Revolution

Revolution

Das Thema weist mehrere Dimensionen auf und ist sehr anspruchsvoll. Folgend geht es nicht unbedingt darum, dieses in voller Breite zu behandeln. Daher erweist es sich als zweckmäßig, die wichtigsten Dimensionen in den Mittelpunkt zu stellen.

Gleich zu Beginn weisen wir auf das sprachliche Problem hin, das darin liegt, dass international in allen großen Sprachen der mittelalterliche Begriff revolutio im Lateinischen verbreitet ist.  Dieses   leitet sich von dem Verb revolvere ab und bedeutet (radikale) Veränderung des bestehenden soziopolitischen Systems (Duden, Das große Fremdwörterbuch, Leipzig, Wien et alt. 2000, S. 1175), d.h. es findet eine grundlegende qualitative Veränderung der Strukturen einer Gesellschaft statt. Diese Definition basiert auf der Etablierung des Begriffs “soziale Revolution.”  Nach diesem Begriff vollzieht sich die soziale Revolution  durch abrupte und radikale politische Veränderungen, die im Kern eine Veränderung des historischen Paradigmas darstellen ((Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 3, Stuttgart 2004, S. 607). Dies wurde durch die Ablösung des feudalabsolutistischen Systems (“Ancien Regime”) durch das bürgerliche soziopolitische System realisiert.

Aber auf eine andere, überzeugendere Sichtweise wird hingewiesen: Zwischen den Produktivkräften (Bürgertum) und den Produktionsverhältnissen (Ancien Regime), d.h. zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht, bestand ein Widerspruch, der durch die Revolution aufgehoben wurde. Deshalb wollte das Bürgertum politische und nicht wirtschaftlich-soziale Rechte erlangen. Es hat sich also gezeigt, dass die politischen Rechte des Menschen und des Bürgers zwar als universelle Menschenrechte deklariert wurden, aber in ihrem Wesen klassenbedingt waren, d.h., es ging um die politischen Rechte des aufkommenden Bürgertums. Bis zur Französischen Revolution von 1987 war das bestehende Sozialsystem ein integraler Bestandteil eines “göttlichen” Weltsystems. Das bedeutet, dass das das “göttliche” System war die allgemeine ideologische Grundlage und das Werkzeug des absolutistischen Systems zur Unterdrückung auch der neuen bürgerlichen Gesellschaftsklasse. Die Französische Revolution hat also in der Tat einen radikalen Wandel des historischen Paradigmas herbeigeführt. Der Wandel hat sich plötzlich und gewaltsam vollzogen. Wir haben es hier mit den charakteristischen Merkmalen der soziopolitischen Revolution zu tun.

Etwas Ähnliches ist mit der Großen Oktoberrevolution in Russland 1917 unter ganz anderen gesellschaftspolitischen Bedingungen (z. B. Erster Weltkrieg und wirtschaftliche Verarmung der Volksschichten) geschehen.  Die Bolschewiki führten die “sozialistische” Revolution in einem allseitig rückständigen Land durch, das die bürgerliche Revolution nicht richtig   erlebt hatte. Die “sozialistische” Revolution  war teilweise eine Veränderung des historischen Paradigmas, aber das neue soziopolitische System hielt sich nicht sehr lange und brach schließlich ohne einen allgemeinen Krieg oder Bürgerkrieg 1990 zusammen.

Damit ist hinreichend bewiesen worden, dass die bürgerliche Revolution erfolgreicher war und somit das kapitalistische System mit dem bürgerlichen Staat, der Demokratie,  Menschenrechten und den bürgerlichen Freiheiten dem Herrschaftssystem des “Real existierenden Sozialismus” haushoch überlegen war, obwohl dieses nicht als perfekt gelten kann, aber perfekte, makellose und ideale Systeme sind ausschließlich im Universum der gesellschaftlichen Utopien angesiedelt. .

