charakter der Beziehungen verschiedener Staaten und weisen auf die neuesten und wichtigsten Probleme der internationalen Beziehungen hin; sie vermögen, obwohl rechtlich nicht verbindlich,

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194. Vgl. M. R. J. Dupuy, Droit déclaratoire…, a. a. O., p. 132, 134, 144—145. Nach der Meinung von P. M. Martin, Le Nouvel Ordre Économique International, in : Revue général de droit international public, Tome 80, No. 2, Paris1976, p. 535, stelle die gesamte NIWO ein „droit programmatoire” dar.

195. Vgl. vor allem I. I. Lukaschuk, Mechanism meschdunarodno-prawowogo regulirowanija, Kiew1980. Als Beispiel für solche Normen nennt er das Selbstbestimmungsrecht, das urprünglich als ein Programm verkündet wurde und sich allmählich als Rechtsnorm herausbildete und den Artike l2 der  Konvention über sozial-ökonomische Rechte von1966. Der programmatische Charakter dieser Bestimmung sei offensichtlich, da viele Staaten nicht in der Lage sind, solche Rechte gleich zu realisieren  (S. 41—43). Nach A. S. Gawerdowskij, Implementazija norm meschdunarodnogo prawa, Kiew1980, schließen sich die rechtlich verbindlichen „programmatischen Normen” nach Umfang und Inhalt andie allgemeinen Völkerrechtsnormen an (S. 22—24).

196. Vgl. hierzu die von J. E. Aréchaga, El Derecho Internacional Contemporáneo, Madrid 1980, p. 42 und vonG. R. Moncayo—R. E. Vinuesa—H.D. T. Gutiérrez Posse, Derecho Internacional Publico, Tomo I, Buenos Aires1981, p. 164—165 vorgenommene Unterscheidung zwischen den wichtigsten Kategorien von Resolutionen

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das Verhalten der Staaten zu beeinflussen ; sie sind oft Ausdruck des Rechtsbewusstseins und der Gerechtigkeitsvorstellungen der Staaten. So sind die zahlreichen Resolutionen der UNO-Vollversammlung zur Schaffung einer NIWO im Grunde ein Vehikel, um bestimmte Grundwerteforderungen (Gerechtigkeit, Solidarität etc.) der Entwicklungsländer in die internationale Diskussion hineinzutragen und ihnen nach Möglichkeit die Qualität positivrechtlicher Normen verleihen zu lassen. (197)

Die von den Juristen aus den Entwicklungsländern hierüber sporadisch entwickelte Argumentation lässt sich in völkerrechtsphilosophischer Sicht folgendermaßen zusammenfassen : Die in den internationalen Beziehungen herrschende juristische Gleichheit zwischen den Staaten sei angesichts der großen Unterschiede (klein, groß, reich, arm usw.) ungerecht.

Sie wenden sich daher gegen die ungerechte Gleichheit und fordern eine gerechte Ungleichheit, die aber dem Wesen nacheine gerechte Gleichheit sei. Sie fordern die Nichtreziprozität in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, um die gerechte Gleichheit zu erreichen. Die Reziprozität als eine Völkerrechtsnorm würde nämlich bedeuten : Gleiches auf Ungleiches angewandt, führt letzten Endes zur Ungleichheit. Deswegen würde der Wunsch nach bevorzugter Behandlung bedeuten : Ungleiches ungleich behandeln, führt zur gerechten Gleichheit. Derartige Vorstellungen und die darauf fußenden Forderungen spiegeln sich allerdings, abgesehen von seltenen Ausnahmen (Seerechtskonvention von1982 und GATT-Abkommen), vorwiegend in Resolutionen der UNO-Vollversammlung wider. Sie aber besitzen nach der UNO-Charta einen empfehlenden Charakter. (198 ) Eine rechtliche Verbindlichkeit können sie erst erlangen, wenn die voluntas iuris generalis vorliegt. Ohne den Consensus über einen möglichen Rechtscharakter von UNO-Resolutionen sind sie weiterhin als Ergebnisformen des politischen Normbildungsprozesses und ihre Inhalte als politisch-nichtrechtliche Verhaltensnormen zu betrachten. Andernfalls käme es hinsichtlich der Inhalte vonResolutionen zu einer Verwischung des Unterschieds von Rechtsprinzipien und Prinzipien des Rechtsbewusstseins bzw. des Gerechtigkeitsempfindens. Zwischen ihnen sind dennoch die Grenzen mitunter fließend.

