Lernen von anderen Völkern in der Menschheitsgeschichte

Von anderen Völkern lernen, normal in der Weltgeschichte
(Regel der historischen Universalität, versus jedweden ethnozentristischen Ansatzes)
Folgend sollen einige interessante Beispiele des Lernens von anderen Völkern in der Geschichte der Menschheit angeführt werden.
Im Vorderen Orient lernten die Akkader von den vorangegangenen Sumerern, welche die erste Hochkultur in dieser Region (erste Hochkultur vor 5.5000 Jahren, Südirak, Südiran) schufen z.B. Staaten,Gesetzgebung, Schrift, Architektur, Schulwesen, Mythen etc.), die Babylonier und Assyrer lernten von den Akkadern, die Perser übernahmen ausnahmslos die gesamte babylonische Zivilisation, weil sie anfangs keine Zivilisation hatten. So gelang es ihnen, sich innerhalb von 110 Jahren von aggressiven Viehzüchtern zu einem hochzivilisierten Volk zu entwickeln. Außerdem übernahmen sie von den Syrern das Aramäische (die von Jesus Christus gesprochene Sprache) und machten es zu einer kaiserlichen Sprache. Nur im Palast wurde die persische Sprache gesprochen.
Die Hellenen (alte Griechen) haben Kultur und Wissenschaft (Gesetzgebung, Verwaltungskunde, Medizin, Architektur, Geometrie und Bibliothekswesen) von den Ägyptern übernommen. Es war üblich, dass die Söhne der reichen Hellenen nach Ägypten gingen, um zulernen. Der Fürst der Philosophen Platon erwähnt speziell den Fall Solons. (Πλάτων, Τίμαιος, 22b: “και τινα ειπείν των iερέων ευ μάλα παλαιόν”: “Ω Σόλων, Σόλων, Έλληνες αεί παίδές εστε, γέρων δε Έλλην ουκ έστιν…Νέοι εστέ”,(Platon, Timaios, 22b: “und was von den Priestern gesagt wird, ist schon alt”: “O Solon, Solon, ihr Hellenen seid immer Kinder, denn es gibt keine alten Hellenen…Ihr seid jung, sagte er”. Das bezieht sich auf die Studienreise des Staatsmannes, Philosophen, Dichters und Gesetzgebers Solon im 6. Jh. v.Chr. in Ägypten direkt beim Hohepriester, höchsten Wissenschaftler und Bibliotheksdirektor in der Hauptstadt des ägyptischen Reiches Theben. Ferner lernten die Hellenen bei den Babyloniern Mathematik und Astronomie. Von den Syrern haben sie das Alphabet und die Göttin der Liebe und der Schönheit Aphrodite (Astarte), die eigentlich ursprünglich aus Mesopotamien stammte: Ischtar) übernommen.
Die östlichen Völker haben in der hellenistischen Zeit und schwerpunktmäßig im 5. Jh. n. Chr. hellenische Wissenschaft und Philosophie erhalten. Somit wurden die Hellenen aus den Schülern der orientalischen Völker zu ihren Lehrern. Hierbei handelt es sich um eine gegenseitige Befruchtung historischen Ausmaßes.
Als Schüler der alten Hellenen gelten auch die Römer. Darauf machte bereits der Rhetor und Staatstheoretiker Cicero aufmerksam: ” Wir haben Hellas militärisch besiegt, aber Hellas hat uns zivilisatorisch und wissenschaftlich besiegt. Es ist sukzessiv zu einer Verschmelzung der haushoch überlegenen hellenischen Kultur mit der römischen Kultur derart gekommen, dass die europäischen Historiker den terminus scientificus Griechisch-römische Kultur geprägt haben. Das Recht (Jus romanum) gilt als die besondere geistige Leistung der Römer, was noch in der Gegenwart größtenteils präsent ist. Zu nennen ist auch der gewaltige Straßenbau fast in ganz West-Europa. Es wird also festgehalten, dass die Römer unmittelbaren Zugang zu den vielseitigen Errungenschaften der ersten Hochkultur Europas hatten, die ihrerseits all dies an die keltischen und die germanischen Völker weitergegeben hatten. Sie erhielten somit die griechischen Errungenschaften, verwandelt durch die Römer und daher somit geht es dem Wesen nach größtenteils um Kultur aus zweiter Hand. Aber insgesamt übernahmen die germanischen Völker und die Vorfahren der heutigen Völker mit romanischen Sprachen die griechisch-römische Kultur.
Zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert fand die erste Renaissance des antiken hellenischen Geistes in Damaskus und Bagdad statt, angeführt von syrischen und persischen Philosophen (z. B. Al Farabi, Ibn Rushd (Averroes), Ibn Sina (Avicenna), Ibn Chaldun und vielen anderen).
