Byzanz zwischen dem antiken griechischen Geist und der europäischen Renaissance

Byzanz zwischen dem antiken griechischen Geist und der europäischen Renaissance (Die vorliegende Studie ist eine symbolische Hommage an den größten Weisen aus dem Pontos (Kardinal der römisch-katholischen Kirche und lateinischer Patriarch von Konstantinopel, Philosoph, Theologe, Gelehrter, Humanist und Großer Förderer der Renaissance ), den genialen Trapezuntier Wasilios Wissarion (Βασίλειος  Βησσαρίων),

Gliederung

1.Terminologie, 2.Bestandteile des Imperium Romanum Oientalis, 3. Kultur von Byzanz, 4. Patriarch Photius und Michael Psellos, 5. Kritik, Zweifel, 6. Errungenschaften der Theologie, 7. Wissenschaft und Bildung, 8. Das antike griechische Erbe, 9. Probleme, Mangel an Kreativität, 10. Byzanz als kultureller Erbe der antiken griechischen Zivilisation, 11. Byzanz als Vermittler zwischen der Antike und dem Westen

1. Terminologie

Der offizielle Name des Reiches war Imperium Romanum Orientalis (Ost-Römisches Reich), aber nach dem 7. Jahrhundert wurde die Bezeichnung „Imperium der Römer“ eingeführt sie und blieb bis 1453 bestehen. Die kaiserliche Amtssprache war Latein, wurde aber zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert durch die überlegene griechische Sprache ersetzt, die ohnehin von den Gebildeten im ganzen Reich verwendet wurde, und die zweifellos ebenso haushoch überlegene griechische Kultur setzte sich durch, während im Westen das Lateinische die zahlreichen Sprachen der eroberten Völker verdrängen konnte. Mit anderen Worten, im Osten fanden die römischen Eroberer buchstäblich ihren Lehrmeister. Der große Politiker und Redner Cicero, als ob er auch dies vorausgesehen hätte, sagte (Zitat aus dem Gedächtnis: Wir haben Graecia militärisch besiegt, aber sie hat uns kulturell besiegt!). Die herrschende Klasse bestand vor allem aus Römern mit lateinischen Namen mit dem üblichen Suffix -us, das durch das griechische Suffix -os ersetzt wurde (z.B. Mutation von Constantius oder Constantinus zu Constantinos, was einfach Eustratios bedeutet, Iustinianus zu Justinianos, Paulus zu Pavlos etc.). Der Kaiser und angebliche “Heilige” Constantinus war also ein echter Romanus (Römer) und kein Grieche. Der Begriff Byzantinisches Reich wurde erst im 19. Jahrhundert von europäischen Historikern eingeführt, aber bereits im 16. Jahrhundert haben europäische Humanisten (griechische und lateinische Philologen) den Begriff Byzanz verwendet.

2. Bestandteile des Imperium Romanum

Die folgenden Bestandteile des Imperium Romanum Orientalis unterschieden es grundlegend vom Imperium Romanum Occidentalis (Westlich: ): Antike griechische Zivilisation, hellenische Zivilisation, römisches Recht, einige Errungenschaften der östlichen Zivilisationen, insbesondere der persischen (einschließlich Kleidungsinnovationen: Roben für alle, z.B. auch für Bischöfe, Kopfbedeckungen usw., die immer noch in Mode sind). Unter dem großen Einfluss des Christentums als einer gut organisierten imperialen Religion wurde eine interessante Synthese aus den oben genannten Elementen hergestellt, die den Grundstein für das 1000 Jahre andauerndes Imperium legte! Dies ist an sich schon eine enorme historische Leistung. Auf kulturellem Gebiet wurde der griechische Einfluss allmählich und systematisch verstärkt, während sich parallel dazu die christliche Religion durchzusetzen begann. Gleichzeitig hat sich Byzanz auf wirtschaftlichem, politischem und sozialem Gebiet zu einem neuen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem entwickelt, das sich weit vom ursprünglichen Imperium Romanum entfernt hat, von dem nur noch Namen und einige Traditionen in der Armee, der Verwaltung und natürlich im gesamten Rechtssystem übrig geblieben sind.

3. Kultur von Byzanz

Sein hochentwickeltes Wirtschafts- und Finanzsystem, seine Vormachtstellung im internationalen Handel, sein überentwickeltes Rechtssystem, seine in jeder Hinsicht überlegene Kriegskunst, seine perfekt ausgebildeten kaiserlichen Beamten, seine verfeinerte Kultur und seine allgemein überlegene soziale Fürsorge haben Byzanz eine internationale Vormachtstellung verschafft. In der Tat war Byzanz in militärischer, kultureller, wissenschaftlicher und diplomatischer Hinsicht eine Supermacht. Die byzantinische Zivilisation erreichte einen solchen Glanz, dass andere europäische Nationen sie bewunderten und daher Byzanz als das “Versailles des Mittelalters” betrachteten. Besonders in der Zeit zwischen 850 und 1000 hat Byzanz in der islamischen, slawischen und westlichen Welt so stark geglänzt, dass andere Völker und andere Reiche seine Kultur bewunderten und nachahmten, ohne jedoch sein Niveau zu erreichen. Dennoch finden wir in der Kulturgeschichte von Byzanz keine immer erfolgreiche Kontinuität. Die meisten Historiker bezeichnen die Zeit zwischen 650 und dem 8. Jh. wie auch das Mittelalter in West-Europa als “dunkel”, dennoch dennoch gab es dort beachtliche Entwicklungen, wie der Aufstieg des Bürgers in den Städten als Zeichen radikaler sozialer Veränderungen, die relative Autonomie des Bürgers gegenüber der Obrigkeit, vor allem der Kirche, und, besonders wichtig, die Ausrichtung des menschlichen Denkens auf irdische Probleme. Aber die Befürworter des europäischen Rinascimento (Renaissance) wollten die neue Ära sicherlich dadurch kennzeichnen, dass sie das gesamte Mittelalter verächtlich als “dunkles Zeitalter” bewerteten, was, wie bereits in den 80er Jahren von Fachleuten nachgewiesen wurde, eine große Übertreibung und damit eine falsche Wahrnehmung war. Die Humanisten begingen den gleichen Fehler, indem sie das gesamte Mittelalter als völlig rückständig verdammten und verachteten.Die oben genannten Merkmale des europäischen Mittelalters konnten in Byzanz zwischen dem 7. und 8. Jahrhundert vor allem wegen der ununterbrochenen Kriege nicht auftreten. Im 9. Jh begann eine systematische Beschäftigung mit der antiken griechischen Kultur. Dieses Phänomen kann allgemein als eine Art “Renaissance” und “Humanismus” in Byzanz bezeichnet werden. Zwei herausragende Persönlichkeiten, nämlich der Patriarch Φώτιος und Michael Psellos (Ψελλός), taten sich dabei besonders hervor. Wir werden sie ausführlich erwähnen, denn sie sind unsere eigenen geistigen

4. Patriarch Photios und Michael Pellos

Unter den Byzantinologen besteht ein internationaler Konsens darüber, dass Patriarch Photios der größte Lehrer und der größte Weise des 9. Jahrhunderts, der bedeutendste Geist, der prominenteste Politiker und der begabteste Diplomat war. Er entschied, dass die Brüder Kyrill (Κύριλλος) und Methodiοs (Μεθόδιος) zu den Slawen geschickt werden sollten, um sie vermittels der christlichen Religion und Schrift zu zivilisieren. Er begründete auch die Theorie der zwei Gewalten (Kaiser und Patriarch als gleichberechtigte Gewalten). Er hat durch die “Bibliothek” (“Myriovivlos”) mit großen Studien und mit seinen eigenen Kommentaren zu 386 Werken der antiken griechischen sowie des byzantinischen Schrifttums erheblich zur Erschließung des Erbes beigetragen. Michael Psellos war der größte Enzyklopädist in der gesamten tausendjährigen Geschichte von Byzanz. Er veröffentlichte zahlreiche Schriften in den Bereichen Philosophie, Geschichte, Rhetorik, Recht und Naturwissenschaften. Überdies hat er 500 Briefe geschrieben. Er war ein hervorragender Kenner des antiken geistigen Erbes. Internationale Byzantinologen heben seine seltene Fähigkeit hervor, historische Persönlichkeiten komplex und vielschichtig zu untersuchen und dabei ihre psychologischen Widersprüche aufzuzeigen. Die offizielle große deutsche Enzyklopädie Brockhaus schreibt über den großen Psellos folgendes sehr Beeindruckendes: “So kann Psellos als Vorläufer der Renaissance-Gelehrten gesehen werden” (Kunst und Kultur, Bd. 3, S. 668 ). Meiner bescheidenen Meinung nach gibt es keine größere Anerkennung für den brillanten Psellos.

5. Kritik, Zweifel

Um den Unterschied zwischen Byzanz und dem Westen besser verstehen zu können, ist die Kenntnis der geistlichen Traditionen der Orthodoxie und des römischen Katholizismus notwendig. Während z. B. die westliche Kirche auf den Ergebnissen des römischen Rechtsdenkens beruht, ist die Grundlage der Ostkirche der antike griechische Idealismus, insbesondere der Platonismus. Aus diesem grundlegenden Unterschied leiten sich die völlig unterschiedlichen Fragestellungen ab, die im Mittelpunkt der jeweiligen Betrachtung und Auseinandersetzung stehen. So hat sich die westliche Theologie vor allem mit Fragen moralischer Natur befasst, während die byzantinische Theologie im 9. Jahrhundert vor allem das Wesen der Heiligen Dreifaltigkeit und das Wesen Jesu Christi zum Hauptthema machte. Aus Platzgründen ist es nicht möglich, speziell auf die Frage des filioque einzugehen (nach katholischer Theologie ist nicht nur Gott der Vater die Quelle des Heiligen Geistes, sondern auch der Sohn Jesus Christus).Obwohl die Deutung des dreifaltigen Gottes bekannt ist, ist es nicht möglich, sie logisch und verständlich zu machen, wenn man nicht blind und unreflektiert an alle christlichen glaubt. Der oben erwähnte weise Psellos ging nicht diesen formalen Weg, sondern respektierte den Verstand, untersuchte die Dinge und war bestrebt, zum Wesen, zum punctum quaestionis der Phänomene vorzudringen. Er vertrat auch die Meinung, dass etwas, das der Natur widerspricht, keinen Platz in ihr hat. Es ist sehr interessant festzustellen, dass Psellos, wie der westliche Philosoph und Humanist Petrus Abaelard (11./12. Jh.) und der führende persische Philosoph al Farabi (10. Jh.), versuchte, den Glauben mit dem Diskurs der alten Griechen in Einklang zu bringen. So ist es kein Zufall, dass spätestens im 12. Jahrhundert die Gleichgültigkeit und der Zweifel der Gläubigen so stark zu werden begannen, dass die Kirchen nicht mehr so häufig gefüllt waren wie früher. Einige Feudalherren zeigten bereits ihre Verachtung für den Patriarchen. Nach und nach erschienen satirische Texte wie der folgende mit dem spöttischen Titel “Über die Verbesserung des Lebens der Mönche”. Sein Autor war Ευστάθιος (Eustathiοs) von Thessaloniki, einer der größten Philologen der altgriechischen Literatur, Professor an der Patriarchatschule in Konstantinopel und späterer Erzbischof von Thessaloniki. Auch Martin Luther, der Begründer des Protestantismus, hat solche Texte verfasst, allerdings dreihundert Jahre später! Die Werke weiterer Philosophen und Theologen weisen rationalistische Tendenzen auf. Die orthodoxe Kirche duldete natürlich dies nicht und begann, Rationalisten hart zu bestrafen. Zuerst bestrafte sie Johannes den Italiener, weil er grundlegende Lehren nicht anerkannte und außerdem wagte es, die Meinung zu äußern, dass die Vernunft (Aristoteles) Vorrang vor dem Glauben haben müsse ! Dies war ohne Übertreibung heldenhaft. Nach ihm wurde sein Schüler Eustratios von Nicäa bestraft, weil er in theologischen Dialogen Regeln der Logik, aber nie Zitate aus dem Evangelium und den Schriften der “Heiligen Väter” verwendete. Sein Kommentar zu Aristoteles war im Westen einflussreicher als im Osten ( A.P. Kaschdan, S.170. siehe in den Quellen). Im 12. Jahrhundert wurde Michael Glykas schwer bestraft, geblendet und in ein Kloster eingesperrt, wo er starb. In seiner Schrift “Über die göttlichen Mysterien” hat er fast alle Lehren der Orthodoxie angezweifelt, darunter auch die leibliche Auferstehung der Sterblichen. Er schrieb unter anderem, dass Jesus Christus für sich selbst gekreuzigt wurde, d.h. es hat sich um seine persönliche Sache gehandelt. Aber im Allgemeinen wollte die Kirche Menschen, die sich Gott und dem Kaiser fast als Gott unterordnen und nicht denkende und vor allem zweifelnde Menschen. Nun, die westliche Kirche hat verblendet, die Ostkirche hat ebenso verblendet und der Islam hat enthauptete die kritisch denkenden Rationalisten als “Ketzer” enthauptet. Meiner Meinung nach waren das Helden und Märtyrer des kritischen Denkens.

