Kaliningrad, Transit

Transitbeschränkungen durch Litauen
Die Transitbeschränkungen sind angesichts des Angriffskrieges gegen die Ukraine weder nötig, noch klug. Cui bono? Es ist daher anzunehmen, dass sie wieder rückgängig gemacht werden. Andererseits sind die üblichen plumpen Drohungen Russlands hochriskant, denn für Litauen gilt der casus foederis (Beistandsfall), verankert im Art. 5 des NATO-Vertrages. Russlands “ruhmreiche” Armee kann sich ein weiteres militärisches Abenteuer nicht leisten, denn die NATO insgesamt stellt die stärkste Militär-Allianz in der Geschichte dar. Dennoch sind die Imperialparanoia sowie die fehlende Selbsterkenntnis Putins als prägendes Merkmal aller Autokraten/Diktatoren nicht zu unterschätzen, denn Putin „kommuniziert“ schon lange mit der Geschichte. Leipziger Volkszeitung, NZZ(22.6.22)
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Königsberg-Kaliningrad, auch Raubland
Stalin hat nach dem Zweiten Weltkrieg Königsberg und Umgebung mit der Begründung beansprucht, es handelt sich um “urslawisches” Gebiet. Die gleiche Methode wendet Putin an, indem er alle früheren “russischen Gebiete”, darunter auch die Ukraine (wörtlich) “zurück holen” will. Wie eh und je IMPERIALISTISCHES Russland. Zeit, Wiener Zeitung (24.6.22)
Stalin hat übe alle territorialen Verschiebungen (Kurilen-Inseln, Moldawien, Königsberg, Galizien, Ost-Karelien) mit Zustimmung der westlichen Alliierten (bei Ost-Karelien anders) entschieden. Aus ihrer Sicht ging es um eine EINMALIGE Strafe für den Krieg, den Völkermord und die zahlreichen Kriegsverbrechen. Die Polen meinten danach, a) es ginge bei den „deutschen Ostgebieten“) um ursprünglich polnisches Land und b) um die Kompensation für ehemalige polnische Ostgebiete, welche von der Sowjetunion annektiert wurden. Zu a) sagte ich (ethnisch kein Deutscher) Anfang der 80er Jahre auf einer Konferenz in Poznan zu den polnischen Kollegen, dass vor der slawischen Völkerwanderung in diesen Gebieten GERMANISCHE Stämme lebten! Das Gespräch wurde abrupt beendet. Wiener Zeitung (24.6.22)
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Separation von einem Staat, Beispiele von Luhansk und Donetzk

Separation von einem Staat, Beispiele von Luhansk und Donetzk

1. Das Separationsproblem liegt im Schnittpunkt von Völkerrecht und  Staatsrecht. Es betrifft ethnische, religiöse oder sprachliche Minderheiten.

a) Dabei ist die tatsächlich vorhandene Minderheit von der staatsrechtlich in der Verfassung anerkannten Minderheit zu unterscheiden.

b) Das Völkerrecht , genauer der  „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ vom 19.Dezember 1966, Artikel 27 schützt folgendermaßen die Minderheiten :“In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedien“.