3ccc) Das Verhältnis zwischen den politisch-rechtlichen und den politisch-nichtrechtlichen Normen

Zwischen den beiden unterschiedlichen Ergebnisformen des internationalen Normenbildungprozesses besteht keine chinesische Mauer. Ihre gemeinsamen materiellen und ideellen Wurzeln ermöglichen im Rahmen des dynamischen konsensualen Normenbildungsprozesses unter Umständen die Umwandlung der politisch-nichtrechtlichen in rechtliche Verhaltensnormen.

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197. Vgl. hierzu stellvertretend für andere Völkerrechtler aus Entwicklungsländern : I.Jazairy, Discours sur le nouvel ordre international et le droit, in : The new international economic order and developing countries, Beograd1980, p. 137; T. Nawaz, Equity and the New International Economic Order : A Note, in: Hossain Kamal (Ed.), Legal Aspects of the New International Economic Order, London, New York 1980, p. 113 ; O. B. Rivero, New Economic Order and International development Law, Oxford etc. 1980 ; R. P. Anand, Legal Regime of the Sea-Bed and the Developing Countries, Leyden1976, p. 261.

198. Vgl. in diesem Kontext N. Horn, Normative Problems of a New International Economic Order, in : Journal of World Trade Law, Vol. 16, 1982, speziell p. 347—348.

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Dieser Prozeß ist jedoch nicht glatt, etwa im Sinne der These vom „formlosen Konsens”,(199) sondern vielmehr dialektisch-wiedrsprüchlich und komplex. Insgesamt ist die völkerrechtliche Bedeutung der in Resolutionen verankerten politischen nichtrechtlichen Verhaltensnormen unter folgenden Gesichtspunkten zu sehen :

Erstens bringen sie bestimmte Tendenzen der Völkerrechtsentwicklung zum Ausdruck, zeigen notwendige Änderungen des Völkerrechts an und üben zugleich einen orientierenden Einfluß auf die Weiterentwicklung des Völkerrechts aus. (200) Unter bestimmten Bedingungen können Resolutionen zu einem entscheidenden Faktor im Prozeß der Völkerrechtsentwicklung werden. So war die Deklaration (Resolution1514 (XV) von1960 über die Gewährung der Unabhängigkeit an die kolonialen Länder und Völker eine Konkretisierung und Interpretation des Grundprinzips des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Die UNO-Prinzipiendeklaration von 1970 hat die Grundprinzipien des Völkerrechts bekräftigt und authentisch interpretiert. Zweitens können Resolutionen im Rahmen des einheitlichen Normbildungsprozesses den Ausgangspunkt für die Schaffung von rechtlichen Normen bilden. (201) Dies erfolgt am konkretesten durch jene Resolutionen, die im Grunde den Inhalt der späteren Konvention bereits darstellen  (Vertragsresolutionen).(202) Drittens kann auf der Basis von Resolutionen Völkergewohnheitsrecht entstehen, vorausgesetzt, dass die unerläßliche opinio iuris vorliegt. ( 203 )

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199. Diese These wurde Mitte der 70er Jahre von B. Simma aufgestellt. Vgl. Methodik und Bedeutung der Arbeit der Vereinten Nationen für die Fortentwicklung des Völkerrechts(Thesen), in : W. Kewenig(Hrsg.), Die Vereinten Nationen im Wandel, Referate und Diskussionen eines Symposiums („Entwicklungslinien der Praxis der Vereinten Nationen in völkerrechtlicher Sicht”), Kiel, Berlin 1975, S. 71—101. Simmas Auffassung stößt aber auf Ablehnung : So Steiger bereits während des Symposiums, S. 122 ;  H. Ballreich, Wesen und Wirkung des „Konsens” im Völkerrecht, in : Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, Festschrift für H. Mosler, Hrsg. R. Bernhardt u. a., Heidelberg1983, S. 23—24 und K. Skubiszewski, Rechtscharakter der Resolutionen, der Generalversammlung  der Vereinten Nationen, in : Fünftes deutsch-polnisches Juristen-Kolloquium, Hrsg. R. Bernhardt u. a., Baden-Baden1981, S. 34—35 Diese ablehnende Haltung veranlasste Simma, seine ursprüngliche Konzeption etwas zu modifizieren : „So zeigt sich, dass die Völkerrechtserzeugung durch formlosen Konsens bei Gelegenheit der Generalversammlung bis heute in der Praxis kaum je eine Rolle gespielt hat. In der Theorie dagegen läßt sich diese Rolle nicht leugnen, und was die Praxis anbetrifft, so kann sie sich ändern”.Vgl. Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung, in: Fünftes deutsch-polnisches Juristen-Kolloquium, a. a. O., speziell S. 57—67 (Zitat auf S. 64).