6. Errungenschaften der Theologie

Dennoch gab es große Erfolge in der Theologie, die einen bedeutenden Einfluss auf die Theologie im Westen ausgeübt hatten. Wir erwähnen hier nur einige wenige Errungenschaften, wie die Abhandlung des Bischofs Nemesios  (Νεμέσιος) von Emesa (5. Jh.) mit dem Titel «Περί της φύσεως του ανθρώπου» (“Über die Natur des Menschen”), welche die christliche Anthropologie des gesamten Mittelalters entscheidend beeinflusst hatte. Der Text wurde im 11. Jh. in Palermo ins Lateinische übersetzt. Wir erwähnen auch den Heiligen Vater Ioannes Damaskinos (Ιωάννης Δαμασκηνός, 7./8. Jh.), der ein bedeutungsvolles Buch über Philosophie und Theologie mit dem Titel «Η Πηγή της γνώσεως» (“Die Quelle der Erkenntnis”) verfasste. Darin geht es um interessante Themen wie « Τέχνη των καλών τεχνών» (“Kunst der schönen Künste”) und « Αγάπη στη σοφία» (“Die Liebe zur Weisheit”) als eine besondere Art des Denkens und der Manifestation der allgemeinen Bildung sowie als eine Lebensweise. Dieses Konzept ist in der Tat sehr zeitgemäß.

7. Wissenschaft und  Bildung

Im Allgemeinen gehörte die Wissenschaft mit einigen Einschränkungen zu den anerkannten Werten. Bereits im 9. Jh. kam es zu einem Aufschwung von Bildung und Wissenschaft. Es ist kaum zu glauben, aber Byzanz übernahm das gesamte altgriechische System der Schulbildung. Die Grundlage der Bildung waren in der Regel in erster Linie die homerischen Epen und die Bibel. Der Schwerpunkt des Unterrichts lag auf grammatikalischer Analyse, Syntax und rhetorischen Ausdrücken. Die höhere Bildung umfasste Rhetorik in Altgriechisch, Philosophie (Kenntnis und Interpretation der Werke von Platon und Aristoteles), Arithmetik, Astronomie und Musiktheorie. Die Byzantiner lasen mit besonderer Aufmerksamkeit und Freude die historischen Werke von Thukydides (Θουκυδίδης) und Polybios (Πολύβιος).

Obwohl die byzantinische Gesellschaft die Wissenschaft schätzte, gab es Kleriker, die sie als gefährlich ablehnten. Mit anderen Worten, es herrschte eine paranoide Situation, sodass man zwischen “echtem Wissen”, das natürlich ein Geschenk Gottes sei und für dessen Erwerb man sich nicht anstrengen muss, und dem sehr abschätzigen -”Pseudowissen” der alten Griechen unterschied. Kurz gesagt, Wissen wurde als etwas Wertvolles angesehen, vor allem wenn es dem Menschen half, Gott und die Ewigkeit besser kennenzulernen.

Es gibt aber auch eine wissenschaftliche Errungenschaft von Byzanz von globaler, vielleicht sogar weltgeschichtlicher Bedeutung, das Corpus Juris Civilis  Iustinianis  aus dem 6. Jh. Dieses Gesetzbuch ist wichtiger als der Codex Hammurapi (vor 3.700 Jahren) oder der Codex Eshnuna (vor 4.284 Jahren),  denn es ist das Zivilrecht fast der ganzen Welt. Seine Terminologie ist im Völkerrecht in der Tat international. Die byzantinischen Rechtsgelehrten haben es oft an neue gesellschaftliche Bedingungen angepasst. Im 11. Jh. hatte es bereits Italien erreicht (Pavia und Bologna) und war die Grundlage für die Ausbildung von Juristen. In Deutschland war der Kodex Juris Civilis die Grundlage für die Juristenausbildung an den Universitäten und viele seiner Regeln waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Kraft!

8. Das antike griechische Erbe

Obwohl sich die Bewohner des multiethnischen Byzanz Römer (Romaioi, Ρωμαίοι) nannten, was sich nur auf den Staat bezog, dessen Untertanen sie waren, war das Reich eine besondere Organisation, die auf der griechischen Kultur beruhte. Was die Bildung anbelangt, so “waren sie zweifellos die direkten Erben der alten Hellenen, deren Bildungserbe, in den christlichen Blickwinkel einbezogen, fast ohne Schwäche weiterlebte”. Ferner Wissenschaft, bildende Künste und Philosophie blieben “das kostbare Gut des christlichen Byzanz” (Große Enzyklopädie, 3, S.12). Auch auf sprachlichem Gebiet war Byzanz ein würdiger Erbe der Alten Griechen. Es war gerade die altgriechische Sprache, die innerhalb von etwa 300 Jahren das Lateinische als Reichssprache Sprache buchstäblich besiegt und eliminiert hat. Etwas Ähnliches ist im Mittelalter mit den militärisch mächtigen, aber kulturell völlig rückständigen Mongolen in China und Nordindien geschehen. Wir wiederholen: Byzanz rettete die altgriechische Sprache und hielt sie bis zum Fall Konstantinopels und darüber hinaus am Leben, und zwar durch die orthodoxe Kirche, der das gesamte Griechentum für diese geistige Leistung ewig dankbar sein sollte.

9. Probleme, Mangel an Kreativität

Es gab aber auch große Probleme bei der Bewertung des antiken griechischen Erbes. Nach der Proklamation des Christentums zur Reichsreligion, d.h. als politisches Werkzeug des Staates (ein bekanntes Phänomen in allen Religionen), begann die Ära der metaphysischen Spekulationen, der Mystik und der theologischen Konstruktionen in der unvorstellbaren Abstraktion komplexer und unverständlicher himmlischer Themen ( Heilige Dreifaltigkeit: 1+1+1=1 usw.). Die grundlegende Weltbild des Byzanz in seinem gesamten Verlauf und in Kontinuität in enger Verbindung mit der östlichen Orthodoxie liegt in der Tatsache, dass der menschliche Fortschritt durch die göttliche Offenbarung vollendet und abgeschlossen worden wäre. Dabei handelt es sich jedoch um eine starre, nicht-dynamische und vor allem nicht-kreative Auffassung von Zivilisation und Fortschritt. Die Annäherung an die Werke der Alten Griechen erfolgte meist mit größtem Respekt, aber in einer hochgradig philologischen, d.h. sterilen Weise, die ihre Vollendung in der Beschäftigung mit Grammatik, Syntax und vor allem mit der ständigen und ewigen Wiederholung findet. Das kritische Denken war unterentwickelt. Hierin liegt meiner bescheidenen Meinung nach der eigentliche Grund der Sucht im Bildungssystem Griechenlands nach Auswendiglernen und Nachplappern. Hierin  liegen auch die Ursachen für den Mangel an Kreativität.

10. Byzanz als kultureller Erbe der antiken griechischen Zivilisation

Obwohl dieser Punkt offensichtlich sein dürfte, werden wir versuchen, dies nachzuweisen, um auch die Zögerlichsten zu überzeugen. Byzanz hat die antike griechische Kultur vor allem in den entscheidenden Bereichen der Philosophie, der Bildung und der Literatur geerbt. Der Tradition ging jahrhundertelang der philosophische Ausgangspunkt des Neuplatonismus voraus, der die Auffassung vertrat, dass das Leben sinnvoll und nützlich sei. Nach dieser Auffassung entspricht die Welt der Weisheit Gottes, sodass jeder Versuch, die göttliche Ordnung zu verändern, blasphemisch und unnatürlich sei. So hat die christliche Weltanschauung die Tradition in ihren wirtschaftlichen und politischen Erscheinungsformen gerechtfertigt und verteidigt. Die Unveränderlichkeit der Werte war in ihrem Wesen die ideale Garantie für das sozio- politische System. Sie gingen sogar so weit, die Tradition als Ausdruck des göttlichen Willens zu betrachten. Gleichzeitig wurde die selbstverständliche menschliche Erfahrung abgelehnt, und man war nur an einer oberflächlichen Annäherung an die Phänomene des wirklichen Lebens interessiert. Nach der offiziellen Auffassung hatte die Tradition ihren Ursprung im “Wesen” der Dinge (göttlich), während die menschliche Erfahrung sich nur mit ihrer äußeren Form befasste. Hierin liegt der Schwerpunkt der Gründe für die ablehnende Haltung gegenüber Reformen in allen Ländern mit orthodoxer Tradition. Die Tradition hat sich durch vertraute Funktionen und zahlreiche Symbole gefestigt, die durch ihre Wiederholung letztlich eine wichtigere Rolle als die Handlungen selbst erlangt haben. Im gegenwärtigen politischen Leben Griechenlands ist etwas Ähnliches zu beobachten.

11. Byzanz als Vermittler zwischen der Antike und dem Westen

Wir haben bereits die wichtigsten Beispiele genannt, die belegen, dass Byzanz die Rolle des Vermittlers zwischen der antiken griechischen Zivilisation und der europäischen Renaissance mit großem Erfolg zu spielen vermochte. Das bereits erwähnte Standardwerk der deutschen Enzyklopädie schreibt aufschlussreich: “Ohne die höheren Schulen in Byzanz, ohne die berühmten Bibliotheken und ohne eine relativ große Schicht gebildeter Nichtkleriker wären Dokumente der griechischen Klassik, wie die Werke von Homer, Hesiod, Platon und Herodot, nicht überliefert worden” (Band 3, S. 685).

Konkret handelt es sich um die zahlreichen Schriften, die unmittelbar nach dem Fall Konstantinopels von byzantinischen Gelehrten nach Norditalien gebracht wurden, welche die europäischen Intellektuellen im Original lesen konnten, nachdem die byzantinischen Wissenschaftler ihnen die altgriechische Sprache beigebracht haben.   Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass der  Philosoph, Humanist, Theologe und Gelehrte, Wissarion (Βησσαρίων), dem die vorliegende Schrift gewidmet ist,  einer der ersten Kulturbringer und Lehrer des Westens noch vor dem Fall Konstantinopels war. So gründete er unter anderem die erste Akademie in Rom, an der Mathematik, Astronomie und klassische Literatur gelehrt wurden. In Venedig gründete er die damals größte Bibliothek Europas zum geistigen Erbe der alten Griechen.  Wissarion  trug wesentlich zu den intellektuellen Grundlagen der Renaissance und der humanistischen Bewegung bei. Seine Abgesandten reisten in das nunmehr osmanisch beherrschte Byzanz, um antike Schriften zu sammeln. Geflüchtete Gelehrte aus Konstantinopel fanden in seinem Kardinalspalast  Unterkunft und Übersetzerarbeit. Ein anderer Gelehrter, Γεώργιος Τραπεζούντιος (Georg der  Trapezuntier), der auf Kreta als Sohn trapezuntischer Eltern geboren wurde, erhielt eine Professur an der Universität von Venedig (siehe  Χ. Σαμουηλίδης, Ιστορία του Ποντιακού Πολιτισμού,  Αθήναι, S. 80-82).  Er gilt nach wie vor für die Wissenschaftler pontischer Abstammung als Vorbild und nachahmenswertes Beispiel.