Nach dem Ersten  Weltkrieg hat der Minderheitenschutz versagt, schuld daran waren die Irredenta -Politik des faschistischen Italiens und die Politik „Heim ins Reich“ des nationalsozialistischen Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind einige wichtige Dokumente nur in Europa verabschiedet worden, die den Minderheitenschutz geregelt haben, wie das Kopenhagener Abschlussdokument der KSZE über „Die menschliche Dimension“ von 1990, die Europäische Konvention für den Schutz von Minderheiten von 1991, Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, um die wichtigsten zu nennen. Die wichtigsten Gruppenrechte (der Begriff hat sich durchgesetzt) sind im Großen und Ganzen die folgenden: eigene kulturelle Autonomie, eigene lokale Verwaltung, Verwendung der Muttersprache, Schulunterricht auch in der Muttersprache etc. Eine weitestgehende Autonomie könnte M.E. auch die Wirtschaft und die Ressourcen erfassen.
Es ist nicht Absicht  dieses   kurzen Kommentars, auf die komplizierten Ereignisse in Kiew 2014 und kurz danach einzugehen. Aber aus Sicht des Völkerrechts war das Verbot der russischen Sprache in der Ost-Ukraine sowie der griechischen Sprache in Mariupol nicht erlaubt. Dieses ist allerdings wieder zurückgenommen worden. Es wäre von Anfang an einwandfrei völkerrechtsgemäß  gewesen, der russisch sprechenden  Minderheit in der Ost-Ukraine eine weitestgehende Autonomie zu gewähren. Es entspricht der historischen Wahrheit, dass ultranationalistische Kräfte aus der West-Ukraine strikt dagegen waren.
Die ukrainische Regierung hat die im Minsker Abkommen 2 vereinbarte Autonomie an die  Gebiete Luhansk und Donetsk nicht verliehen, andererseits haben sich die bereits kämpfenden Separatisten das Abkommen nicht eingehalten.
2. Das Separationsproblem befindet sich ferner im Koordinationspunkt von zwei grundlegenden Völkerrechtsprinzipien und zwar der souveränen Gleichheit der Staaten (Souveränität) und des Selbstbestimmungsrechte der Völker oder der Nationen. Dem Wesen nach stützt sich die Souveränität des Staates auf das Selbstbestimmungsrecht des Staatsvolkes oder der Nation. Hieraus folgt, dass die Minderheiten  nicht Träger des Selbstbestimmungsrechts sind. Daher ist eine Gegenüberstellung beider Völkerrechtsprinzipien nicht möglich. Dies gilt auch für die polyethnischen Staaten. Als Beispiel seien die Katalanen in Spanien erwähnt, die zwar über eine weitestgehende Autonomie verfügen, jedoch aus ökonomischen Gründen (die reichste Region Spaniens) unbedingt eine Separation und in Verbindung damit einen eigenen Staat anstreben. Das Gleich gilt auch für de Schotten, die ebenfalls  eine weitestgehende Autonomie besitzen, aber gleich nach der Entdeckung von Erdölquellen vor der Küste Schottlands mit Vehemenz versucht haben,  mittels von Referenden einen eigenen Staat zu gründen. Beide Nationen haben in ihren Bestrebungen als Prämisse ihr Selbstbestimmungsrecht und übersehen die Souveränität des jeweiligen Staates, denn über die Separation entscheidet das gesamte Staatsvolk bzw. die zentrale Regierung und nicht die Regionalregierung. Allerdings im Falle des Zusammenbruchs der ehemaligen UdSSR  ist die Separation auf ethnischer Basis friedlich verlaufen, wobei es auch die international einmalige dreifache Separation gab: die Ukraine von der UdSSR, Moldawien  von der Ukraine und Transnistrien von Moldawien.
3. Völkerrechtlich gäbe es eine andere Möglichkeit: Liegt eine systematische, schwerwiegende und massive Verletzung der  Rechte einer Minderheit, dann kann sie  als ultima Ratio zu der Separation schreiten. Ist die zentrale Regierung nicht bereit, dies zu akzeptieren, dann kommt es unweigerlich zu einem Separationskrieg. In  beiden Fällen liegen  sowie in der „Republik Biafra“ (Nigeria 1967, Entdeckung reicher Erdölquellen) und in der “Unabhängigen Republik Katanga (Kongo 1960, reiche Kupfervorkommen) lagen die Voraussetzungen für eine Separation nicht unbedingt vor. Kein Staat war bereit, diese kurzlebigen staatsähnlichen Gebilde  diplomatisch anzuerkennen. Auch im Falle von Luhansk und Donetsk lag ein Jahr  nach der “Euromaidan-Revolution“ vom Februar 2014 , d.h. zum Beginn des Aufstandes in der Ost-Ukraine  keine systematische, schwerwiegende und massive Verletzung der Rechte der russischen Minderheit, geschweige denn ein Völkermord gegen sie  vor. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass im Februar 2014 Russland  völkerrechtswidrig die Krim annektiert hat.

Inzwischen liegt es  prima facie vor, dass Russland seit Jahren alle früheren russischen Gebiete wie der „heilige“ Zar Peter der Große zurück holen will. Putin in seiner Rede vor Vertretern seiner Jugendorganisation zum 350. Geburtstag des Zaren Peter im Juni 2022: „Er hat nichts genommen, sondern er hat das Land zurückgeholt. Ja, er holte das Land zurück und stärkte es. Genau das hat er getan. Offensichtlich sind jetzt wir an der Reihe, das Land zurückzuholen und zu stärken“. Deutlicher geht es mit seinen Imperialphantasien nicht. Aber es handelt sich um völkerrechtswidrige Annexionen.  Dies gilt insbesondere für die Ukraine. Dabei stellt die Separation den ersten Schritt für die Annexion dar. Etwas Ähnliches ist auch in Cherson geplant: occupatio bellica (kriegerische Besetzung)-„Volksabstimmung“-Separation – Annnexion. D.h., es geht nicht unbedingt um die Schaffung eines unabhängigen Staates, sondern vorübergehend um staatsähnliche Gebilde, um sie danach zu annektieren.

Realistisch betrachtet, ist die Krim, obwohl völkerrechtswidrig, für die Ukraine für immer verloren. Bei einer Friedensregelung wäre eine Sonderregelung für die Luhansk und Donetsk durchaus möglich und absolut erforderlich. . Die „Anerkennung“ dieser künstlichen staatsähnlichen Gebilde seitens Russlands besitzt nach Völkerrecht keine konstitutive Wirkung. Übrigens der Kasachische Präsident Tokajew hat, völkerrechtlich einwandfrei argumentierend,  das Souveränitätsprinzip unterstrichen und sich weigerte, die „unabhängigen Staaten“ Luhansk und Donetzk diplomatisch anzuerkennen auch mit der Begründung, dass wenn das so weiter ginge, wir in der Welt 500-600 Staaten haben würden.  Hauptziel Putins ist jedoch die Annexion, die allerdings etwa im Sine eines Friedens-Diktats Russlands tunlichst ausgeschlossen werden sollte.

Kurzum: Putin geht es um ein Imperium magnum russicum novum und damit um das  dritte russische Reich nach dem Zarenreich und dem kommunistischen Imperium.

Prof.Dr.,Dr.sc.,Dr.habil., Völkerrecht, Theorie der internationalen Beziehungen

Siehe ausführlicher

-Panos Terz, Ausgewählte Probleme des Völkerrechts, Gesammelte Schriften,ISBN: 978-620-0-44679-4, Saarbrücken 2021; -Panos Terz, The science of international law, ISBN: 978-620-3-97855-1, Saarbrücken 2021; -Panos Terz, Панос Терц, Отдельные проблемы международного права, ISBN-13: 978-620-4-10170-5, Saarbrücken 2021.

Berliner Zeitung (13.7.22),21.9.22