Zu wiederholten Mal sehe ich Grund, auf das Einmischungsverbot des Völkerrechts bzw. der UN-Charta (Art.2) hinzuweisen, welches von der UN-Prinzipien – Deklaration von 1970 authentisch interpretiert wurde und damit für die UN-Mitglieder bindend ist:
„Der Grundsatz betreffend die Pflicht, im Einklang mit der Charta nicht in Angelegenheiten einzugreifen, die zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören. Kein Staat und keine Staatengruppe hat das Recht, unmittelbar oder mittelbar, gleichviel aus welchem Grund, in die inneren oder äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates einzugreifen. Folglich sind die bewaffnete Intervention und alle anderen Formen der Einmischung oder Drohversuche gegen die Rechtspersönlichkeit eines Staates oder gegen seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Teilelemente völkerrechtswidrig. Ein Staat darf keine wirtschaftlichen, politischen oder sonstigen Maßnahmen gegen einen anderen Staat anwenden oder ihre Anwendung begünstigen, um von ihm die Unterordnung bei der Ausübung seiner souveränen Rechte zu erlangen oder von ihm Vorteile irgendwelcher Art zu erwirken. Auch darf ein Staat keine auf den gewaltsamen Umsturz des Regimes eines anderen Staates gerichteten subversiven, terroristischen oder bewaffneten Aktivitäten organisieren, unterstützen, schüren, finanzieren, anstiften oder dulden und nicht in interne Konflikte in einem anderen Staat eingreifen“.
Eins steht fest: Über die politische Ordnung Russlands entscheidet in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts (weiteres grundlegendes Prinzip des Völkerrechts) ausschließlich das russische Volk. Eine Angelegenheit kann sich nur dann zu einer internationalen mit Konsequenzen entwickeln, wenn eine grobe, massive und systematische Verletzung grundlegender Menschenrechten und Freiheiten vorliegt. Ansonsten gilt in den internationalen Zwischenstaatlichen Beziehungen ein weiteres grundlegendes Prinzip, die Friedliche internationale Zusammenarbeit auf der Basis des gegenseitigen Interessens und Vorteils, wobei gegenseitige Abhängigkeiten entstehen. Hierdurch werden der Weltfrieden und die internationale Sicherheit wirksamer gewährleistet.
All dies schließt nicht aus, dass man gegen Menschenrechtsverletzungen protestiert. Allerdings Forderungen nach Sanktionen gegenüber einem souveränen Staat, der noch dazu immer noch eine Supermacht ist, wenn auch, nur auf militär-strategischem Gebiet ist, schießen weit über das Ziel hinaus. Sie tragen vielmehr dazu bei, einen neuen Kalten Krieg zu befeuern. Cui bono ? Ich bin weder Russe, noch Anhänger Putins und seines autoritären Regimes.
Zeit, Frankfuerter Allgemeine Zeitung, , Focus, Süddeutsche Zeitung, Wiener Zeitung (22.2.21)
Die Beziehungen zwischen souveränen Staaten sind kein Fußballspiel.
Die Beziehungen zwischen den Staaten basieren auf den in der UNO-Charta verankerten sieben grundlegenden Prinzipien als Hauptsäulen des Völkerrechts ( Internationales Öffentliches Recht) . Es seien nur drei genannt: Souveräne Gleichheit der Staaten, Friedliche internationale Zusammenarbeit und Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.
Wenn jedoch eine grobe, massive und systematische Verletzung grundlegender Menschenrechte und Freiheiten derart verletzt werden, dass hierdurch der Friede gefährdet wird, gehört dies nicht mehr zu den inneren Angelegenheiten eines Staates, sondern erlangt die Qualität einer internationalen Angelegenheit. Danach befasst sich die UNO (Menschenrechtskommission) damit und darf den betreffenden Staat nicht nur kritisieren, sondern empfiehlt anderen Staaten die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.
Im Fall Nawalnys handelt es sich allerdings nicht um eine internationale Angelegenheit. Der Westen kann dennoch im Prinzip dagegen protestieren, jedoch die Androhung mit bzw. das Verhängen von Sanktionen gegen Russland sind im Internationalen öffentlichen Recht nicht
vorgesehen, denn sie richten sich eindeutig gegen das Prinzip der friedlichen internationalen Zusammenarbeit übrigens auf der Basis des gegenseitigen Interesses und Vorteils ( do ut des).
Die Angelegenheit hat ein Geschmäckle: Die USA unterhalten ausgezeichnete Beziehungen zu dem totalitären Regime in Saudi-Arabien und verkaufen hochmoderne Waffen ohne ein Wort zu den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen zu verlieren, Deutschland hat gute Beziehungen zum autoritären Regime in Ägypten und verkauft ebenso Waffen. Man könnte weitere Beispiele dieser Art erwähnen. Ist dies nicht heuchlerisch?
Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass in Russland ein autoritäres System herrscht, das von der Mehrheit des Volkes getragen wird, weil es über keine demokratische Tradition verfügt. Bei den Gegnern des Regimes handelt es sich um eine Minderheit, die leider nicht imstande ist, das Regime durch ein echt demokratisches zu ersetzen. Generell ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über das politische System Russlands einzig und allein von dem russischen Volk und nicht von den USA oder von der EU getroffen wird. Frankfurter Allgemeine Zeitung (12.2.21,19.2.21)