Sie alle haben auf der Grundlage vor allem der Philosophie des Aristoteles die ursprüngliche und sehr gefährliche Auffassung vertreten, dass der Logos dem Glauben überlegen ist, jedoch im11.Jh. konnte sich der Glaube in Verbindung mit einem radikalen Theozentrismus vollständig durchsetzen, wodurch der islamische Fundamentalismus entstand, der und muslimischen Länder um Jahrhunderte zurückwarf.
Seit dem 15. Jh. hat sich Norditalien auf der Grundlage einer kreativen Adaption, was im Oströmischen Reich (Byzanz) unbekannt war), der antiken hellenischen Kultur durch die Renaissance (Rinascimento) zu einem kulturellen und wissenschaftlichen Kulturspender ganz Europas entwickelt. Diese Leistung ist zweifelsohne von internationaler Bedeutung. Italienische Künstler, Architekten und Wissenschaftler stellten ihr Wissen allen Ländern Europas zur Verfügung, und Tausende junger Menschen gingen für verschiedene Studien nach Norditalien, um verschiedene Wissenschaften und Künste zu studieren.
In enger Verbindung mit der Aufklärung, die in Egland in breiter Front begann und später mit der französischen bürgerlichen Revolution 1789 und der Gründung des ersten bürgerliche Staates ihren Höhepunkt erreichte, wurde Frankreich zum Zentrum der europäischen Kultur und Wissenschaft. Die anderen europäischen Völker haben die neuen Ideen, das neues Gesellschafts- und Menschenbild, den bürgerlichen Staat, die Freiheiten und die Menschenrechte, befreit von der Dunkelheit und den Fesseln der römisch-katholischen Kirche, mit größter Begeisterung aufgenommen.
Angezogen von sozialen und politischen Erfolgen, haben viele Völker versucht, die Ideen vor allem der Aufklärung und insbesondere der Französischen Revolution aufzugreifen und anzuwenden, aber einige von ihnen, wie die Lateinamerikaner und die Balkanvölker, haben sich auf die Form beschränkt und die Substanz vernachlässigt, weil ihnen der kulturelle, politische und soziale Hintergrund fehlte, was auch heute teilweise noch gilt.
Von England hat die Menschheit den Parlamentarismus und den Industriekapitalismus (Industrielle Revolution, die Zweite Revolution der Produktivkräfte in der Menschheitsgeschichte), von denen fast alle großen Staaten der Welt profitiert haben. Speziell Deutschland hat fast alle Errungenschaften der englischen Industrierevolution relativ schnell und gründlich übernommen und konnte sich rasant zu einer Industrienation entwickeln.
Im späten 19. Jahrhundert schickte Japan Tausende von Studenten in die USA und nach Deutschland, um die damals fortschrittliche amerikanische und deutsche Industrie sowie das deutsche Straf- und Zivilrecht zu studieren. Das Wissen wurde in Japan angewandt, ohne dass die japanische nationale Identität verloren gegangen wäre, aber die japanische Lebensweise hat sich unter dem kulturellen Einfluss der USA nach dem 2. Weltkrieg gewandelt. Später taten die chinesischen Pragmatiker dasselbe, da es dort keine Priesterschaft, keine Mullahs oder Priester gibt, welche die Modernisierung des riesigen Landes verhindern könnten.
Auch gegenwärtig versuchen viele Länder von den USA vor allem auf dem Gebiet der Hochtechnologien zu lernen, zumal in diesem Land sich die Dritte große Revolution der Produktivkräfte in der Menschheitsgeschichte erfolgt. China hat z.B. hinsichtlich der Hochtechnologien viel von den USA und teilweise auch von anderen westlichen Ländern gelernt, aber zugleich das Übernommene weiterentwickelt und ist hierdurch dabei, sich ebenfalls zu einer Supermacht der Hochtechnologien zu entwickeln.
Abgesehen von der rückständigen Orthodoxie, hat der Islam aufgrund seines theozentrischen, teilweise theokratischen Systems auch große Probleme mit den Werten des westlichen Kulturkreises, wie Anthropozentrismus, Individualität, Demokratie, bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte, während er gleichzeitig auf seine angebliche moralisch-ethische Überlegenheit hinweist. Dies ist jedoch in Wirklichkeit eine Kompensation für den Rückstand in den wichtigsten Bereichen des konkreten Lebens und Ausdruck von Minderwertigkeitskomplexen.
Schlussfolgerungen:
1. Die Aneignung von Kultur und Wissenschaft fortgeschrittener Völker war und ist in der Geschichte der Menschheit etwas Selbstverständliches und Vorteilhaftes.
2. Die größten Gegner der Übernahme von Errungenschaften anderer Länder oder Kulturen sind in erster Linie die Religion sowie rückständige soziale und nationalistisch gesinnte Gruppen.
Veröffentlicht von2012-2018 häufig in den griechischen Zeitungen Καθημερινή (Kathimerini), Τα Νέα (Ta Nea) und in efimerida.
Aus meinem Buch: Panos Terz, Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band) , ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S. 202.