Gott in Mythologie und Religion

Gott in Mythologie und Religion
Im Mittelpunkt des Beitrages dieses sehr interessanten und in jeder Hinsicht komplexen und brisanten Themas steht der Gott in der Mythologie und in der Religion. Wir werden uns nur auf die wichtigsten der vorhandenen zahlreichen Aspekte konzentrieren, nämlich in erster Linie auf den philosophischen, den mythologischen und zum Teil auch auf den historischen Aspekt.
Zunächst werden die Namen des Gottes in einigen Sprachen genannt: Lateinisch: Deus, davon abgeleitet in den romanischen Sprachen (Französisch: Dieu, Spanisch: Dios, Portugiesisch: Deus, Italienisch: Dio), Altkeltisch: Devus, Sanskrit und Altiranisch: Deva, Lettisch und Litauisch: Dieva, Deutsch: Gott, Englisch: God, Persisch: Khoda und Bag (siehe Bagdad: Geschenk Gottes), Slawisch: Bogd (siehe den slawischen Namen Bogdan: Geschenk Gottes), Hebräisch: JHWH ( יהוה) =Jahwe in Aramäisch (die Sprache von Jesus Christus), Arabisch: Allah und Illah. Interessant dürfte in diesem Fall die Verwandtschaft zwischen den indoeuropäischen Sprachen sein.
International ist es üblich, sich vor allem auf die antiken griechischen Philosophen zu beziehen. Eine systematische Untersuchung der vielen und sehr unterschiedlichen Ansichten der Philosophen der Antike ist die Grundlage für die folgende Bewertung. Die meisten Philosophen vor Sokrates meinten, selbst wenn sie von Gott oder sogar selten von Göttern sprachen, eher den Theos (Θεός, lat. Divinum) als etwas Abstraktes und Ewiges, ohne Anfang und Ende und als Ursache alles Seienden (Thales, Anaximander und Pythagoras). Anaximander hat zudem 2400 Jahre vor Darwin Beeindruckendes formuliert: “Aus anderen Tierarten wurde der Mensch geboren” (Anaximander, Apos. 12, 10, Diels ), was ein materialistisches Weltbild par excellence ausdrückt. Xenophanes war der erste Philosoph, der sich gegen anthropomorphe Götter wandte und im Zeitalter des Heidentums die interessante Ansicht formulierte, dass es nur einen nicht anthropomorphen Gott gibt, der ansonsten unbeweglich ist. Auf eine heitere Weise hat er die Polytheisten verhöhnt: “Für die Äthiopier sind ihre Götter dunkeläugig und kleinnasig, für die Thraker sind ihre Götter blauäugig und hellhäutig” (Clemens Alex., Strom.VII 22, 1=DK 21 B 16) und das international bekannte: Hätten Ochsen und Pferde Hände, um zu malen und Werke zu schaffen, so würden sie die Götter malen und Statuen der Götter nach ihrer eigenen Gestalt machen, Pferde auch Pferde und Ochsen auch Ochsen (freie Übersetzung), (Clemens Alex. Strom. V 109, 3=DK 21 B 15), woraus folgt, dass Xenophanes eher als Monotheist bezeichnet werden könnte. Anaximenes betrachtete pantheistisch von allem die Luft als den Ursprung: “Aus ihr kommt, was gemacht ist, was ist und was sein wird, auch die Götter und das Göttliche” (Hippolytos, Ref. 1 7 1 = DK 13 A). Empedokles, Anaxagoras und Heraklit haben schließlich das Göttliche als Vernunft oder Weisheit identifiziert. Fachphilosophen (vgl. Lexikon der Alten Welt, hrsg. von Carl Andresen u. a., Bd. 2, Düsseldorf 2001, S. 1263 und H. Seidel, Von Thales bis Platon, Berlin 1980, S. 72) interpretieren Heraklit im Sinne des Pantheismus. Diese Einschätzung beruht vor allem auf seiner Auffassung, dass das Prinzip der Verwandlung mit dem Symbol des Feuers im Grunde das Naturgesetz des Universums ist und darüber hinaus “Gott ist: Tag und Nacht, Winter und Sommer, Krieg und Frieden…” (Hippolyt, Ref. IX 10,8 = DK 22 B 103).
