Protestantismus – Calvinismus

Protestantismus-Calvinismus
1. Der Protestantismus war ursprünglich eine Reaktion des Mönchs Martin Luther (Sprachen: Latein, Altgriechisch, Hebräisch) auf die Korruption, die Ausschweifung, den Autoritarismus, die Heuchelei, die Falschheit und die Prostituierung der damaligen römisch-katholischen Kirche. Sukzessiv kam er zu dem Schluss, dass der Papst in Rom der eigentliche Antichrist, d.h. der Teufel, sei! Um das richtige Christentum zu verbreiten, übersetzte er die Heilige Schrift ins Deutsche, damit die Gläubigen sie besser verstehen konnten. Seine Anhänger warfen die Ikonostasen, die Weihrauchgefäße, die Kerzenständer, die “heiligen Knochen” und alles andere, was ihrer Meinung nach heidnisch war, aus den Kirchen. Sie lösten die Klöster auf, schickten Mönche und Nonnen in ihre Häuser, ermunterten sie, zu heiraten und Familien zu gründen, und er selbst heiratete eine schöne Nonne, die später ein Handelsunternehmen gründete und großen finanziellen Erfolg hatte.
2. Einige Herrscher unterstützten Martin Luther, dann kam es zum schrecklichen und zerstörerischen “Dreißigjährigen Religionskrieg”, der Mitteleuropa so sehr verwüstete, dass die Führer beider religiöser Fraktionen schließlich beschlossen, 1648 den Westfälischen Frieden zu schließen.
Der Protestantismus wurde vor allem durch die damals militärisch starken Schweden gerettet. Der Vertrag verkündete unter anderem zwei Grundsätze, die nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa und teilweise auch für die ganze Welt von entscheidender Bedeutung waren: (a) “Ejus Regio cujus Religio” (“Wessen Land, dessen Glaube”), d.h. die Religion der Untertanen war abhängig von der Religion des jeweiligen Herrschers. (b) Sie kamen auf der Grundlage eines protestantischen Vorschlags überein, den neuen Grundsatz “Pacta sunt servanda” (“Verträge sind einzuhalten”) einzuführen, zu formulieren und getreu anzuwenden. Sie haben diesem Prinzip das Adjektiv “heilig ” verliehen. Wer ihn nicht respektiert, ist unmoralisch, unzivilisiert, verachtenswert, strafbar und damit sündhaft. Bis zum Westfälischen Frieden galt nur der allgemeine Grundsatz “bona fides” (“Treu und Glauben” des römischen Rechts.)
3. Moralische Grundsätze des Protestantismus: (1) Das ethische Prinzip der Arbeit mit sehr interessanten Aspekten: Der gute Christ hat die heilige Pflicht, fleißig zu sein. Arbeit ist für ihn eine besondere Form der “Selbstverwirklichung” des Menschen. Darüber gibt es als Grundlage auch  philosophische Ansichten. In der protestantischen Literatur wird die Arbeit als “Sebstbegegnung” des Menschen gesehen. Diese Begriffe sind übrigens in den Sprachen der mediterranen Völker nicht bekannt.
Das bedeutet, dass der Fleiß ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Identität ist. Durch seine Arbeit ehrt der Protestant Gott, der ihn dadurch liebt und segnet. Durch seinen Fleiß schafft der Protestant die notwendigen Voraussetzungen, um eines Tages direkt in den Himmel zu kommen, “hic et nunc” (“hier und jetzt”) zu schaffen und sich nicht so sehr mit der “Ewigkeit” zu beschäftigen. Der faule Mensch wird zweifellos und auf ewig in die Hölle kommen. (2) Das calvinistische ethische Leistungsprinzip. So entstand in erster Linie der Handelskapitalismus in Holland und dann der Industriekapitalismus in England. Das ist ohne Übertreibung faszinierend. Vor allem aus der Synthese der Produktivkräfte mit dem Protestantismus ist das kapitalistische System hervorgegangen (Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus). (3) Der Protestant ist ein Individuum, besitzt Individualität, lehnt aber Individualismus und Egoismus ab (orthodoxe Geistliche und Theologen verwechseln diese Begriffe absichtlich). Er erkennt an, dass es eine dialektische Interdependenz zwischen privaten und gesellschaftlichen Interessen gibt. In strittigen Fällen überwiegen jedoch die Interessen des Ganzen. Das bedeutet, dass sein soziales Bewusstsein überentwickelt ist.