Aber im Allgemeinen waren viele Werke der antiken Philosophen bereits im Westen und aus einer anderen Quelle bekannt: in Latein und Arabisch. Es ist bekannt, dass zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert eine besondere Form der Renaissance des antiken Geistes in den islamischen Ländern stattfand, und zwar auf der Grundlage zahlreicher Übersetzungen aus dem Altgriechischen ins Arabische in Damaskus und vor allem in Bagdad. Etwas später wurden in Spanien viele Schriften der antiken Philosophen aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. So studierten westliche Philosophen schon Jahrhunderte vor dem Fall Konstantinopels zunächst einige Schriften auf Latein, dann im arabisch besetzten Spanien (Toledo und Gordoba) griechische Weisheiten auf Arabisch, dann auf Latein, und dann in Paris und Norditalien allgemein auf Latein

Doch als sie sie auf Altgriechisch studieren konnten, bedeutete dies einen gewaltigen sprachlichen und qualitativen Sprung in der systematischen Auswertung des antiken Wissens, den die Humanisten mit einem solchen Erfolg fortgesetzt haben, dass sie fast vergessen haben, woher das Licht des antiken Geistes kam,d.h. aus dem Byzanz oder aus Spanien der Omajaden.

Leider geschah auch etwas Unangenehmes und für das Griechentum   verheerendes: Westliche Wissenschaftler haben schon seit der Renaissance und der Aufklärung den antiken griechischen Geist erfolgreich ausgewertet, haben ihn vollständig kennengelernt, haben ihn auf ihre Weise interpretiert und auf dieser Grundlage ganze philosophische Denkgebäude errichtet (vor allem die deutschen Giganten der Philosophie I. Kant und Hegel ), während die Griechen von dieser Entwicklung durch die jahrhundertealte osmanische Herrschaft so abgekoppelt waren, dass die Philosophen und Wissenschaftler des Abendlandes inzwischen als die wahren Erben des antiken griechischen Geistes gelten.  Überdies ist es den Europäern  gelungen, entscheidende Elemente des antiken griechischen Geistes anzuwenden.

Literatur

-Der Brockhaus, Geschichte, II, Mittelalterliche Welt und frühe Neuzeit, Leipzig, Mannheim, Augsburg 2001, S.97.

-Der Brockhaus, Kunst und Literatur, 3, Mittelalter, Orient und Okzident, Leipzig, Mannheim 1997, S.630, 666-669, 685.

-Propyläen-Weltgeschichte, Berlin 1929-1933.

-Große Enzyklopädie, 3, Köln 1990, S.1250-1252.

-Grand Larousse Encyclopedique, Paris 1960-64.

-Encyclopedia Britannica, London 1921-1922.

-Σύγχρονος Εγκυκλοπαίδεια Ελευθερουδάκη, Αθήνα 1962.

-Νεώτερο Εγκυκλοπαιδικό Λεξικό Ηλίου, Αθήναι 1948.

-Geschichte der mittelalterlichen Philosophie, Berlin 1989.

-F. Thiess, Die Griechischen Kaiser, Die Geburt Europas, Augsburg 1992.

-A.P. Kashdan, BYZANZ und seine Kultur (Übers. Aus dem Russischen ), Berlin 1968, S.81, 86/87, 117/118,124-126, 128/129, 167, 169-172, 177.

- G. Ostrowsky, Die Geschichte des byzantinischen Staates, München 1963.

-M. Grünbart, Das Byzantinische Reich (Geschichte kompakt). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014.

-S. Runcinam, Byzanz, Von der Gründung bis zum Fall Konstantinopels (Übers. Aus dem Englischen), München 1983

-S. Runcinam, Byzantine Civilization, London 1933.

-Τ. Warren, A History of the Byzantine State and Society, Stanford 1997.

-T. E. Gregory, A History of Byzantium , Oxford et alt. 2005.

- M. Angold, The Byzantine Empire, 1025–120: A Political History, London 1997.

-A. Cameron, The Byzantines, Oxford 2006.

-R. Guerdan, Byzance, Librairie Académique, Paris 1973.

-P. Lemerle, Le monde de Byzance, Paris 1978.

– E. CABRERA, Historia de Bizancio, Editorial Ariel, 1998.

–F. Cognasso, Bisanzio, Storia di una civiltà, dall’Oglio, Milano 1976.

–P. Cesaretti, L’Impero perduto, Una sovrana tra Oriente e Occidente, Milano 2006.

-G. Ravegnani, Introduzione alla storia bizantina, Bologna 2006.

P.S. Der Autor hat Wurzeln in Pontos und speziell in Trapezunt, daher betrachtet diese Studie-Hommage als eine moralische Verpflichtung und große Ehre.

veröffentlicht oft in der griechischen Presse vor allem in Καθημερινή (Kathimerini) und in efimerida  von 2014 bis 2018 in Auseinandersetzung mit griechischen Nationalisten.

aus meinem Buch Panos Terz, Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band), ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S. 88-99.

 

 

 

Probleme zwischen Alten Griechen und den Hebräern, Seit wann und warum?

Probleme zwischen Alten Griechen und den Hebräern, Seit wann und warum?

Nach der Übersetzung des Alten Testaments in die griechische Sprache (Koine) durch72 hebräische Sprachkundigen zwischen 250 und 100 v.Chr. in Alexandria hatten die Gebildeten der damaligen Zeit endlich die Möglichkeit, den gesamten Text zu lesen und besser zu wissen, wie die Hebräer dachten.
Das Alte Testament, das später Septuaginta wurde, enthält die wichtigsten Informationen, welche die Hebräer über sich selbst und über die anderen Völker der Region hatten, und was ihre Religion war. Dieses Buch stellt dem Wesen nach die Mythologie der Hebräer dar, die jedoch nach Meinung der Hebräer historisches und zugleich ein heiliges Werk ist. Dieses ist in aber voll von Kriegen, Hass und Rassismus gegenüber den Nachbarvölkern. Ihr Gott Jahwe wird als enger militärischer Verbündeter in den endlosen Kämpfen der Hebräer gegen die kanaanitischen Völker beschrieben.
Der Höhepunkt der kulturellen, religiösen und ethnischen Nabelschau und Selbstverliebtheit war und ist die bekannte Äußerung, die Juden seien das “auserwählte Volk” Gottes, was bei allen Nachbarvölkern auf striktes Unverständnis sowie auf berechtigte Ablehnung stieß.
Die Gelehrten der griechischen Antike begannen sukzessiv damit, die Hebräer wegen ihrer besonderen Gewohnheiten zum Gegenstand von Untersuchungen zu machen. Der Direktor des berühmten Museums (Bibliothek) der griechischen Wissenschaft von Alexandria, der Grammatiker und fanatische Antisemit Apius, ging z.B. so weit, alles Antisemitische zu sammeln und zu veröffentlichen, was in den vergangenen Jahrhunderten im gesamten Hellenismus geschrieben und gesagt worden war.
Der jüdische Vertreter der Hocharistokratie, der zum Römer gewordene Flavius Josephus, einer der größten Historiker der Antike, stellte eine allmähliche Hellenisierung (Kultur, Sprache, Namen) der jüdischen Oberschicht in der Mehrheit fest und war überzeugt, dass die Gefahr des Aussterbens der Juden bestand. Das heißt, er konstatierte eine Krise der Identität der Juden.
In dem Bestreben, den nationalen Geist der Juden zu stärken, beschloss er, in einem historischen Buch zu beweisen, dass die Juden eine glorreiche Vergangenheit haben, und darüber hinaus ging er frontal auf Konfrontation mit Apios und mit der griechischen Kultur im Allgemeinen. Er hat sich systematisch und sehr detailliert mit allen antisemitischen Positionen des Apios auseinandergesetzt und dabei viele Zitate anderer griechischer Antisemiten verwendet.
Das Merkwürdige besteht darin,  dass Josephus in seinem umfangreichen Werk “Gegen Apion” (“Contra Apionem”) den Text des Apion gerettet hat, weil sonst von ihm nichts gerettet worden war. Kurzum, der jüdische Historiker wollte den Juden etwas Gutes tun und hat damit regelrecht den Antisemitismus entfacht! So wurde bekannt, welche antisemitischen Ansichten von bekannten Philosophen und anderen Gelehrten im antiken Griechenland vertreten wurden. Hier werden die bekanntesten Namen erwähnt: Theophrastos (Θεόφραστος (des Aristoteles bester Schüler und Nachfolger in der Πeripatetischen Schule (Περιπατητική Σχολή), der Historiker Lysimachus (Λυσίμαχος), der berühmte Sophist Poseidonius  (Ποσειδώνιος), der fast hellenisierte Ägypter Manethon (Μανέθων), ferner der  Berossos (Βηρωσσός), der Diodoros (Διόδωρος)  und der Historiker Damokrit (Δαμόκριτος).
Im Folgenden werden nur die wichtigsten Anschuldigungen gegen die Juden Erwähnung finden:
α) Sie sind Atheisten, weil sie nicht an anthropomorphe Götter glauben, sondern an einen sogenannten Gott, den niemand sehen kann. Wenn man ihn nicht sieht, kann er nicht existieren.
b) Sie betrachten sich als “auserwähltes Volk”, beleidigen damit andere Völker von höhere Zivilisationen, wie z. B. die Griechen, und grenzen sich deshalb von den Nachbarvölkern ab.
c) Als einziges Volk in der Region lehnen sie die Vermischung mit anderen Völkern ab. Dies ist beleidigend und stellt eine Rassendiskriminierung dar.
d) Sie essen kein Schweinefleisch wie andere Völker. Dies ist unverständlich, denn Schweinefleisch gehört zu der Grundnahrung der Völker.
e) Sie bewahren in ihrem Tempel einen Eselskopf aus in Gold.
f) Sie hassen die Griechen, die Ägypter und andere, ihnen überlegene Völker.
g) Sie verkehren nicht mit anderen Völkern.
h) Sie opfern lebende Tiere.
j) Anstatt die ganze Woche zu arbeiten, lassen sie freiwillig den siebten Tag aus.
Dann hat er in seiner Abhandlung “Jüdisches Altertum” die griechische Zivilisation und insbesondere die polytheistische Religion angegriffen und versucht, die Überlegenheit der jüdischen Zivilisation, vor allem der monotheistischen Religion, zu beweisen.
Als Josephus’ Pamphlet in Alexandria, dem damaligen Zentrum der griechischen Zivilisation, bekannt wurde, reagierten die Griechen sofort heftig auf die ihrer Meinung nach unverschämte Herausforderung durch einen jüdischen Historiker, der eine unbedeutende Zivilisation vertrat. Es kam zu großen Protesten der Griechen und hellenisierten Ägypter gegen die Juden; sie griffen sie zum ersten Mal an und töteten Tausende von Juden. Schließlich fand hierdurch das erste Pogrom gegen die Juden in der Geschichte der Menschheit statt.
Dieses Ereignis hat bei allen Juden in der ganzen Welt einen unvergesslichen Schock ausgelöst. Genau genommen, hat in Alexandria ein zugespitzter Kulturkampf in Form des ersten Pogroms zwischen den Alten Griechen und den Hebräern stattgefunden.