Wir haben festgestellt, dass der große materialistische Philosoph Demokrit (die christliche Theologie ignoriert ihn ebenso wie den Epikur) und der Dichter Pindaros ähnliche pantheistische Konzepte hatten. Demokrit zum Beispiel nannte den Geist in Form von Feuer einen Gott (Aetios, 1, 7, 16) und Pindar sagte: “Was ist Gott? Was auch immer alles ist” (Pindar, Ex. 129, Bowra). Pantheistische Tendenzen finden sich auch bei Xenophon: “Das Göttliche, das er ist, dass er so und so ist, dass er alles sieht und alles hört und alles versorgt und für alles sorgt” (Xenophon, Apomn. A, IV, 18, “Das Göttliche ist so groß und so mächtig, dass es gleichzeitig alles sieht, alles hört, überall anwesend ist und sich gleichzeitig um alles kümmert”). Es ist bemerkenswert, dass Demokrit der erste in der Geschichte der Philosophie war, der, nach dem Kausalprinzip denkend, darauf hingewiesen hat, dass die frühen Menschen nicht in der Lage waren zu verstehen, was die Ursache für gefährliche Naturphänomene wie Blitze und Sonnenfinsterniss war, und in großer Angst glaubten, dass die treibende Kraft für all dies göttliche Wesen waren (Sextus Empiricus, Gegen die Wissenschaftler 9,24 ). Diese Ansicht hat sich durchgesetzt und teilweise noch an den Universitäten gelehrt, aber wie es scheint, ist sie zwar richtig, aber nicht allein ausreichend. Der Stoiker Zenon lehrte, dass es keine größere Autorität als die Vernunft gibt. Die Welt der Natur ist die einzige Realität. Die Natur wird von rationalen Prinzipien beherrscht. Der Geist der Rationalität, der uns und die Welt durchdringt, ist das, was wir Gott nennen. Das klingt sehr modern. Auch hier haben Neurowissenschaftler bewiesen, dass die Neuronen das Gefühl der Dankbarkeit für die Existenz des Menschen und die Schönheit der Natur gegenüber einer höheren Macht außerhalb der menschlichen Existenz bilden, was ursprünglich als Göttin und nach vielen Jahrtausenden als Gott genannt wurde. Es lohnt sich, einen praktischen, eher gesellschaftspolitischen Grund hinzuzufügen, der nicht von einem religiösen Menschen, sondern von dem großen Atheisten Voltaire aufgezeigt wurde, der in seinem Epitre a l auteur du livre des trois imposteurs (1769, V. 23, in. Böttcher, Leipzig, 1988, S. 26) formuliert worden ist: “si dieu n’existe pas il faudrait l’inventer” (“Wenn es Gott nicht gäbe, hätte man ihn erfinden müssen”), um die große Rolle der Religion für die Verbreitung moralischer Werte und den sozialen Zusammenhalt zu unterstreichen. Schon seit der mesolithischen Zeit der alten Schamanen gab es auf der ganzen Welt, in allen Rassen und Völkern, in fast allen Religionen die notwendige Priesterschaft als Vermittler zwischen Mensch und Gott (siehe im Einzelnen das herausragende Buch von A. Bancroft, Origins of the Sacred-The Way of the Sacred in Western Tradition, London-New York, 1987). Weil also etwas seit vielen tausend Jahren (die Archäologie bestätigt es) in der gesamten Menschheit bekannt ist, ist es für viele Menschen natürlich, selbstverständlich und notwendig. Es wäre besser, zwischen dem Glauben, der jeweiligen Religion und insbesondere der Kirche (Priesterschaft) zu unterscheiden. Die Religionen haben durch ihre moralischen Grundsätze wesentlich zur Zivilisierung der Völker beigetragen. Um nur die bekanntesten Beispiele zu nennen: die Zivilisierung der Russen und der Balkanvölker