Zu dem Streit zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Iran aus völkerrechtlicher Sicht
1. Am 5.Juli haben britische Marinesoldaten der Royal-Marines einen syrischen Erdöltanker gestoppt und geentert mit der Begründung, dass der Transport des für Syrien vorgesehenen Erdöls ein Verstoß gegen internationale Sanktionen darstelle. Aber nach Völkerrecht und speziell nach der UNO-Charta kann nur der UNO-Sicherheitsrat gegenüber Staaten Sanktionen verhängen. Somit kann das Vorgehen der Briten als völkerrechtswidrig eingeschätzt werden.Nach britischer Auffassung befände sich das Schiff im Territorialgewässer Gibraltars, während die iranische Seite von internationalen Gewässern spricht.
2. Am 19.Juli haben Revolutionsgarden in der Meerenge (Strasse) von Hormus einen britischen Öltanker gestoppt und umgeleitet mit der Begründung, dass es sich um eine Reaktion auf das Entern des iranischen Erdöltankers durch die Britten handelt. In solchen Fällen lässt das Völkerrecht Reaktivmaßnahmen in Form von Selbsthilfe zu. Nach iranischer Auffassung habe sich der Tanker im Territorialgewässer des Iran befunden, während die britische Seite vom offenen Meer spricht.
3. Somit ist zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Iran ein Rechtsstreit entstanden, der zu eskalieren droht. Offiziell ist der Iran gegen Schiffe anderer Staaten nicht vorgegangen. Infolgedessen ist bis jetzt die freie internationale Schiffsverkehr durch die Hormus – Meerenge nicht gefährdet. Hieraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass besondere militärische Maßnahen mit dem Ziel, den internationalen Schiffsverkehr zu schützen, nicht notwendig sind.
4. Andere Staaten, abgesehen von den USA; haben eigentlich mit diesem Streit nichts zu tun. Dies gilt u.a. auch für Deutschland, dass klugerweise nicht bereit ist, sich an militärischen Abenteuern der USA und des Vereinigten Königreichs in dieser extrem gefährlichen Region zu beteiligen.
5. Sollte es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich einerseits und dem Iran andererseits kommen, so gibt es für andere Staaten, darunter für Deutschland, keine Rechtspflicht im Sinne des casus foederis ( Beistandsfall) gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages von 1949, der wie folgt lautet : „Die vertragsschließenden Staaten sind darüber einig, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle betrachtet werden wird, und infolgedessen kommen sie überein, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jeder von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen anerkannten Rechts zur individuellen oder gemeinsamen Selbstverteidigung den Vertragsstaat oder die Vertragsstaaten, die angegriffen werden, unterstützen wird, indem jeder von ihnen für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Vertragsstaaten diejenigen Maßnahmen unter Einschluss der Verwendung bewaffneter Kräfte ergreift, die er für notwendig erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten“.
In diesem Zusammenhang sei auch auf den Artikel 1 des NATO-Vertrages hingewiesen : „Die vertragsschließenden Staaten verpflichten sich, gemäß den Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sein mögen, durch friedliche Mittel in der Weise zu regeln, dass Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit unter den Völkern nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeglicher Drohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die in irgendeiner Weise mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist.“ Dies entspricht vollends dem grundlegenden Völkerrechtsprinzip der friedlichen internationalen Streitbeilegung.
6. Es sei mit Nachdruck unterstrichen, dass die Spannungen im Persischen Golf nach dem Austritt des bekannten Vertrages mit dem Iran seitens der USA aufgetreten sind, während die EU-Staaten noch Mitglied des Vertrages sind.
Es drängt sich die berechtigte Frage danach auf, was eigentlich die USA und Großbritannien in dieser Region bezwecken. Geht es vielleicht letzten Endes um einen regime change, wie dies bereits 1953 praktiziert wurde, indem der frei gewählte Ministerpräsident Mohammad Mossadegh mittels der Geheimdients-Militäroperation Ajax gestürzt wurde, nur weil er es gewagt hat, die Anglo-Iranian Oil Company zu verstaatlichen ?
7. Der US-Präsident betont immer wieder seinen Slogan „America first“, aber vielleicht gibt es auch ein „America alone“ ? Der britische Premier wiederum hat den Brexit mit zu verantworten und dem Wesen nach betreibt wie sein amerikanischer Bruder im Geiste eine interessen- und egoistisch orientierte nationalistische Politik. Glauben beide im Ernst, dass die EU-Staaten ausgerechnet ihnen gegenüber solidarisch verhalten würden ? Müchner Merkur , Zeit, Berliner Zeitung (1.8.19)
Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Focus, Stern, Spiegel, Stern, Welt, Müncher Merkur,Neue Zürcher Zeitung, alle Facebook (1.8.19)