Literatur
-Flavius Josephus, Geschichte des Judäischen Krieges, Leipzig 1978.
-P. Schafer, Judeophobia : Attitudes toward the Jews in the Ancient, Harvard University Press, 1997. Der Autor untersucht die historische und die kulturelle Dimension dieses Phänomens. M.E. handelt es sich um die wichtigste Untersuchung zu diesem Thema.
-C.-P. Thiede/ U. Stingelin, Die Wurzeln des Antisemitismus, Judenfeindschaft
in der Antike, im frühen Christentum und im Koran, Basel 2002. Der besondere Wert dieses Buches besteht darin, zahlreiche antike Quellenzu enthalten.
-P. Birnbaum, Sur un nouveau moment antisémite, Paris 2015.
-R. Finzi, L’antisemitismo, Giunti 1997.
-F.Lillian, C., Antisemitism in the New Testament, University Press of America, 1994.
-C. Andersen et alt. (Edit. ), Lexikon der Alten Welt, Bände 1, 2, Tübingen und
Zürich 1990.
-M. Hengel, Judentum und Hellenismus, Tübingen 1988.
- Z. Yavetz, Judenfeindschaft in der Antike, München 1997. Auch in diesem interessanten Buch werden viele antike Quellen angeführt.
-Th. Klein et alt., Judentum und Antisemitismus von der Antike bis zur
Gegenwart, Düsseldorf 1984.
-L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus, I: Von der Antike bis zu den
Kreuzzügen, Worms 1977.
-G. Perednik, La Judeofobia, Barcelona 2001.

veröffentlicht 2014 und 2018 in der griechischen Zeitung Kathimerini (Καθημερινή) in Auseinandersetzung mit griechischen Neofaschisten, Rassisten und Antisemiten

Juden, Große wissenschaftliche Errungenschaften, Warum;

Große wissenschaftliche Errungenschaften der Juden, Warum ;
Aus wissenschaftlichem Interesse hat der Autor bereits Mitte der 1960er-Jahre damit begonnen, sich relativ intensiv mit den Juden (Herkunft, Geschichte, Kultur, Religion, Wissenschaft, Israel etc.) zu befassen. Methodisch stützt sich diese kleine Untersuchung auf die folgenden Grundsätze der Allgemeinen Methodologie der wissenschaftlichen Forschung: a) Die Wahrheit ist historisch bedingt und konkret. b) Soziale,politische usw. Phänomene sind komplexer Natur (Aristoteles). c) Objektivität: Das bedeutet, die Phänomene zu betrachten und sie objektiv zu reflektieren (Demokrit), d.h. nicht subjektiv oder freiwillig, mit Vorurteilen und diversen Scheuklappen. d) Dann erfolgt die Wahrheitsfindung auf der Grundlage der Regeln der Logik (Aristoteles). In Anwendung der oben genannten Grundsätze werden wichtige Ereignisse erwähnt, die einen direkten Bezug zu den Juden haben:
1. Die ersten Judenverfolgungen und Massaker fanden vor etwa 2000 Jahren in Alexandria statt, wo über 70 Prozent der Stadtbevölkerung Juden waren. Die vorherrschende Kultur war griechisch. Die Schlächter waren Griechen. Die Ursache war kultureller und religiöser Natur. Seitdem sind die Beziehungen zwischen Griechen und Juden gestört.
2. Die Juden sind die Erfinder des Monotheismus, auf den sich drei Weltreligionen stützen: das Judentum, das Christentum und der Islam. Das heißt, unter dem Einfluss der Juden hat sich die Geschichte der Menschheit stark verändert.
3. Die Bibel (Altes und Neues Testament) ist ein rein jüdisches Werk. Die Tatsache, dass Jesus Christus, seine Eltern und insbesondere seine Mutter Maria sowie die meisten Apostel Juden waren, ist allgemein bekannt. Die Bibel ist ohne Übertreibung das wichtigste Buch in der gesamten Geschichte der Menschheit.
4. Jüdische Sprachwissenschaftler der Diaspora übersetzten im damaligen arabischen Spanien (Toledo und Córdoba) im 9./1. Jahrhundert zahlreiche Werke der antiken griechischen Philosophen aus dem Arabischen ins Lateinische und machten sie in Europa bekannt, lange vor dem Fall Konstantinopels, als gelehrte Griechen mit antiken griechischen Schriften nach Venedig flohen. Viele Schriften der alten Griechen waren bereits im 8. Jahrhundert in Damaskus und vor allem in Bagdad aus dem Altgriechischen ins Arabische übersetzt worden. Eine enorme Rolle bei der Verbreitung des griechischen Geistes spielte in Spanien während der arabischen Periode der jüdische Philosoph und große Arzt Mose Ben Maimon (11. Jahrhundert), der aus Bewunderung für den antiken griechischen Geist seinen Namen hellenisierte und in Maimonides umbenannte!
5. Aus finanziellen Gründen waren die Experten für Steuerangelegenheiten in Spanien ausschließlich Juden. Die Inquisition vertrieb die Juden (Sephardim) aus Spanien, das damit das dynamischste und anspruchsvollste Element der geistigen Elite verlor. Die Geflüchteten gingen in andere europäische Länder und verbreiteten ihr Wissen in ihren neuen Heimatländern. Und so wurden die Niederlande zum Land mit den modernsten Banken, der Basis des Handelskapitalismus. England war bekanntlich das erste Land des Industriekapitalismus. Andere gingen ins Osmanische Reich, wo der Sultan ihnen die Leitung des gesamten Bankwesens übertrug. Einige wechselten den Glauben und besetzten höchste Ämter, z.B. einige brachten es bis zum höchsten Amt des Großwesirs (Premierminister).
6. Nach der Herstellung der rechtlichen und sozialen Gleichstellung (Emanzipation) der Juden in Europa im 19. Jahrhundert fand eine beispiellose multidimensionale (wirtschaftliche, soziale, juristische, naturwissenschaftliche, medizinische und in anderen Wissenschaften, in Literatur, in bildenden Künsten, in Musik, in Theater etc.) jüdische Explosion statt.
7. Seit dem 19. Jahrhundert standen vor allem deutsche Juden an der Spitze der internationalen Arbeiter-, sozialistischen und sozialdemokratischen Bewegung. Hier seien nur die bekanntesten Protagonisten genannt: Karl Marx, Ferdinand Lassalle, Karl Kautsky, Eduard Bernstein, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, in Russland Leo Trotzki, Kamenew, Sinowew und viele andere. Nebenbei sei erwähnt, dass der Großvater von Karl Marx ein jüdischer Rabbiner mit dem Familiennamen Mardohai war (Marx’ Vater änderte den Familiennamen), und dass Lenins Großvater ebenfalls ein russischer Jude war.
8. Vor allem in den Wissenschaften waren im 20. Jahrhundert die deutschen Juden führend. Beispiele. Etwa ein Viertel der 86 (!) Nobelpreise in Deutschland stammen von deutschen Juden, obwohl dort nur etwa eine halbe Million Juden lebten. Es sei ferner daran erinnert, daran, dass Juden weltweit 182 Nobelpreise erhalten haben (54 Physik, 55 Medizin, 35 Chemie, 27 Wirtschaft, 15 Literatur, 9 Frieden).
9. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden führende deutsch-jüdische Wissenschaftler gezwungen, Deutschland zu verlassen und sich in den USA niederzulassen. Nach dem Krieg blühten in den USA durch sie die Wissenschaft, die schönen Künste und das Kino auf. Während Deutschland bei den wissenschaftlichen Leistungen zurückgeblieben ist, haben amerikanische Juden mit deutschen Namen seit Dutzenden von Jahren die meisten Nobelpreise gewonnen. Dies wiederholt sich jedes Jahr. Die Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften sind fast ausschließlich amerikanischen Juden vorbehalten. Von den vier Nobelpreisen für Naturwissenschaften im Jahr 2011 gingen drei an amerikanische Juden. In den Jahren 2012 und 2013 erhielten sie ein Drittel bzw. die Hälfte der Auszeichnungen. Die besten Philosophen in den USA und Frankreich sind ebenfalls Juden. In allen Eliteuniversitäten der USA haben prominente Juden die Schlüsselpositionen inne und sind sogar in allen neuesten Wissenschaften und Erfindungen führend.
10. Juden machen nur 0,2 % der Weltbevölkerung aus, aber sie haben bisher 27 % der Nobelpreise in Physik und 31 % der Nobelpreise in Medizin erhalten. Juden sind außerdem zu 54 % Weltmeister im Schach. Ihre Schriftsteller haben ferner 51 % der Pulitzer-Preise (Literatur) und ihre Künstler haben 37 % der Academy Awards erhalten. Es gibt noch weitere interessante Informationen: Die Gründerväter von Hollywood, führende Filmregisseure (z. B. Spielberg und andere), der Erfinder der DNA sowie der Erfinder von Facebook Zuckerberg sind ebenfalls amerikanische Juden. Dasselbe gilt für bekannte Filmschauspieler (z. B. Douglas, Vater und Sohn, Curtis, Streisand und viele andere).
Was sind nun die Gründe für die wissenschaftlichen Erfolge der Juden in aller Welt?
Es geht um den Zeitraum vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Die folgenden Gründe sind hier zusammengefasst:
1. Vor allem die Nachkommen der sephardischen (aus Spanien stammenden) Juden lebten in Europa in großen Städten, in denen es höhere Schulen und Universitäten gab. Die meisten jungen Juden studierten.
2. Einige Berufe waren ihnen verschlossen. Daher konzentrierten sie sich auf Handel, Finanzen, Kunst und Wissenschaft.
3. Sie lernten, wie eine Selbstverständlichkeit, mindestens drei Fremdsprachen fließend.
4. Internationale Solidarität unter Verwandten und Freunden. Z.B. Austausch von Kindern zu Studienzwecken ohne allzu große Kosten und vor allem wie folgt: Ein junger jüdischer Junge aus Frankreich lebte während seines Gymnasiums oder Studiums für einige Jahre als Gast im Haus von Verwandten oder Freunden in Deutschland, England, Russland oder den USA, wobei er gelegentlich das Studienland wechselte, um die Sprache und die wissenschaftliche Terminologie zu lernen. Dies geschah und geschieht immer noch auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zwischen Familien und Freunden.
5. Es gibt einen starken Willen, die Einheimischen zu übertreffen, um sich in der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin oder in anderen Bereichen durchzusetzen und voranzukommen. Das heißt, sie hatten und haben einen überentwickelten ethnischen und religiösen Ehrgeiz überall und immer den ersten Platz zu halten. Aber sie zeigen nie ihre innere Welt und sprechen nie über ihre großen Erfolge.
6. Bereits in der Grundschule systematisches Erlernen der Grundlagen von Logik und Dialektik (Dialog auf der Basis von Argumenten und Gegenargumenten, wie im antiken Griechenland !), während im islamischen Kulturkreis die sterile “Methode” des Auswendiglernens angewendet wird. Es ist daher kein Zufall, dass die führenden Philosophen in den fortgeschrittenen Ländern Juden sind.
7. Aneignung von Wissen als höchster moralischer Wert. Begeisterung für Bildung, unendlicher Durst nach Lernen.
8. Fleiß als Selbstverwirklichung des Individuums. Es ist im Allgemeinen zu bezweifeln, dass es faule Juden gibt.
9. Der Autor hat noch etwas gefunden: Jeder jüdische Wissenschaftler in einer hohen Position, z.B. Direktor eines Instituts von internationaler Bedeutung, vermittelt Stipendien für besonders erfolgreiche jüdische Absolventen aus der ganzen Welt. Er fördert sie systematisch, damit sie an seinem Institut bleiben oder bereitet sie darauf vor, verantwortungsvolle Positionen an anderen Universitäten oder in anderen Ländern zu übernehmen. Dies geschah zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg in London, wo der berühmte deutsch-jüdische Völkerrechtler Georg Schwarzenberger die Elite der osteuropäischen Universitäten in dem erstklassigen Institut für Internationale Beziehungen versammelt hatte, wo sie ein Aufbaustudium absolvieren, akademische Qualifikationen erwerben konnten und außerdem hatten sie die großzügige Möglichkeit, wissenschaftliche Studien zu veröffentlichen. Auf diese Weise erwarben sie sich rasch einen internationalen Ruf. Auf diese Weise konnten sie ihre Kollegen, die nicht über solche Möglichkeiten verfügten, relativ schnell überflügeln und Universitätsprofessoren, Institutsleiter etc. werden. Der Autor hatte die Gelegenheit, einige von ihnen kennenzulernen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jüdische Wissenschaftler bewundernswert sind und Respekt verdienen. Es überrascht zu konstatieren, dass amerikanische Juden an allen Eliteuniversitäten der USA in den entscheidenden Disziplinen wie Wirtschaft, Politik und Philosophie sowie in relativ neuen wissenschaftlichen Disziplinen wie Mikrobiologie, Astrophysik, Hochtechnologien und Neurowissenschaften Führungspositionen innehaben.
Klarstellung: Es war nicht das Ziel dieser kurzen Untersuchung, sich mit den Fehlern und negativen Aspekten der Juden in ihrer langen Geschichte zu befassen, z. B. Rassismus und Gräueltaten im Alten Testament, Hedgefonds, die von Juden aus dem Vereinigten Königreich und vor allem den USA erfunden wurden und die internationale Wirtschaft teilweise zerstört haben. Auch die rassistische, arrogante und ungerechte Haltung Israels gegenüber den Palästinensern und die Verletzung aller Grundsätze des Völkerrechts wurden in der Studie nicht thematisiert. Nicht erwähnt wird auch das bekannte tragische Ereignis des Holocaust (offiziell Shoah) an einem großen Teil der europäischen Juden. Die Täter dieses Völkermordes waren bekanntlich die deutschen Nationalsozialisten.
veröffentlicht von 2014 bis 2020 in den griechischen Zeitungen Kathimerini und Vima, zuletzt in Kathimerini in konträrer Auseinandersetzung mit griechischen Antisemiten, Rassisten und Ultranationalisten
aus meinem Buch (Panos Terz) Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band), ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S.168 ff.