Von der soziopolitischen Revolution ist die nationale Revolution zu unterscheiden, die im Kern ein Befreiungskampf besteht, wie dies bei den Völkern des Balkan Mitte des 19.Jh. gegen die osmanische Herrschaft der Fall war.  Damit war die Entwicklung des Nationalbewusstseins eng verbunden. Weil aber die bürgerliche Revolution nicht  stattgefunden hat, konnte sich kein Gesellschafts-, Staats- und Rechtsbewusstsein entwickeln. Daher kann man die Völker des Balkan nicht als moderne bürgerliche Staatsgebilde bezeichnen. Sie befinden sich auch nach 200 Jahren der Erlangung der nationalen Unabhängigkeit immer noch auf dem Wege zum hoch entwickelten Europa.  In Griechenland drückt sich diese ”Besonderheit” vor allem in den wirtschaftlichen Problemen seit der Staatsgründung bis heute sowie in der Existenz anarchistischer und terroristischer Gruppen aus, deren Mitglieder in einem  pseudorevolutionären Universum  leben und Gewalt bzw.Terrorismus mit einer soziopolitischen Revolution verwechseln.

Vor allem in südamerikanischen, afrikanischen und einigen arabischen Ländern war und ist die absichtliche Verwechslung von militärischen Bewegungen (Staatsstreich, “Palastrevolution”, “Operettenrevolution”, coup d’état, Aufstand etc.) sehr verbreitet. In den 70er und 80er-Jahren wurden solche Bewegungen von jeder neuen Regierung instrumentalisiert, um unter Berufung auf den Art. 62 (Klausel der grundlegenden Veränderung der Umstände bzw. clausula rebus sich stantibus)  der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 die internationalen Abkommen der Vorgängerregierung für null und nichtig zu erklären, mit dem Ziel, die enormen Staatsschulden nicht zu begleichen. Unmittelbar nach dem Aufstand erklärten sie, dass es sich um einen Fall der sozialen, d.h., einer tiefgreifenden Revolution handelt!

Auf internationaler Ebene haben die beiden Konventionen (“Wiener Konvention  über die Rechtsnachfolge der Staaten in Bezug auf Verträge vom 23. August 1978″) und  (“Wiener Konvention über die Rechtsnachfolge der Staaten in Bezug auf Staatseigentum, Archive und Schulden vom 8. April 1983″) diesem unwürdigen Verhalten für immer ein Ende gesetzt.  Es wurde somit höchstoffiziell  klargestellt, dass das völkerrechtliche Grundprinzip (pacta sund servanda) einzuhalten ist. Der Autor hatte die Möglichkeit einen Beitrag als Gutachter zu der zweiten Konvention zu leisten.

Weitere Literatur

-Huntington S.P., Political Order in Changing Societies, New Haven 1969.

-Koepcke C., Revolution. Ursachen und Wirkungen,  München 1971.

-Nohlen D.,F. Grotz (Hrsg.), Kleines Lexikon der Politik, München 2015

-Huntington S.P., Political Order in Changing Societies, New Haven 1969.

-Tilly  Ch., Die europäische Revolution, München 1999.

Von 20214 – 2017 in den griechischen Zeitungen Kathimerini (Καθημερινή) und Bima (Βήμα) oft veröffentlicht.

Aus meinem Buch: Παναγιώτης Δημητρίου Τερζόπουλος (Panos Terz), Εγκυκλοπαιδική και Κοινωνική Μόρφωση, Εκλαϊκευμένα: Φιλοσοφία, Διεθνές Δίκαιο, Διεθνείς Σχέσεις, Πολιτολογία, Πρώτος Τόμος (Enzyklopädische und Allgemeinbildung, populärwissenschaftlich: Philosophie, Völkerrecht, Internationale Beziehungen, Politik, Erster Band), ISBN: 978-620-0-61337-0, Saarbrücken 2020, 289 Seiten, S.201.