Der Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine aus Sicht des Völkerrechts
Das “Recht auf Krieg” (jus ad bellum) ist spätestens seit der UN-Charta museal. Es gehört zum früheren Jus publicum Europaeum (Europäisches Völkerrecht). Ebenso antiquiert ist der”gerechte Krieg”, als Begriff geprägt von den Römern (“justum bellum”), allerdings im Sinne der Pax Romana. Heute gilt die “Pax Americana” gefolgt von der „Pax Russica“ und in der Perspektive kommt die „Pax Sinica“ hinzu. Das nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene Völkerrecht hat als wichtigste Aufgabe die Aufrechterhaltung des Weltfriedens, daher ist es bekannt als jus pacis (Friedensrecht). Das Völkerrecht (genauere Formulierung: Internationales öffentliches Recht) stützt sich auf sieben grundlegende Prinzipien, die im Allgemeinen wie internationale „Verfassungsprinzipien“ betrachtet werden und jus cogens (zwingenden) – Charakter besitzen (in der Kurzfassung: Verbot der Gewaltandrohung und Gewaltanwendung (wichtigste Schutzobjekte sind die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit des Staaten), die Souveränität des Staates, das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, das Einmischungsverbot in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, die friedliche internationale Zusammenarbeit, die friedliche Streitbeilegung und die Vertragstreue pacta sund servanda)..
Im Völkerrecht gibt es nur die Selbstverteidigung als notwendige Reaktion im Falle eines Angriffs (Artikel 51 der UN-Charta). Der russische Außenminister sprach von Gefahren für Russland, die sich aus dem Wunsch der Ukraine nach einer NATO-Mitgliedschaft ergäben. In diesem Zusammenhang erwähnte er den Begriff Selbstverteidigung. Putin war konkreter und sprach vom Selbstverteidigungsrecht Russlands gemäß Art. 51 Absatz 7 (den gibt es aber nicht) der UNO-Charta. Dem Wesen nach geht es allerdings um einen Präventivschlag (Vorbeugungsschlag), der jedoch nach Völkerrecht streng verboten und daher als Völkerrechtsverletzung gilt. Er wurde ferner als „Blitzkrieg“ und ohne die erforderliche Kriegserklärung geführt. Der Aggressionskrieg Russlands hat die oben erwähnten grundlegenden Völkerrechtsprinzipien eklatant verletzt und zugleich die in den vergangenen Jahrzehnten mit Mühe und Not geschaffene Friedensordnung in Europa über den Haufen geworfen. Daher kann der Aggressionskrieg an sich als Verbrechen qualifiziert werden, wie die UNO „Deklaration über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen (“Friendly Relations”-Deklaration) von 1970 eindeutig betont: „“Ein Aggressionskrieg stellt ein Verbrechen gegen den Frieden dar, das die Verantwortlichkeit auf Grund des Völkerrechts nach sich zieht“. Auch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes spricht im Artikel 5, Buchst. d) unmissverständlich vom „Verbrechen der Aggression“.
Siehe ausführlich:
-Panos Terz, Völkerrechtswissenschaft: Völkerrechtstheorie, Völkerrechtsphilosophie, Völkerrechtssoziologie, Völkerrechtsmethodologie, ISBN: 978-620-0-27090-0, Saarbrücken 2019.
-Panos Terz, The science of international law, ISBN: 978-620-3-97855-1, Saarbrücken 2021.
-Panos Terz, Problemas seleccionados de derecho internacional, ISBN: 978-620-4-10191-0, Saarbrücken 2021.
-Panos Terz, Панос Терц, Отдельные проблемы международного права, ISBN-13: 978-620-4-10170-5, Saarbrücken 2021.
-Panos Terz, Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος, Επιστήμη του Διεθνούς Δημοσίου Δικαίου, ISBN: 978-620-0-63275-3, Saarbrücken 2022.
Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Focus, Neue Zürcher Zeitung, Stern, Wiener Zeitung (20.4.22), NZZ (11.5.22), Berliner Zeitung (14.5.22, 27.6.22, 13.7.22), FAZ (4.6.22), Zeit (15.7.22), Süddeutsche Zeitung (11.8.22)
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