(4) Als bewusster Bürger besitzt der Protestant bzw. der Calvinist auch ein Staatsbewusstsein, d.h. ebenfalls die Anerkennung der dialektischen Wechselbeziehung zwischen den Rechten und den Pflichten gegenüber seinem Staat. (5) Er ist darüber der Protestant bzw. der Calvinist verfügt über ein hoch entwickeltes Rechtsbewusstsein und ist daher gesetzestreu. (6) Der Protestant bzw. der Calvinist ist sehr sparsam, vermeidet Schulden, und für ihn ist es unvorstellbar und unverständlich, dass er mehr ausgibt, als er einnimmt. Er verachtet die arbeitsscheuen Menschen vom ganzen Herzen. (7) Er ist, verglichen mit den Katholiken und vor allem mit den Orthodoxen, in allen Bereichen des Lebens sehr bescheiden. z.B. Wohnung, Auto, Kleidung, Gehälter für die Mitglieder der Regierung und Parlament (sehr niedrig), kleine Regierungen, kleine Parlamente (z. B. das niederländische Parlament nur 100 Mitglieder in einem Land mit 18 Millionen Einwohnern), wenige Beamte  (Niederlande nur 265 000). (8) Der Protestant stellt sein Reichtum nicht zur Schau, denn er lehnt, ja verachtet solche Gewohnheiten. Es ist kein Zufall, dass, verglichen mit den katholischen und vor allem mit den orthodoxen Ländern, gibt es in den protestantischen Ländern relativ wenig Korruption.
4. Protestantisch-preußische Synthese des Grundverhaltensmusters, Merkmale:
Es geht in erster Linie um die positiven “Preussischen Tugenden”, die unklugerweise von einigen Deutschen abgelehnt werden. Dies ist ein Zeichen dafür, dass man nach dem Zweiten Weltkrieg in großer Übertreibung das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Inzwischen hat dieser Fehler in der Gesellschaft zu negativen Erscheinungen geführt.
α) Ordnung und Glaubwürdigkeit auf individueller, gesellschaftlicher und staatlicher Ebene. z.B. “pünktlich sein”, Versprechen einhalten, wie dies auch in der Wendung “Ein Mann, ein Wort” zum Ausdruck kommt. Das bedeutet, dass die Ehre eines Mannes eng mit seiner Glaubwürdigkeit verbunden ist. Natürlich gilt dies auch für die Frauen. b) Die Voraussetzungen für die Verwirklichung der eigenen Ziele schaffen. Auch hierfür gibt es interessante Sprüche wie “Erst die Arbeit und dann das Vergnügen” oder “Bevor man fliegt, muss man zuerst laufen lernen” oder  “Wenig sprechen und viel tun”. Hierbei handelt es sich wahrhaftig um   ”Böhmische Dörfer” für die mediterranen Völker.
c) Er besitzt bei der Arbeit neben Fleiß auch Geduld und Ausdauer und achtet auf Systematik, Methodik, Organisation und Effizienz.
Diese Grundsätze des Protestantismus haben sich insbesondere nach der Gründung der des Deutschen Reichs im Jahr 1871 in ganz Deutschland ausgebreitet.
5. Rolle der Pfarrer -Familien: Es ist ferner unbedingt erforderlich, auf eine hochinteressante Besonderheit hinzuweisen: In den letzten 400 Jahren haben die Familien der protestantischen Pfarrer 45% der wissenschaftlichen Elite Deutschlands hervorgebracht. Diese Familie besaßen eine hohe humanistische Bildung.

6. Es ist offensichtlich, dass die Länder mit protestantischer Tradition (Mittel- und Nord- Europa, Nordamerika) in der Wirtschaft, in der Verwaltung, im Schul- und Hochschulwesen, in der Wissenschaft (Nobelpreise), in den Hoch-Technologien, in der Wirtschaft sowie als Rechts- und Sozialstaaten den Ländern mit katholischer und vor allem mit orthodoxer Tradition überlegen sind.

7. Was speziell die Länder mit orthodoxer Tradition anbelangt, ist ihre vielseitige Rückständigkeit nicht zu übersehen. Auch im dort vorherrschenden Menschen- und Gesellschaftsbild kann man relativ leicht Überbleibsel mittelalterlicher Provenienz finden, weil ihre Völker weder die Renaissance noch die Aufklärung erlebt haben.

Veröffentlicht von 2014 bis 2020 oft in Griechisch oft in: Καθημερινή, Νέα, iefimerida und Πρώτο Θέμα in Auseinandersetzung mit dem griechisdchen Philosophen und Theologen Christos Giannaras

Aus meinem Buch: Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος (Panos Terz): Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik), Zweiter Band) , ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, 284 Seiten,S.34ff.