Asowsches Meer, Streit zwischen Russland und der Ukraine

Asowsches Meer, Streit zwischen Russland und der Ukraine

Eine Einschätzung aus Sicht des Völkerrechts

1.Fall : Das Asowsche Meer vor der Annexion der Krim durch Russland

a) Gemäß der Seerechtskonvention der UNO von 1982 gehörte das Asowsche Meer
(folgend : A.M.) zum Binnengewässer (inneres Gewässer ) und damit zum
Staatsterritorium der Sowjetunion.
b) Aber nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 ist das AM zum „gemeinsamen Binnengewässer“ von zwei souveränen Küstenstaaten und zwar
Russlands und der Ukraine. Hierüber ist 2003 ein bilateraler völkerrechtlicher
Vertrag abgeschlossen worden. Für ihn gilt die Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969. Da es sich um zwei Völkerrechtssubjekte handelt, können die Bestimmungen der Seerechtskonvention über die Friedliche Durchfahrt (Art. 17-20) angewandt werden, wobei sich die friedliche Durchfahrt auf zivile sowie auf Kriegsschiffe (keine Erlaubnis, aber Voranmeldung) bezieht.
c)Beide Staaten haben es leider unterlassen, den vorgesehenen Abgrenzungsvertrag auszuarbeiten. Da die Ukraine durch die längere Küste besitzt und infolgedessen nicht unbedingt das Prinzip der seevölkerrechtlich üblichen Mittellinie angewandt worden wäre, hätte sie den größeren Teil des A.M. beansprucht.

2. Fall : Das A.M. nach der Annexion

a) As völkerrechtlicher Sicht erfolgte 2014 eine Annexion, weil dem „Referendum“ eine
Gewaltanwendung seitens Russlands vorausgegangen war und außerdem die Anwendung des Völkerrechtsprinzips des Selbstbestimmungsrechts der Nationen und
der Völker keine Sezession (Lostrennung) beinhaltet (siehe auch den Fall Kataloniens ) .Auf der Krim ging es weder um eine Nation , noch um ein Volk, sondern im Rahmen des ukrainischen Staates um eine ethnische Minderheit.
b) Der allgemeine Rechtssatz ex injuria non jus oritur (aus dem Unrecht
erwächst kein Recht) bedeutet im Falle der Krim , dass sie nicht zum
Staatsterritorium Russlands gehören darf und infolgedessen völkerrechtlich
immer noch ukrainisches Gebiet ist.

c) Russland handelt jedoch nach der „normativen Kraft des Faktischen „
und schafft systematisch fait accompli (vollendete Tatsachen). Der erste Schritt war die Annexion der Krim, der zweite der völkerrechtswidrige Bau der Kertsch-Brücke und der dritte besteht in der Umwandlung des A.M. zum Binnengewässer Russlands.
Es ist damit zu rechnen, dass Russland weiter gehen und das Territorialgewässer sowie den Festlandsockel und die ausschließliche ökonomische Zone der Krim erklären wird.
Es fehlt noch die Annexion der beiden „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk.
Danach ist die „Republik“ Transnistrien in de Moldauischen Republik an der
Reihe.
d) Unabhängig von der “Rechtsauffassung” Russlands ist es nach dem Internationalen Seerecht nicht üblich, ohne besonderen Grund (z.B. Reaktion auf Gewaltanwendung) militärische Gewalt anzuwenden.
Somit hat Russland mehrere rote Linien überschritten und das Völkerrecht mehrfach verletzt.

Die Zeit (29.11.18, 10.5.19)), Münchner Merkur , Wiener Zeitung, Neue Zürcher Zeitung,(30.11.18), NZZ Facebook (17.5.19)