Achäer, Danaer, Ionier, Ηellenen, Griechen, Römäer, Zu den griechischen Ethnonymen

Achäer, Danaer, Ionier, Hellenen, Griechen, Romioi

Über die griechischen Ethnonyme in Geschichte und Gegenwart

 

Die oben genannten Ethnonyme haben im Laufe der Geschichte der Griechen zu Interpretationsproblemen geführt. Die Herangehensweise an das Thema basiert auf dem methodischen Prinzip der historisch spezifischen und relativen Wahrheit, das heißt, dass Ereignisse und Meinungen aus der Vergangenheit in ihrem historischen Kontext (Ort und Zeit) und nicht mit den Kriterien der Gegenwart betrachtet werden sollten, und dass die Wahrheit nicht absolut ist. Ein weiteres Prinzip liegt darin, dass Ethnonyme häufig von benachbarten Ethnien oder von Völkern mit einer höheren Kultur vergeben werden. Erwähnen wir auch das Prinzip der Veränderung von Begriffen und Phänomenen.

 

Achäer (Achäoi), Danaer

 

Unter diesen Namen waren die Vorfahren der alten Griechen in prähistorischen Zeiten bei ihren Nachbarn bekannt. Das Ethnonym Achaios (Αχαίος) wurde z.B. in assyrischen Dokumenten gefunden. Archäologen haben auch Keilschrifttexte der Hethiter gefunden, in denen einige Ahhijawa-Räuber erwähnt werden, die Troja (im Hethitischen Truisa) oder Ilios später Ilion (im Hethitischen Wilusa) angegriffen hatten. Der Schutzpatron Trojas war der Gott Apalunia (Apollo). Auch von Konflikten um die Stadt Milavata (Militos, Μίλητος) ist die Rede. Einige Archäologen lehnen jedoch diese Ansicht ab. Ferner wurden seit 1225 v. Chr. Hieroglyphentexte gefunden über den ägyptisch-libyschen Krieg, an dem auch einige Aqaiwascha (Achäer) als Söldner teilnahmen. Auch über diese Meinung herrscht unter den Althistorikern keine Einmütigkeit. In der Ilias (Ιλιάς) nennt Homer alle Teilnehmer des Trojanischen Krieges aus dem griechischen Raum Achäer. Nach vorherrschender Meinung unter den Althistorikern stellten die Danaer (Δαναοί) die kriegerische Aristokratie der Achäer dar. In einem offiziellen Dokument des alten Ägypten aus dem 12. Jahrhundert. z.B. erwähnt Pharao Ramses III. unter mehreren „Seevölkern“ und einigen Danuna (Danaer?), aber auch hier herrscht keine Einstimmigkeit.

 

Ionier (Iones)

 

Die Ionier (Iωνες) waren die älteste und zivilisierteste griechische Gruppe und erlangten nach der Besiedlung Westkleinasiens internationale Bekanntheit. In Ionia entstanden auch  nach heutigen Kriterien die Wissenschaft und die Philosophie.

Die Assyrer nannten die Ionier sie Yavnai, die Juden Javan und die Perser Yauna. Araber und andere östliche sowie kaukasische Völker verwenden noch heute das Ethonym Junan und das Toponym Junanistan. Das Ethnonym Junan ist bei manchen Völkern (Araber, Gorgier, Armenier) fast gleichbedeutend mit Weiser. Die meisten griechischen Kleinasiens (heutige Türkei) und die meisten Pontos- Griechen von den Küsten des Schwarzen Meeres, von Sinope bis Trapezunt, stammen von den Ioniern ab.

 

Hellenen (Ellines)

Das Ethnonym Ηellenen (Ellines, Ελληνες) war bereits in der Ilias allgemein bekannt. Die Helloi oder Selloi waren ein kleiner Stamm aus Dodoni oder aus Thessalien.Thukydides(Θουκυδίδης, i,3,2) (Ησίοδος) das interessante Ethnonym „Panhellenen“ (erg. 528) verwendet und Archilochos (Αρχίλοχος, fr. 52) alle Gruppen als Hellenen nennt. Die sprachliche Wurzel vertritt die Ansicht, dass Phthiotis (Φθιώτης) der Geburtsort der Hellenen ist, während Hesiod (Ησίοδος) das interessante Ethnonym “Panhellenen” (erg. 528) verwendet und Archilochos (Αρχίλοχος,

Fr. 52) alle bestehenden Stämme als Hellenen bezeichnet. Die sprachliche Wurzel ist dieses Ethnonyms ist das Wort selas, was symbolisch auch intelligent bedeutet. Herodot (Ηρόδοτος) versucht, die Gemeinsamkeiten aller hellenischen Stämme herauszuarbeiten: «Το ελληνικόν εάν ομαιμόν τε και ομόγλωσσον και θεών ιδρύματα κοινά και θυσίαι ήθεά τε ομότροπα» («Bluts- und Sprachgemeinschaft, die Gemeinsamkeit der Heiligtümer, der Opferfeste und Lebensweise.» Ηρόδοτος, Ουρανία, 144, Εκδόσεις Γαλαξίας 1971).

Der Rhetoriker Isokrates (Ισοκράτης) erhebt jeden Barbaren (Ausländer) zu einem Hellenen, der eine hellenische  Bildung besitzt: “τίνα γὰρ εὑρήσομεν τῶν τότε γενομένων, εἰ τοὺς μύθους ἀφέντες τὴν ἀλήθειαν σκοποῖμεν, τοιαῦτα διαπεπραγμένον, ἢ τίνα τοσούτων μεταβολῶν ἐν τοῖς πράγμασιν αἴτιον γεγενημένον; ὃς αὑτὸν μὲν ἐξ ἰδιώτου τύραννον κατέστησε, τὸ δὲ γένος ἅπαν ἀπεληλαμένον τῆς πολιτείας εἰς τὰς προσηκούσας τιμὰς πάλιν ἐπανήγαγε, τοὺς δὲ πολίτας ἐκ βαρβάρων μὲν Ἕλληνας ἐποίησεν, ἐξ ἀνάνδρων δὲ πολεμικούς, ἐξ ἀδόξων δ’ ὀνομαστούς” (Ευαγόρας). (“Was für Dinge geschahen damals, wenn wir auf die Mythen zielen, die die Wahrheit sagen, wurden sie begangen, oder was für Veränderungen in den Dingen waren die Ursache; Er machte sich selbst aus einem Bürger zum Tyrannen, und allen Menschen, die des Staates beraubt worden waren, gab die gebührenden Ehren zurück und machte die Bürger aus Barbaren Hellenen, aus Feiglingen Krieger und aus Männern ohne Ruhm Berühmte“ (Evagoras). Es beschreibt die offizielle Umwandlung von “Barbaren” in Ellines. Nochmals Isokrates, Panegyrikos (Πανηγυρικός,ιγ, 50 : “Τοσούτον δ’ απολέλοιπεν η πόλις ημών περί το φρονείν και λέγειν τους άλλους ανθρώπους, ώσθ’ οι ταύτης μαθηταί των άλλων διδάσκαλοι γεγόνασι και το των Ελλήνων όνομα πεποίηκε μηκέτι του γένους αλλά της διανοίας δοκείν είναι, και μάλλον Έλληνας καλείσθαι τους της παιδεύσεως της ημετέρας ή τους της κοινής φύσεως μετέχοντας” („So hörte unsere Stadt nicht auf, über andere Menschen zu denken und zu reden, bis dieselben Schüler anderer Lehrer wurden und der Name  Hellene sich  nicht nach der Herkunft, sondern nach  der Intelligenz richten muss…”  und “eher Hellenen nennt man diejenigen, die sich unserer bemächtigen und gemeinsam erleben”.  Isokrates betont besonders, dass alle, welche   die griechische Bildung besitzen und sich für sie einsetzen, als Hellenen betrachtet werden müssen.

Weltweit bekannt wurde das Ethnonym Ellines speziell in der Seeschlacht von  Salamis durch den  mächtigen Schlachtgesang der hellenischen Kämpfer ( Aischylos  „Die Perser“:” Ὦ παῖδες Ἑλλήνων, ἴτε, ἐλευθεροῦτε πατρίδ᾿ ἐλευθεροῦτε δέ παῖδας, γυναἰκας, θεῶν τε πατρώων ἔδη, θῆκας τε προγόνων· νῦν ὑπὲρ πάντων ἀγών” („Vorwärts Söhne der Hellenen, befreit  Euer Vaterland, befreit  die Kinder, die Frauen, die Götter Euerer Väter, die Gräber Euerer Vorfahren, wo ihre Gebeine liegen! Jetzt steht über allem der

Kampf“. Aufgrund der Erklärung des Christentums zur Reichsreligion im 5. Jh. wurden alle christlichen Bevölkerungsgruppen als Römer (Bürger des Römischen Reiches) bezeichnet, während das Ethnonym Ellines (Hellenen) offiziell als heidnisch abgelehnt wurde, aber später nach und nach verwendet wurde.Folgend sollen einige Beispiele erwähnt werden:

Konstantin Porphyrogenetos (Πρφυρογέννητος, „An seinen eigenen Sohn Romanon“) schrieb, dass die Maniaten von den Einheimischen als Ellines  genannt werden, weil sie früher wie alle Ellines  Heiden waren.  Anna Komnene  („Alexiada“) weist darauf hin, dass sogar Skythen  hellenisch sprechen und die Römer die  Schriften der Hellenen besser lesen können als manche ungebildete Ellines von heute. Der große Philosoph Photios (Φώτιος) bemerkt, dass die hellenischen Schriften  eine große Wertschätzung genießen.

Der große Gelehrte Psellos (Ψελλός) unterstreicht ιm 11. Jahrhundert die Vorzüge des Kaisers Romanos III., der eine „hellenische“ Bildung hatte, während Michael IV. keine „hellenische“  Bildung besaß. Im 14. Jahrhundert ο Nikolaos Kavasilas  (Νικόλαος Καβασίλας) nennt die Gelehrten von Thessaloniki Ellines. Unmittelbar nach dem 4. Kreuzzug und dem Fall von Konstantinopel verlor das Wort Ellines seine ursprüngliche Bedeutung als Heide  und bezeichnete in erster Linie die Bewohner von Konstantinopel, Kleinasien und Griechenland. Nikitas Choniatis (Χονιάτης, „Die Ereignisse in der Stadt nach Alosin“) möchte unbedingt, dass sie als  Εllines genannt werden. Nikiforos Blemmydis (Βλεμμύδις) nennt alle byzantinischen Könige Ellines. Der bedeutende österreichische Historiker Frank Thies hat ein Buch mit dem Titel „Die griechischen Kaiser, Die Geburt Europas“, 6. bis 8. Jahrhundert, Wien 1992, veröffentlicht. Der Kaiser von Nicäa, Johannes Vatatzis (Βατάτζης), betont in einem Brief an Papst Gregor IX. die Weisheit, die „im Geschlecht unserer Ellines herrscht“. Der Sohn des Vatatzis, Theodoros II. Laskaris (Λάσκαρης(, erwähnt den hellenischen Namen stolz wie folgt: „Die hellenische Sprache übertrifft alle Sprachen“ und „die ganze Philosophie und das Wissen der  Ellines sind vorhanden … Und du, oh Italiener, was ist der  Grund für deine Wut?“ Georgios Gemistos Plethon (Πλήθων) betont gegenüber Manuel Palaiologos (Παλαιολόγος), dass die von ihm geführten Menschen „von Geburt an Εllines sind, wie die Stimme und die väterliche Bildung bezeugen“,  während Laonikos Chalkokondylis (Χαλκοκονδύλης) fordert, den römischen Namen vollständig durch den hellenischen Namen zu ersetzen. Der letzte Kaiser, Konstantin Palaiologos, beschwört in seiner Rede vor der Armee die Jungfrau Maria als „Zuflucht der Christen, Hoffnung und Freude aller Ellines“ (Georgiou Frantzis, „Geschichte“). Es ist ferner bekannt, dass Persönlichkeiten des Westens ab dem 10.Jh. vom „Kaiser der Ellines“ sprachen. Das hing Möglichkeit damit zusammen, dass zwischen dem 6. und dem 7.Jh.im Imperium Romanum Orientalis die lateinische Sprache durch die weit überlegene griechische Sprache ersetzt wurde.