durch die Orthodoxie, der zahlreichen alten deutschen und keltischen Völker und Stämme durch den römischen Katholizismus, die Zivilisierung der Völker Asiens durch den Hinduismus und den Buddhismus. Die entscheidende Rolle der christlichen Religion im Prozess der Ethnogenese aller europäischen Nationen, vorwiegend der Spanier, Polen, Russen und der Balkanvölker, vor allem der Griechen, dürfte allgemein bekannt sein. Besonders die Pontischen Griechen hätten ohne die christliche Religion das Bewusstsein der Römer (vor dem Römischen Reich und seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Griechen) verloren. Im Beitrag zum Glauben haben wir auf der Grundlage von Forschungen der Neurowissenschaftler betont, dass der Glaube in den Gehirnzellen konzentriert ist, was bedeutet, dass der Glaube ein Produkt der Neuronen ist. Aber die Konkretisierung des Göttlichen ist im geschichtlichen Verlauf wie auch in den Kulturen vielfältig und sehr unterschiedlich (Heidentum, Götzendienst, Polytheismus, Monotheismus, Pantheismus), d.h. der Glaube an nur einen Gott ist nicht für alle und für immer festgeschrieben. Es ist also das Göttliche, unabhängig von seiner spezifischen Form, ein geistiges Konstrukt des Menschen, aber, wie die menschliche Geschichte beweist, sehr notwendig. Ich schreibe dies, obwohl ich kein gläubiger Christ bin, sondern ein moderner PANTHEIST: Das “Göttliche” ist überall präsent: in der Natur, im Menschen und im Universum, im Bekannten wie im Unbekannten. Im Vergleich zum Monotheismus scheint der Pantheismus wissenschaftlich überzeugender zu sein. Nach der vorherrschenden Auffassung der Pantheismus betrachtet das ewige Universum und die Energie oder Kraft, die alles auf natürliche und evolutionäre Weise über Milliarden von Jahren geschaffen hat, als die einzige Realität und die Welt als selbstgeschaffen. Man kann der ewigen Energie ohne Weiteres den Beinamen göttlich oder sogar Gottheit zuschreiben. Der Pantheist braucht nicht unbedingt einen Vermittler zwischen der so verstandenen Gottheit und sich selbst.
Ganz anders sind die monotheistischen Religionen, die auf dem Alten Testament, der Mythologie des jüdischen Volkes, basieren, aber zu einer Religion erhoben wurden, der zufolge ein bestimmter Gott das gesamte Universum in einer Woche erschaffen hat. Unabhängig von seinem spezifischen Namen ist der Gott ein Produkt des Menschen und insbesondere seines Glaubens. Wenn man aber im metaphysischen Sinne an die Existenz Gottes glaubt, dann wird aus dem Konstrukt der eigenen Neuronen etwas Reales, dessen Erscheinungsformen Tempel, Priesterschaft, Literatur, wunderbare Musik, interessante Traditionen, aber leider auch unmenschliche Religionskriege usw. sind.
veröffentlicht seit 2014 häufig in der Zeitung Kathimerini (Καθημερινή) in Auseinandersetzung mit dem griechischen Philosophen und Theologen Christos Giannaras
Aus meinem Buch: Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος (Panos Terz): Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Θρησκεία, Ιστορία, Εθνολογία, Πολιτισμός, Γλωσσολoγία, Δεύτερος Τόμος  (Enzyklopädische und Allgemeinbildung: Religion, Geschichte, Ethnologie, Kultur, Linguistik, Zweiter Band) , ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, 284 S. (σελ.). , Zweiter Band) , ISBN: 978-620-0-61339-4, Saarbrücken 2020, S. 44 ff.    Zeit (6.2.24)