200. Hierzu seien aus der Vielzahl von Veröffentlichungen einige repräsentative paradigmatisch erwähnt : G. I. Tunkin—V. M. Schischkin, O meschdunarodno-prawowych prinzipach nowogo meschdunarodnogo ekonomitscheskogo porjadka, in : Sowjetskoje gossudarstwo i prawo, Nr. 9, Moskwa 1980,S. 88—96; I. I. Lukaschuk, Méchanism…,a. a. O., S. 142; H. Mosler, Völkerrecht als Rechtsordnung, in : Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Band 36, Nr. 1—3, Stuttgart 1976, S. 23 ; U. Scheuner, Zur Auslegung der Charta der Generalversammlung, Die Erklärung über freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit der Staaten, in : Vereinte Nationen, Nr. 4, Koblenz 1978, S. 112.

201. In diesem Sinne können sie schon als Inspirationsquelle” betrachtet werden. Vgl. O. B. Rivero, New Economic Order and…,a. a. O., p. 122.

202. Vgl. auch Report of the Working Group on the „Review of multilateral treaty-making process”, Doc. A/C. 6/37/L. 29, 3 Dec. 1982, p. 4/5, para. 20. Vgl. indirekt auch G. Arangio-Ruiz, The normative role of the General Assembly of principles of friendly relations, in : Recueil de Cours, Académie de droit international, III, 137, Den Haag 1972, p. 486—487.

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3cd) Zur Einhaltung der politisch-rechtlichen und der politisch- nichtrechtlichen Normen im Interesse der Friedenssicherung

Es wurde bereits angedeutet (vgl. 3cb), dass während auf die rechtlichen Ergebnisformen des internationalen Normenbildungsprozesses der Grundsatz der Vertragstreue (Pacta sunt servanda) anzuwenden ist, es für die politisch- nichtrechtlichen Ergebnisformen keinen adäquaten Grundsatz gibt und in dieser Form nicht geben kann. Die Achtung des Grundsatzes Pacta sunt servanda ist außerordentlich wichtig für die Schaffung stabiler internationaler Beziehungen (204) und eines Klimas des gegenseitigen Vertrauens. Das ist wiederum eine günstige Vorbedingung, um im Interesse der Friedenssicherung und der Vertiefung der friedlichen internationalen Zusammenarbeit auf einer qualitativ höheren Ebene neue Verträge abzuschließen.

Demgegenüber verursacht die Verletzung dieses Grundsatzes Unzufriedenheit bei den anderen Vertragspartnern und untergräbtdas Vertrauen. Ähnliche Folgen könnte die Nichtrespektierung der politisch-nichtrechtlichen Normen ebenfalls haben, obwohl ihre Einhaltung eher auf freiwilliger Basis erfolgt. Natürlich ist dabei zwischen den eindeutig politischen Abmachungen(z. B. der KSZE-Schlußakte) und den in Resolutionen der UNO-Vollversammlung enthaltenen Verpflichtungen zu unterscheiden.

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203. Vgl. auch G. R. Moncayo—R. E. Vinuesa—H. D. T. Gutierrez Posse, Derecho International Publico,as.as.O., p. 90 und G. Arangio-Ruiz, The normative role…,a. a. O., p. 478—479. Vgl. indirekt ebenfalls : L. A. C. Podesta—J. M. Ruda, Derecho Internacional Publico,a.a.O., p.22 ; M. Virally,The Sources of International Law, in : Max Sorensen (Ed.), Manual of Public International Law, London, New York 1968, p. 162 ; P.Visscher, Observations de l’Assamblée générale de l’Organisation desNations Unies, in : Festschrift für R. Bindschedler, Hrg. E. Diez—J.Monnier u. a.,Bern1980, p. 176—177 ; M. Mendelson, The legal  Charakter of General Assembly Resolutions : Some. Con-siderations of Principle, in: Hossain Kamal (Ed.), Legal Aspects of the…, a. a. O., p. 99—101.

204. Vgl. zum Verhältnis von Verträgen und Stabilität vor allem: A. Bolintineanu, Stabilitatea tratatelor-problema esentiala a kodificarii dreptului tratatelor, in : Revista romana de drept, Num. 1, Bucuresti1969, p. 66; M. Potocny, umluva o smluvnim pravu in : Casopis pro mezinârodni prâvo, Nr. 1, Praha1970, S. 5 ff.

 

 

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