Jahrhunderte später,im 15. Jh. und im Kontext der europäischen Renaissance, haben die europäischen Humanisten,  im Wesentlichen Philologen und Bewunderer des antiken griechischen Geistes, das Konzept der Hellenen entdeckt. Aber mit dem griechischen Begriff meinten sie nur die alten Hellenen. Im Deutschen wird zwar das Toponym Hellas verwendet, damit ist aber nur das antike Griechenland gemeint, während das heutige Ellas bekanntlich als Griechenland bezeichnet wird. Im Westen bildet das lateinische Ethnonym Graecus in der Sprache vieler Völker die Grundlage für das griechische Ethnonym. Und wenn sie über Hellenen meinen sprechen, meinen sie ausschließlich die alten Griechen.  Das heutige Ethnonym Ellines (Hellenen) stammt aus dem 19. Jahrhundert und ersetzte offiziell die bekannten Ethnonyme Griechen und Romioi.

Grieche (Graecus)

Dieses Ethnonym ist sehr alt und stammt von einem kleinen Stamm aus Dodoni oder aus Böotien namens Graioi. Die Römer übernahmen es von den illyrischen Vorfahren der Albaner und Montenegriner oder von den griechischen Siedlern Siziliens und fügten das Ethnonymelement c hinzu, wie z.B. Germanus- Germanicus, Gallus- Gallicus. So entstand das Ethnonym Graecus, das in allen europäischen Sprachen von der Antike bis zur Gegenwart die Grundlage des griechischen Nationalnamens bildet. Das Ethnonym Graecus war zunächst völlig neutral. Später hat es jedoch eine so sehr abfällige Bedeutung angenommen, dass das Wort „grec“ im Französischen auch heute noch „Griechisch“ oder sogar „Betrüger“ bedeutet! (Rene Olivier, Wörterbuch Französisch-Deutsch, Leipzig, 1985, S.258). Wir kennen auch den verächtlichen Begriff Graeculus („kleiner Grieche“) mit der ursprünglichen Bedeutung „irgendein Grieche“. Das heißt, bereits in der Antike begann die Unterscheidung zwischen den glorreichen alten Hellenen  und den Griechen des großen Niedergangs. Die alten Römer haben das Wort Graecus geprägt, das alle anderen europäischen Völker zusammen mit dem Lateinischen übernommen haben.

Romios (Romäer)

Das Ethnonym Romios ( Ρομιός, Romäer) ist eine griechische Variante des Ethnonyms Romanus, also ein Untertan  des Oströmischen Reiches (Imperium Romanum Orientalis), unabhängig von seiner ethnischen Zugehörigkeit. „Byzanz war das griechische monokulturelle Reich, eine Mutation vom römischen zum christlichen, östlichen, mit Konstantinopel als Hauptstadt“, und jeder wurde als  Romios (Römer) bezeichnet. Im Oströmischen Reich lebten viele Völker (z. B. Armenier, Slawen, Illyrer, Syrer, Ägypter, Juden, Araber und zahlreiche Stämme Kleinasiens), die zwar Christen, aber keine Griechen waren. Die alten Pontos-Griechen  sowie die Konstantinopoliten sagten noch  in den 50-er Jahren, sie seien Romioi.

Literatur

-Lexikon der Alten Welt, edit. Von C. Andresen et alt., 3 Bände, Düsseldorf 2001 (Dieses  Standard-Lexikon (3500 Seiten) ist das Werk von 236 Fachhistorikern von  Universitäten aller deutschsprachigen Länder).
-Brockhaus, Weltgeschichte, 6 Bände, Leipzig, Mannheim 1997.
-Der Brockhaus, Geschichte, Frühzeit und Altertum, Grundlage der Geschichte, 3 Bände, Mannheim 2001.
-Große Enzyklopädie, 10 Bände, Köln 1990.
-Dictionnaire de la civilisation greque, Paris 1996.
-Lexikon der Antike, J. Irmscher (Hrs.), Leipzig 1987.

- F. Schachermeyr, Hethiter und Achäer, Leipzig 1935.
-F.Cassola, La Ionia nel mondo miceneo, Napoli 1957.
-J. Guter, Das große Lexikon der Völker, Köln 2006.
-H. Haarmann, Kleines Lexikon der Völker, München 2004.

-F. Cassola, La Ionia nel mondomiceneo, Neapel 1957.

-J. Guter., Das große Lexikon der Völker, Köln 2006.

Literatur über Griechen in Byzanz

-Ε. Γλύκατζη-Αρβελέρ, Ελένη, Η πολιτική ιδεολογία της Βυζαντινής Αυτοκρατορίας, Αθήνα 2012 (Die politische Ideologie des Byzantinischen Reiches).

-Ν. Σβορώνος, Ο μεσαιωνικός ελληνισμός, Aθήναι 1922 (Das mittelalterliche Griechentum).

-Δ. Α. Ζακυνθηνού, Βυζαντινή Ιστορία 324-1071, Αθήνα2015 ( Byzantische Geschichte).

- -P. Charanis, Ethnic Changes in the Byzantine Empire in the

Seventh Century, Harvard University 1959. Eine sehr ausführliche Studie über die sukzessive Verwandlung der zahlreichen Ethnien im Byzantinischen Reich.

-G.Bowersock, Hellenism in late antiquity, The University of

Michigan 1996.

-P. H. Wilson, The Holy Roman Empire, 1495–1806, London 1999.

-Μ. Angold, Byzantine ‘Nationalism’ and the Nicaean Empire, Byzantine

and Modern Greek Studies, 1975.

- G. Cavallo, The Byzantines, University of Chicago 1997.

- A. Heisenberg, J. Kromayer, U. v. Wilamowitz- Moellendorff, Staat und Gesellschaft der Griechen und Römer bis Ausgang des Mittelalters (Band. 2, Teil 4), Leipzig und Berlin 1923.

-A. Kaldellis, Hellenismus in Byzanz, The Transformations of Greek Identity and the Reception of the Classical Tradition, Cambridge University 2007. Eines der interessantesten Bücher über die Beziehung zwischen griechischer und byzantinischer Identität.

Veröffentlicht von  2014 bis 2018  in den griechischen Zeitungen  Kathimerini (Καθημερινή) und  iefimerida in Auseinandersetzung mit griechischen Nationalisten.

Aus meinem Buch, Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος (Panos Terz): Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band), ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, 284 S., S. 133-139. griechisch).

 

Nächstenliebe

Nächstenliebe
Die Nächstenliebe wird gemeinhin als ein Prinzip der christlichen Moral bezeichnet, verbunden mit dem Glauben, dass nur die christliche Religion dieses wirklich erhabenste moralische Prinzip kennt. Mit diesem Kommentar soll gezeigt werden, dass dieses ethische Prinzip auch außerhalb des christlichen Universums bekannt ist. Der Autor stützt sich inhaltlich und quellenmäßig vorwiegend auf sein Buch Panos Terz, Menschenbild und Recht in den alten Hochkulturen, Eine universalhistorische und vergleichende Betrachtung, ISBN: 978-620-0-27129-7, Saarbrücken 2019 ( Kap. 2.2.2., S.51-57). Die Philosophen waren die ersten, die in besonderer Weise die Liebe zwischen den Menschen und vor allem zwischen den Unterdrückten und Armen, d.h. die Liebe zwischen den Angehörigen der einfachen Gesellschaftsschichten, gepredigt haben, obwohl der Ausgangspunkt der Menschenliebe die Tatsache war, dass alle Menschen Brüder und Schwestern seien. Aus diesem Grund muß die Nächstenliebe ohne irgendwelche Gegenleistung ausgeübt werden. Einer der wichtigsten Vertreter der “Dritten Generation”, der “römischen” Stoiker, der römische Philosoph Lucius Annaeus Seneca, hat den Begriff der Liebe in seinen “Briefen zur Sittenlehre an Lucilius” mit seinem berühmten Zitat “Homo res sacra homini” (“Der Mensch ist für den Menschen ein heiliges Ding”) entwickelt. Dies lässt die folgenden unterschiedlichen Interpretationen zu: a) Der Mensch als Bruder des Menschen ist etwas Heiliges und daher unantastbar. b) Der Mensch ist in seiner Eigenschaft als Schöpfung des Göttlichen heilig und daher verehrungswürdig. c) Der Mensch ist auch etwas Göttliches (pantheistische Interpretation). d) Die Maxime gilt für jeden Menschen unabhängig von seinem sozialen Status, z.B. auch für einen Sklaven, und unabhängig von seiner ethnischen Herkunft. Senecas Auffassung ist also vom Geist des allgemeinen und universellen Humanismus durchdrungen. Zweifelsohne wird es den eurozentristisch denkenden Lesern sehr überraschen, dass hier das methodologische Prinzip der Universalität angewandt wird. Dies erfolgte im Prinzip bereits in den 1970er -Jahren. Die alten chinesischen Philosophen waren die ersten, die sich systematisch mit der Liebe zum Mitmenschen natürlich auf ihre eigene Art und Weise. beschäftigt  haben. Unabhängig von der philosophischen Schule, wurde das grundlegende moralische Prinzip des Shen (Djenai ) nach und nach in Begriffen wie Humanismus, universelle Liebe, Menschenliebe und Liebe zu Anderen formuliert.
Es ist genau dieses oberste Prinzip, das der größte chinesische Philosoph und Theoretiker Konfuzius in seinem Werk “Lun Yü” als moralische Grundlage der Familie und des Staates anerkannt hat: Wer “brüderliche Liebe” praktiziert, leistet keinen Widerstand gegen die Oberen in der Gesellschaft (sic). Indem Konfuzius (6./5. Jh. v. Chr.) die Liebe in ein ideologisches und politisches Werkzeug verwandelte, leistete er einen großen Beitrag zur Beendigung der Klassenkämpfe und zur Herstellung der Harmonie (Stabilität) im riesigen chinesischen Reich. Konfuzius’ philosophischer Rivale Mo ti (Mo-Tzu, Motius, 5. Jh. v. Chr.) stellte dem konfuzianischen Konzept die “allgemeine Liebe”, die “vereinigende Liebe”, mit folgendem moralischem Inhalt entgegen: α) Alle Menschen, unabhängig von ihrem sozialen Status, sollten sich gegenseitig helfen. Der Himmel (Wort für göttlich) ist das oberste Prinzip und das höchste Wesen, das alle Menschen mit der gleichen Liebe umarmt. Nach dem Willen des Himmels müssen sich die Menschen gegenseitig lieben. c) Hierdurch wird eine Überwindung der sozialen Widersprüche erreicht (vgl. E. Steinfeld, Die sozialen Lehren der altchinesischen Philosophen Mo-Tzu, Meng-Tzu und Hsün-Tzu, Berlin 1971, S. 162). Diese philosophische Sichtweise ist die Grundlage der materialistischen Weltanschauung des Mohismus, der Ideologie der unteren sozialen Schichten in den Städten. Der bekannteste Philosoph dieser Konzeption Lao-Tze (Laozi, 5./4. Jh. v. Chr.) wollte die “allgemeine Liebe” nur unter den Angehörigen des unterdrückten und gequälten Volkes begrenzen (so etwas wie proletarische Solidarität). Er war der Verfechter der Interessen des arbeitenden Volkes, der einfachen und armen Leute, und er hasste klassenbedingt die Ausbeuter . Lao-Tze war jedoch ein Fatalist (siehe sein berühmtes Werk und philosophisches Gedicht Daudedshing: Das Buch von Dau und De, Leipzig 1973).
Ein anderer Philosoph, der Pragmatiker Meng-Tzu, gab dem Kaiser einen interessanten Rat: Ohne Güte kann man ein Königtum , aber kein großes Reich führen. Wer gut ist, liebt das Volk (Buch des Meng-Tzu, IV, II, 28). Der Zweck der Liebe zwischen den Menschen war es, die Lebensbedingungen der arbeitenden Massen, insbesondere der Bauern, zu verbessern. Das ist wirklich Humanismus par excellence.
Der große chinesische Demokrat und Patriot Sun Yat-sen ( Anfang des 20. Jahrhunderts) hat zu Recht seinen Stolz auf den chinesischen Humanismus zum Ausdruck gebracht, indem er die Rolle der Liebe wie folgt hervorhob: Sowohl der Humanismus als auch die Liebe sind tief in den moralischen Werten des chinesischen Volkes verwurzelt. “In unserer politischen Philosophie gab es zwei Prinzipien: “Das Volk wie seine Kinder zu lieben” und “Die Menschen zu lieben und alle Wesen menschlich zu behandeln”. Dies beweist, wie weitreichend die Bedeutung des Begriffs der Liebe in unserer klassischen Philosophie war” (Siehe G.K. Kindermann (Hrsg.), Sun Yat-sen, Drei Grundlehren vom Volk, Dokumente, Freiburg/Br. 1963, S. 93). Schlussfolgerungen α) Die “Nächstenliebe” war im konfuzianischen Kulturkreis bekannt, aber nicht in allen anderen Religionen, jedoch nur die christliche Religion hat sie als oberstes Prinzip proklamiert. Der Buddhismus kennt eher den Begriff der Barmherzigkeit als das höchste moralische Prinzip. b) Das bedeutet aber nicht, dass es im Christentum im Allgemeinen keine Probleme bei der Anwendung der “Nächstenliebe” gäbe. c) Es sei dennoch daran erinnert, dass die Christianisierung der kulturell rückständigen vielen alten Germanenstämme und vor allem in concreto die “Nächstenliebe” deren meist halb zivilisiertes und hochaggressives Grundverhalten stark verändert hat. d) Hier ist en passant bewiesen worden, dass es fast zur gleichen Zeit in Griechenland und China bemerkenswerte Philosophen gab, aber den chinesischen Philosophen nicht gelang, eine überlegene Philosophie, Theorie und Methodologie zu schaffen. Im Vergleich zu dieser ontologischen Liebe ist die “väterliche” Liebe Gottes eine imaginäre Liebe des imaginären Vaters jüdischen Ursprungs, im Grunde eine menschliche Erfindung, die christliche Theologen zu einem “ontologischen” Phänomen gemacht haben, als Zeichen des orientalischen Patriarchats gegenüber seinen “Kindern”, d.h. für Menschen ohne Selbstvertrauen und ohne wissenschaftliche Kenntnisse. Und die “Liebe” zum Vatergott gehört zur Phantasiewelt der transzendentalen Mystik, die dem Wesen nach auf der platonischen Mystik beruht, aber man hat sich nicht die Mühe gemacht, die altägyptischen Quellen der Hermetik (Hermes Trismegistus) zu studieren, die Platon in Ägypten gelernt hat und die später auch von den “Heiligen Vätern” des Christentums genutzt wurden.
In der Religionsgeschichte werden vor allem drei Religionen genannt, die durchweg mystisch sind, nämlich die altägyptische, der Buddhismus und der Hinduismus ( vgl. I. Shaw und P. Nicholson, Lexikon des alten Ägypten, Stuttgart 2010 (Orig. Dictionary of Ancien Egypt, London 1995); F. Ebeling, Das Geheimnis des Hermes Trismegistos, Geschichte des Hermetismus, München 2009; K.Mylius (Hrsg.), Altindische Poesie und Prosa, Vedische Hymnen, Legenden, Zauberlieder, philosophische und rituelle Lehren, Leipzig 1978; H. Mehlig (Hrsg. und Übersetzer), Weisheit des alten Indien, Band 1: Vorbuddhistische und nichtbuddhistische Texte, Band :Buddhistische Texte, Leipzig und Weimar 1987 (1200 Seiten).
veröffentlichτ in der griechischen Zeitung Καθημερινή (Kathimerini) im März 2020 in Auseinandersetzung mit griechischen Christianozentristen
aus meinem Buch: Panos Terz, Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band) , ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S.232 ff.

Europa im Spannungsfeld von Orient und Okzident

Europa im Spannungsfeld von Orient und Okzident
Versuch eines systematischen Herangehens
Das Thema weist verschiedene Dimensionen auf, die Gegenstand der Untersuchung  sind.
1.Mythologische Dimension
Nach der griechischen mythologie war Europa Tochter des Agenor, Königs von Phönizien und der Telephasa. Ihre Schönheit veranlasste den Göttervater Zeus, sie in Gestalt eines Stieres nach Kreta zu entführen. Dort gebar sie ihm die drei Söhne Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Ihr Vater Agenor schickte seinen Sohn Kadmos in den Westen, um dort nach Europa zu suchen. Hier wird mythologisch die Besiedlung von Hellas durch östliche Völker umschrieben, die den Vorfahren der Hellenen Kultur und Techniken beigebracht haben.
2. Linguistische Dimension
Das Wort Europa ist nicht griechisch. Die großen Seefahrer Phönizier waren das erste Volk, das den Begriff Vrp (Vrep ) verwendet haben, den die Griechen als Europe wiedergegeben haben, der als Westen übersetzt wird. Gemeint waren alle Länder westlich von Zypern. In der phönizischen Sprache (westsemitisch, später die offizielle Sprache des mächtigen Karthago) bedeutet brp dunkel oder westlich, und in historischer Zeit nannten die Hellenen, dieser Tradition folgend, die Region des westlichen Mittelmeers Hesperia (Westen oder Abend), daher auch Hesperios (der Westen). In der griechischen Mythologie waren die Hesperiden Töchter des Atlas, daher der Name “Atlasgebirge” in Nordwestafrika (Marokko, Algerien).
In Aischylos’ “Perser” wird das Land, in dem die Perser besiegt wurden, als das Land bezeichnet, “in dem die Sonne untergeht” (Westen, Abend), woraus sich der terminus scientificus “Abendland” ableitet. Lange vor den Griechen bezeichneten die Ägypter alle Gebiete westlich von Ägypten und Libyen als Westen oder Dunkelheit. Das Wort Europa wird in Griechenland selbst in offiziellen Wörterbüchern fälschlicherweise als “breites Gesicht” gedeutet.
Die praktischen Römer gaben den westlichen Regionen des Imperium Romanum den Namen Occidens (Westen) und den östlichen Regionen den Namen Oriens (Osten), zu dem die Cyrenaica (Libyen), Ägypten, Syrien-Palästina und Asia minor (damals ins Griechische als Μικρά Ασία (Klein-Asien) übersetzt ) gehörten. Vor etwa zweitausend Jahren wurde das Römische Reich in das Westliche (Imperium Romanum Occidentalis) und in das Oströmische Reich (Imperium Romanum Orientalis ) geteilt.
3. Prehistorische Dimension
Bereits vor 25 000 Jahren (weibliche Idole vielleicht von Gottheiten) und eine Flöte, vor 18 Tausend Jahren (Malereien) wurden in Europa in Altsteinzeit (700000-8000 v. Chr.) einige kulturelle Leistungen erzielt. Mit der Jungsteinzeit (5.500-2.500 v. Chr.) fand die “Landwirtschaftliche Revolution” statt und es begann die systematische Zivilisierung der Europäer begann (Siedlungen, Getreideanbau, Arbeitsteilung, Töpferei (5.000 v. Chr.) und eine Sternwarte (Stonehenge, 3.000 v. Chr.). Die ersten Bauern kamen aus dem Gebiet zwischen Ostkleinasien, Syrien und dem Irak. In Mittel- und Nordeuropa gab es bereits zwischen 5.500 und 4.500 v. Chr. eine landwirtschaftliche Zivilisation.
4. Historische Dimension
Der Nahe Osten war Europa in den Produktivkräfte voraus (Erfindung der Landwirtschaft bereits 9.000 Jahre v. Chr., Gründung von Staaten 3.500 Jahre v. Chr., der Gesetzgebung (erste Codices, wie z.B. der Codex von Urukagina bereits 2.240 Jahre v. Chr.), erste Alphabete etwa 3.000 Jahre v. Chr. (das griechische Alphabet wurde im 9. Jahrhundert von den Phöniziern aus Ugarit übernommen und umgeformt. Ab dem 6. Jh. v. Chr. begannen die Hellenen damit, Medizin, Gesetzgebungstechniken, Verwaltungssysteme, Architektur und Geometrie (Ägypten), Mathematik und Astronomie (Babylonien) zu übernehmen.

In Europa, diesmal im westlichen, vollzogen sich Ereignisse von historischer Bedeutung, wie im 15. Jh. die Renaissanse des antiken Geistes in Italien und im 18.Jh. die Aufklärung zuerst in England und danach in Frankreich, wo 1789 die bürgerliche Revolution stattfand, deren Errungenschaften wie der Bürgerliche Staat, die konkreten Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten  internationale Ausstrahlung erlangten. Zu erwähnen ist ferner die Industrierevolution im 18. Jh. in England, die dem Wesen nach die Zweite große Revolution der Produktivkräfte in der Menschheitsgeschichte darstellt. Hierdurch konnte Europa, international betrachtet, eine führende Rolle spielen. Es ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass europäische Staaten einerseits fast die ganze Welt kolonisiert und im wahrsten Sinne des Wortes ausgeplündert haben. Andererseits jedoch brachten sie zu ihnen Errungenschaften der Industrierevolution (z.B. England in Indien).

Diese welthistorischen Ereignisse erreichten aber die Balkanvölker sowie die Russen nicht oder unvollkommen und sehr verspätet. Diese Völker haben weder die Rennaisance, noch die Aufklärung erlebt. Das ist der Hauptgrund dafür, dass z.B. Russland eine ganze Etappe der europäischen Entwicklung übersprungen hat und vom Feudalabsolutimus zum “Kommunismus“ schritt. So konnte sich kein Bürgertum entwickeln, worauf sich ein moderner Staat stützt, und Errungenschaften Europas, wie z.B. die Demokratie, die Gewaltenteilung, die Individual-Menschenrechte und die bürgrelichen Freiheiten auch dreißig Jahre nach dem Zusammenbruch des “real existierenden Sozialismus“ ein Buch mit sieben Siegeln sind. Es verwundert daher nicht, dass die Menschen in diesen Ländern weder ein entwickeltes Sozialbewusstsein, noch ein europäisches Staatsbewusstsein, noch ein modernes Rechtsbewusstsein besitzen. Möglicherweise als Kompensation dafür verfügen sie aber über ein überentwickeltes Nationalbewusstsein, das allerdings von Populisten reichlich instrumentalisiert wird.
5. Räumliche Dimension (Welche Völker gehören kulturell zu Europa?)
α) Europa umfasst geografisch alle Länder zwischen Portugal und dem europäischen Russland und zwischen Skandinavien und Griechenland.
b) Europa umfasst kulturell (West-, Mittel-, Nordeuropa, zum Teil die Balkanvölker, Griechenland wegen seiner Geschichte ohne Einschränkung), und Osteuropa (Russland, Weißrussland, Ukraine und Moldawien nur zum Teil).
c) Bereits vor 26 Jahren habe ich in meinen Universitätsvorlesungen die Auffassung von einem Europa der zwei Geschwindigkeiten vertreten. Dieses Konzept wurde damals als unfair und diskriminierend gegenüber den Ländern des europäischen Südens angesehen.
6. Ethnopsychologische Dimension (Balkanvölker und der Westen (Europa)
Es wird die Differenzierungsmethode angewandt, die eine der Grundregeln der Allgemeinen Methodologie der wissenschaftlichen Forschung ist:
a) Die orthodoxe Kirche und ihre Theologen lehnen den Westen wegen seines Atom- bzw. Individualzentrismus und seiner “Unmoral” ab. Hier stehen die Russen und die Griechen an der Spitze.
b) Die Kommunisten und einige Vertreter der radikalen Linken sind von Gefühlen der Ablehnung, teilweise sogar des Hasses, gegen den kapitalistischen (“imperialistischen”) Westen besessen. Mit anderen Worten, es handelt sich um eine besondere Ausprägung des “Klassenkampfes”.
c) Der Durchschnitts Balkanmensch bewundert den Westen wegen seines hohen Lebensstandards und seiner ebenso hoch entwickelten Kultur. Auf dem Balkan sind z.B. seit dem 19. Jahrhundert die folgenden Ausdrücke sehr verbreitet: “Wir und Europa” und mit Bewunderung man hat “in Europa studiert”. Damit wird die Bewunderung für die wissenschaftliche Überlegenheit der Europäer (historisch: Franzosen, Deutsche, Engländer) zum Ausdruck gebracht.
d) Kulturelle Minderwertigkeitskomplexe fast aller Balkanvölker gegenüber “Europa” werden ebenfalls festgestellt.
e) Weitere Beispiele für die Beziehungen zwischen europäischen Völkern werden ebenso angeführt: Die meisten Russen bewundern die Deutschen und lehnen sie gleichzeitig ab. Die meisten Polen bewundern und fürchten gleichzeitig die Deutschen. Die meisten Tschechen bewundern und  gleichzeitig beneiden Deutschen.
7. Säulen des abendländischen Kulturkreises

Nach dem methodischen Prinzip des consensus generalis doctorum et professorum (Allgemeine Übereinstimmung der Doktoren und Professoren)
das in angesehenen wissenschaftlichen Wörterbüchern und Universitätslehrbüchern formuliert wird, gehören zu den Säulen des abendländischen  Kulturkreises (Westen) vor allem die folgenden Säulen:
α) Die bekannte antike griechische Zivilisation (Ionien, Athen, Rhodos, Unteritalien, Sizilien, Alexandria).Europa hat von Hellas die folgenden zivilisatorischen und wissenschaftlichen Errungenschaften übernommen: Individuum, Bürger, Demokratie, Staat, Staatsbewusstsein, Rechtsbewusstsein, Freiheitsgedanke, Philosophie, Theorie, Methode, Logik, Geschichte, Rhetorik, Literatur, Poetik, Ästhetik, Theater, Epos, Drama, Satire, Komödie, Medizin, Mathematik, Geometrie, Architektur, Mechanik und Botanik, um die wichtigsten zu nennen. Die Römer und später die Italiener gaben Europa die hellenische Zivilisation und Wissenschaft weiter sowie ihr Recht (jus romanum), den großflächigen und kontinentalen Straßenbau, und ihre Groß-Architektur, ihren Imperialgedanken (Imperium romanum)  und ihre Verwaltungskunst,
b) das Alte und das Neue Testament als die Grundlage des Christentums) und
c) die europäische Aufklärung (England, Frankreich, Deutschland (in der Philosophie) und die USA), die durch die Befreiung des Menschen aus der Dunkelheit des Mittelalters und auf der Grundlage des Jus rationis (Rechte Vernunft ) den Lauf der Weltgeschichte verändert und die Grundlagen für die allgemeine Überlegenheit des westlichen Kulturkreises vor allem in den Wissenschaften und in den Hochtechnologien geschaffen hat.

Literatur

-H. Gärtner, Kleines Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Leipzig 1989.
-Brockhaus, Weltgeschichte, Band 1 (Anfänge der Menschheit und frühe Hochkulturen), Band 2 (Antike Welten) und Band 4 (Wege in die Moderne), Leipzig, Mannheim 1997.
-C. Andresen, H. Erbse, O.Gigon et alt., (Hrsg.),Lexikon der Alten Welt, drei Bände, Dsseldorf 200.
-J. Irmscher (Hrsg.), Lexikon der Antike, Leipzig 1987.
-B. Hrouda(edit); DerAlte Orient, Geschichte und Kultur des alten Vorderasien, München2003.
-H.Freydank, W.F.Reinicke, M. Schetelich, Th.Thilo, Der Alte Orient in Stichworten, Leipzig 1978.
Veröffentlicht zwischen 2012 und2018 in den griechischen Zeitungen Καθημερινή (Kathimerini), Το Βήμα (To Wima), Τα Νέα (Ta Nea), Πρώτο Θέμα (Proto Thema) und iefimerida in Auseinandersetzung mit graecozentristisch gesinnten griechischen Ultranationalisten
aus meinem Buch: Panos Terz, Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band) , ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S.101 ff.

Lernen von anderen Völkern in der Menschheitsgeschichte

Von anderen Völkern lernen, normal in der Weltgeschichte
(Regel der historischen Universalität, versus jedweden ethnozentristischen Ansatzes)
Folgend sollen einige interessante Beispiele des Lernens von anderen Völkern in der Geschichte der Menschheit angeführt werden.
Im Vorderen Orient lernten die Akkader von den vorangegangenen Sumerern, welche die erste Hochkultur in dieser Region (erste Hochkultur vor 5.5000 Jahren, Südirak, Südiran) schufen z.B. Staaten,Gesetzgebung, Schrift, Architektur, Schulwesen, Mythen etc.), die Babylonier und Assyrer lernten von den Akkadern, die Perser übernahmen ausnahmslos die gesamte babylonische Zivilisation, weil sie anfangs keine Zivilisation hatten. So gelang es ihnen, sich innerhalb von 110 Jahren von aggressiven Viehzüchtern zu einem hochzivilisierten Volk zu entwickeln. Außerdem übernahmen sie von den Syrern das Aramäische (die von Jesus Christus gesprochene Sprache) und machten es zu einer kaiserlichen Sprache. Nur im Palast wurde die persische Sprache gesprochen.
Die Hellenen (alte Griechen) haben Kultur und Wissenschaft (Gesetzgebung, Verwaltungskunde, Medizin, Architektur, Geometrie und Bibliothekswesen) von den Ägyptern übernommen. Es war üblich, dass die Söhne der reichen Hellenen nach Ägypten gingen, um zulernen. Der Fürst der Philosophen Platon erwähnt speziell den Fall Solons. (Πλάτων, Τίμαιος, 22b: “και τινα ειπείν των iερέων ευ μάλα παλαιόν”: “Ω Σόλων, Σόλων, Έλληνες αεί παίδές εστε, γέρων δε Έλλην ουκ έστιν…Νέοι εστέ”,(Platon, Timaios, 22b: “und was von den Priestern gesagt wird, ist schon alt”: “O Solon, Solon, ihr Hellenen seid immer Kinder, denn es gibt keine alten Hellenen…Ihr seid jung, sagte er”. Das bezieht sich auf die Studienreise des Staatsmannes, Philosophen, Dichters und Gesetzgebers Solon im 6. Jh. v.Chr. in Ägypten direkt beim Hohepriester, höchsten Wissenschaftler und Bibliotheksdirektor in der Hauptstadt des ägyptischen Reiches Theben. Ferner lernten die Hellenen bei den Babyloniern Mathematik und Astronomie. Von den Syrern haben sie das Alphabet und die Göttin der Liebe und der Schönheit Aphrodite (Astarte), die eigentlich ursprünglich aus Mesopotamien stammte: Ischtar) übernommen.
Die östlichen Völker haben in der hellenistischen Zeit und schwerpunktmäßig im 5. Jh. n. Chr. hellenische Wissenschaft und Philosophie erhalten. Somit wurden die Hellenen aus den Schülern der orientalischen Völker zu ihren Lehrern. Hierbei handelt es sich um eine gegenseitige Befruchtung historischen Ausmaßes.
Als Schüler der alten Hellenen gelten auch die Römer. Darauf machte bereits der Rhetor und Staatstheoretiker Cicero aufmerksam: ” Wir haben Hellas militärisch besiegt, aber Hellas hat uns zivilisatorisch und wissenschaftlich besiegt. Es ist sukzessiv zu einer Verschmelzung der haushoch überlegenen hellenischen Kultur mit der römischen Kultur derart gekommen, dass die europäischen Historiker den terminus scientificus Griechisch-römische Kultur geprägt haben. Das Recht (Jus romanum) gilt als die besondere geistige Leistung der Römer, was noch in der Gegenwart größtenteils präsent ist. Zu nennen ist auch der gewaltige Straßenbau fast in ganz West-Europa. Es wird also festgehalten, dass die Römer unmittelbaren Zugang zu den vielseitigen Errungenschaften der ersten Hochkultur Europas hatten, die ihrerseits all dies an die keltischen und die germanischen Völker weitergegeben hatten. Sie erhielten somit die griechischen Errungenschaften, verwandelt durch die Römer und daher somit geht es dem Wesen nach größtenteils um Kultur aus zweiter Hand. Aber insgesamt übernahmen die germanischen Völker und die Vorfahren der heutigen Völker mit romanischen Sprachen die griechisch-römische Kultur.
Zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert fand die erste Renaissance des antiken hellenischen Geistes in Damaskus und Bagdad statt, angeführt von syrischen und persischen Philosophen (z. B. Al Farabi, Ibn Rushd (Averroes), Ibn Sina (Avicenna), Ibn Chaldun und vielen anderen).
Sie alle haben auf der Grundlage vor allem der Philosophie des Aristoteles die ursprüngliche und sehr gefährliche Auffassung vertreten, dass der Logos dem Glauben überlegen ist, jedoch im11.Jh. konnte sich der Glaube in Verbindung mit einem radikalen Theozentrismus vollständig durchsetzen, wodurch der islamische Fundamentalismus entstand, der und muslimischen Länder um Jahrhunderte zurückwarf.
Seit dem 15. Jh. hat sich Norditalien auf der Grundlage einer kreativen Adaption, was im Oströmischen Reich (Byzanz) unbekannt war), der antiken hellenischen Kultur durch die Renaissance (Rinascimento) zu einem kulturellen und wissenschaftlichen Kulturspender ganz Europas entwickelt. Diese Leistung ist zweifelsohne von internationaler Bedeutung. Italienische Künstler, Architekten und Wissenschaftler stellten ihr Wissen allen Ländern Europas zur Verfügung, und Tausende junger Menschen gingen für verschiedene Studien nach Norditalien, um verschiedene Wissenschaften und Künste zu studieren.
In enger Verbindung mit der Aufklärung, die in Egland in breiter Front begann und später mit der französischen bürgerlichen Revolution 1789 und der Gründung des ersten bürgerliche Staates ihren Höhepunkt erreichte, wurde Frankreich zum Zentrum der europäischen Kultur und Wissenschaft. Die anderen europäischen Völker haben die neuen Ideen, das neues Gesellschafts- und Menschenbild, den bürgerlichen Staat, die Freiheiten und die Menschenrechte, befreit von der Dunkelheit und den Fesseln der römisch-katholischen Kirche, mit größter Begeisterung aufgenommen.
Angezogen von sozialen und politischen Erfolgen, haben viele Völker versucht, die Ideen vor allem der Aufklärung und insbesondere der Französischen Revolution aufzugreifen und anzuwenden, aber einige von ihnen, wie die Lateinamerikaner und die Balkanvölker, haben sich auf die Form beschränkt und die Substanz vernachlässigt, weil ihnen der kulturelle, politische und soziale Hintergrund fehlte, was auch heute teilweise noch gilt.
Von England hat die Menschheit den Parlamentarismus und den Industriekapitalismus (Industrielle Revolution, die Zweite Revolution der Produktivkräfte in der Menschheitsgeschichte), von denen fast alle großen Staaten der Welt profitiert haben. Speziell Deutschland hat fast alle Errungenschaften der englischen Industrierevolution relativ schnell und gründlich übernommen und konnte sich rasant zu einer Industrienation entwickeln.
Im späten 19. Jahrhundert schickte Japan Tausende von Studenten in die USA und nach Deutschland, um die damals fortschrittliche amerikanische und deutsche Industrie sowie das deutsche Straf- und Zivilrecht zu studieren. Das Wissen wurde in Japan angewandt, ohne dass die japanische nationale Identität verloren gegangen wäre, aber die japanische Lebensweise hat sich unter dem kulturellen Einfluss der USA nach dem 2. Weltkrieg gewandelt. Später taten die chinesischen Pragmatiker dasselbe, da es dort keine Priesterschaft, keine Mullahs oder Priester gibt, welche die Modernisierung des riesigen Landes verhindern könnten.
Auch gegenwärtig versuchen viele Länder von den USA vor allem auf dem Gebiet der Hochtechnologien zu lernen, zumal in diesem Land sich die Dritte große Revolution der Produktivkräfte in der Menschheitsgeschichte erfolgt. China hat z.B. hinsichtlich der Hochtechnologien viel von den USA und teilweise auch von anderen westlichen Ländern gelernt, aber zugleich das Übernommene weiterentwickelt und ist hierdurch dabei, sich ebenfalls zu einer Supermacht der Hochtechnologien zu entwickeln.
Abgesehen von der rückständigen Orthodoxie, hat der Islam aufgrund seines theozentrischen, teilweise theokratischen Systems auch große Probleme mit den Werten des westlichen Kulturkreises, wie Anthropozentrismus, Individualität, Demokratie, bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte, während er gleichzeitig auf seine angebliche moralisch-ethische Überlegenheit hinweist. Dies ist jedoch in Wirklichkeit eine Kompensation für den Rückstand in den wichtigsten Bereichen des konkreten Lebens und Ausdruck von Minderwertigkeitskomplexen.
Schlussfolgerungen:
1. Die Aneignung von Kultur und Wissenschaft fortgeschrittener Völker war und ist in der Geschichte der Menschheit etwas Selbstverständliches und Vorteilhaftes.
2. Die größten Gegner der Übernahme von Errungenschaften anderer Länder oder Kulturen sind in erster Linie die Religion sowie rückständige soziale und nationalistisch gesinnte Gruppen.
Veröffentlicht von2012-2018 häufig in den griechischen Zeitungen Καθημερινή (Kathimerini), Τα Νέα (Ta Nea) und in efimerida.
Aus meinem Buch: Panos Terz, Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος: Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band) , ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S. 202.